Lotusphere 1998: "Das Geschäftsmodell wird auf den Kopf gestellt"

10.01.1998

BERLIN: Über 5.000 Besucher auf der "Lotusphere 98" sorgten für eine neue Erfolgsmeldung der IBM-Groupware-Tochter. Doch der Lärm hinter der Rekordkulisse war nicht zu überhören: Business-Partner vermuten, Lotus selbst wolle ins Applikationsgeschäft einsteigen, es ist die Rede von "Kündigung der Partnerschaft" und sie überlegen, ob sie nicht bei Erzrivalen Microsoft andocken sollen."Ich bin sehr enttäuscht über die Ausstellung", macht sich ein Aussteller angesichts der leeren Stände im Berliner Kongreßzentrum ICC Luft. Trotz der mehr als 5.000 Besucher auf der diesjährigen "Lotusphere 98" wird er seine mindestens 15.000 Mark Stand- und Teilnahmegebühren als Flop verbuchen. Wie die meisten der 150 nahezu unbeachtet gebliebenen Aussteller. Denn das Zentrum der "Lotusphere" bildeten die über 100 Vorträge rund um die neue Version 5 des europäischen Groupware-Marktführers Domino. "Konferenzen und informelle Kontakte sind das Wichtigste der Lotusphere", bestätigt Fritz Fleischmann. Geschäftsführer der deutschen Lotus-Filiale in Ismaning.

"Lotus ist dabei, das Partnermodell zu kippen"

Doch da Lotus "bekanntlich von seinen Partner lebt", fragt ein weiterer Aussteller aufgebracht: "Legt Lotus Wert auf seine Partner?" Mit einem eindeutigen "Nein" beantworteten viele der in Berlin angetretenen Partner diese Frage. "Das Konzept steht für uns insgesamt zur Debatte", formulierte der Geschäftsführer eines mit vier Mitarbeitern angetretenen Softwarehauses diese Frage. Als Grund nennt er: "Die Softwaregeschäfte der Company leiden unter dem Browser-Vormarsch. Notes-Clients fallen weg. Die Umsätze mit Domino-Servern aber sind zu gering. Also versucht Lotus, immer mehr Geschäfte mit der Consulting-Abteilung zu machen."

Diese "vermutliche Strategie" analysiert ein Brancheninsider so: "Lotus setzt zirka 1,5 bis zwei Milliarden Dollar um. Weniger als die Hälfte geht auf das Softwarekonto. Und so wird Lotus in die Applikationsentwicklung gehen", schließt er.

"LSA ist der Tod der Anwendungsentwickler"

Die Grundlage dafür bilden der in Berlin propagierte Lotus-Einstieg in das sogenannte "Knowledge Management" - "Was bedeutet das anderes als Anwendungsgeschäft?" - und die vor der Verabschiedung stehende "Lotus Solution Architecture" (LSA) mit ihren verbindlichen Definitionen für Notes-Anwendungen. "LSA ist der Tod jedes Applikationsentwicklers", bestätigt ein Softwarehaus "der ersten Stunde".

Das kommentiert Fleischmann erst mit: "Jetzt geht das schon wieder los!", dann argumentiert er: "LSA sorgt für Kompatibilität zwischen den Notes-Anwendungen und somit für mehr Geschäfte- für uns und unsere Partner." "LSA ruiniert uns. Wenn es kommt, können wir unsere Software in den Papierkorb schmeißen und Lotus die Geschäfte überlassen", kontert düster ein hessischer Partner. Weshalb er auf der Suche nach einem neuen Geschäftsfeld daran denkt, "mit Microsoft anzubandeln". Das werden "zwei Drittel aller Business-Partner in den nächsten sechs Monaten" auch tun, steht für ihn fest. In Ismaning aber scheint er damit auf taube Ohren zu stoßen. "Das Thema LSA ist ausdiskutiert", erklärt Fleischmann.

"Die Strategie für die Zukunft ist klar." LSA wird Anfang 1999 verabschiedet." (wl)

"Wer gut ist, ist es auch auf der Basis von LSA", findet Lotus-Geschäftsführer Fleischmann.

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