Management-Turbulenzen bei Tally: Zoff um neue Strategie

22.05.2003
Weil man sich über die künftige Strategie nicht einigen konnte, trennt sich Tally von Vorstand Bengt Stahlschmidt.Wie es nun bei Tally weitergehen soll, erzählt der Vorstandsvorsitzende Gebhard Morent.

Bengt Stahlschmidt ist ein alter Hase im Druckergeschäft: Er war sechs Jahre lang Geschäftsführer bei Minolta-QMS, bevor er im September 2001 als Vorstand Vertrieb und Marketing Emea zu Tally wechselte. Mit Stahlschmidt zogen auch wieder die schwarzen Zahlen beim Druckerhersteller ein, das Geschäft gewann trotz allgemein flauer Marktlage an Schwung. Dass dies auch sein Verdienst ist, davon ist nicht nur Stahlschmidt überzeugt. Dennoch ist die Erfolgsstory für ihn zu Ende: Der Manager verlässt Tally Ende des Monats.

Die Entscheidung hat man einvernehmlich getroffen, heißt es in der offiziellen Mitteilung. Grund für die Trennung sind - wie beide Parteien offen einräumen - die verschiedenen Vorstellungen über die künftige Unternehmensstrategie. "Wir waren uns nicht einig, wie es weitergehen soll", sagt Stahlschmidt, "und ich habe klar gemacht, welche Wege ich nicht mitgehen möchte." Zur Trennung sei es zwar schneller gekommen, als er gedacht hätte, doch gefeuert sei er nicht worden: "Mein Vertrag war zeitlich befristet und wurde jetzt eben nicht verlängert." Sorgen um seine Zukunft muss sich Stahlschmidt trotzdem nicht machen: Er habe bereits mehrere Anfragen von potenziellen Arbeitgebern erhalten, bestätigt der Manager. Dass darunter aber auch eine von Epson ist, wird in der Branche zwar "geflurfunkt", doch von Stahlschmidt und Epson gleichermaßen energisch dementiert: "Ich weiß im Augenblick wirklich noch nicht, was ich machen werde", so Stahlschmidt. "Idealerweise möchte ich natürlich weiter in der Branche bleiben, aber grundsätzlich bin ich auch Neuem gegenüber offen."

Der Vorstandsvorsitzende Gebhard Morent schätzt hingegen keine Experimente und setzt auf "Kontinuität", insbesondere bei den Fachhandelsbeziehungen. Morent wird die Vorstandsaufgaben von Stahlschmidt übernehmen, neu besetzt wird dessen Stelle nicht mehr. Dass die Trennung von Stahlschmidt bei Kunden und Partnern für Irritationen sorgen könnte, glaubt Morent nicht: "Bengt Stahlschmidt hat zu einem großen Teil europäische Aufgaben wahrgenommen und sich bezüglich des deutschen Marktes strategisch und konzeptionell betätigt. Natürlich hatte er auch vielfältige Kontakte und Aktivitäten mit deutschen Kunden. Der bisherige und auch künftige Vertriebsleiter für Deutschland und die Schweiz, Michael Vallo, hat jedoch die Vertriebsorganisation geleitet und wird für die notwendige Kontinuität sorgen."

Die Verbindungen zu den Partnern seien sehr eng und persönlich. Die langjährige Zusammenarbeit mit vielen Partnern habe zeigt, dass "sie mit unseren Produkten, unserer Betreuung und unserem Service zufrieden sind und gerne mit uns zusammenarbeiten", so Morent. Tally werde jedenfalls auch in Zukunft mit "einer breiten Produktpalette", "allen wesentlichen Technologien" und "unserer Kompetenz für Drucklösungen" den Markt und die Partner bedienen, so der Vorstandsvorsitzende. "Schwerpunkt wird dabei sein, unseren Handelspartnern und Endkunden ein Rundum-Paket, bestehend aus Produkt, Verbrauchsmaterialien, Support und Service, zu bieten. Wir wollen also nicht primär über Preis und Volumen, sondern über Lösungskompetenz und Rundum-Service den Markt bedienen", erklärt Morent.

Turnaround 2002 geschafft, Umsätze stabil

Die bisherige Ausrichtung hat jedenfalls funktioniert: Tally hat in der Vergangeheit die Zusammenarbeit mit ausgewählten Direktpartnern intensiviert, die Betreuung der kleineren Fachhändler in die Hände der Distribution gelegt, seinen Vertrieb thematisch neu ausgerichtet, ein Team zur aktiven Kundenbetreuung ins Leben gerufen und sich freche Marketingaktionen einfallen lassen. Auch an Servicequalität und Reaktionszeiten wurde gearbeitet. "Der Tally-Vertriebsweg ist grundsätzlich der über Handelspartner", sagt Morent. "Und wir werden unseren Partnern weiterhin eine aktive Betreuung und Unterstützung bieten mit dem Ziel, die Fachhandelsbasis auszuweiten und ein gesundes Wachstum zu erreichen." Dass Tally dazugelernt hat, schlägt sich in den Zahlen nieder: 2002 schaffte man den Turnaround, verbucht laut Morent weiterhin stabile Umsätze und kann mit einer positiven Ertragslage aufwarten. "Wir haben unsere Marktanteile im Kerngeschäft trotz der schwachen Marktlage gesteigert", so der Manager. Bei Farblasern liegt Tally nach eigenen Angaben bei 3,5 Prozent, und es sollen mehr werden: Dazugewinnen will man beispielsweise durch die Einführung von Tandem-A4- und -A3-Farblasern, bei Lowend- und 4pass-Produkten will sich Tally hingegen zurückhalten. Neues darf auch im Bereich der professionellen Tintentechnologie erwartet werden.

Die Marktsituation ist nach Einschätzung von Morent weiterhin "schwach" und durch eine deutliche Investitionszurückhaltung geprägt. Trotzdem sieht er für Tally große Chancen, mit Farblasern und den Industrie-Tintendruckern für professionelle Anwender die generell rückläufige Marktentwicklung aufzufangen und den Umsatz zu halten: "Ausschlaggebend ist, dass Tally den professionellen Kunden ein Gesamtpaket, bestehend aus Produkten, Verbrauchsmaterial, Support und eigenem Service, anbietet. Damit ist heute und in Zukunft noch Geld zu verdienen."

www.tally.de

ComputerPartner-Meinung

Tally-Chef Morent hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und wird das Schiff - insbesondere in Bezug auf die Partnerbeziehungen - jetzt sicher auf Kurs halten. Dennoch ist der Abschied von Stahlschmidt für Tally ein Verlust: Der Manager, der in der Branche als Sunnyboy gilt, hat dem angestaubten Image des Unternehmens innerhalb kurzer Zeit und mit Erfolg einen Frische-Kick verpasst. (mf)

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