Management: Von Farmern und Huntern

11.03.2005
Von Axel Schnauber
Die Strukturen und Prozesse im Auge zu behalten ist eine Managementaufgabe, die leider oft vernachlässigt wird. Meistens werden Veränderungen viel zu spät durchgeführt. Axel Schnauber erklärt, warum Unternehmen vor allem beim Vertrieb darauf achten sollten, bevor Druck von außen kommt

Von Marzena Fiok

Veränderung der Vertriebsstrukturen - wer kennt dieses Thema nicht zur Genüge? In nahezu allen Branchen der deutschen Wirtschaft werden die Geschäftsstrukturen permanent analysiert und immer wieder angepasst. Die Notwendigkeit dazu entsteht durch die Veränderungen des Marktes, durch Wettbewerbseinflüsse und Preisdruck. Doch Veränderungen bringen nicht nur Mühen, sie geben auch die Möglichkeit, immer wieder die Strukturen zu optimieren - gerade im Vertrieb.

Nichts ist so beständig wie die Veränderung

Aber warum erst handeln, wenn ein Zwang von außen einwirkt? Sollte es nicht eine stetige Aufgabe sein, die Strukturen und Prozesse im Unternehmen im Auge zu behalten und immer wieder auf den Prüfstand zu stellen? Dies ist eine ureigenste Managementaufgabe, die in der Praxis oft nur unzureichend wahrgenommen wird. Die Gründe dafür sind vielfältig und liegen oft in der Angst vor Veränderungen begründet. Speziell Branchen wie die Telekommunikation und IT haben in den letzten Jahren schmerzliche Lernprozesse durchlaufen müssen.

Prioritäten setzen!

Werden Vertriebsstrukturen geändert, sollten als Auslöser nur zwei Faktoren im Vordergrund stehen: Produktivitätserhöhung und Kundenfokus. Ob regionale Gebiete entstehen, Produktschienen den Ausschlag geben, vertikale Märkte zum Ziel führen sollen: Es gilt, den Kunden konsequent in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen, und dies darf nicht nur ein Lippenbekenntnis sein, das der Kunde schon nach der ersten Bestellung als solches entlarvt. Es muss in Prozessen abgebildet und im Handeln der Mitarbeiter verankert sein, über alle Abteilungen hinweg und von allen Managementhierarchien getragen.

Farmer und Hunter

Eine der Möglichkeiten zur Strukturveränderung im Business-to-Business-Vertrieb kann zum "Kunden-Neukunden-Modell" führen. Diese Form kommt meistens dann ins Spiel, wenn erkannt wurde, dass die Vertriebsmannschaft mit der Betreuung der bestehenden Kundenbasis offenbar voll und ganz ausgelastet ist und das Gewinnen von neuen Kunden keine Fortschritte macht.

Ziel dieser besonderen Struktur ist es, die Kundenbasis auf nur einen Teil der Vertriebsmitarbeiter (Farmer) zu konzentrieren und diese vom reinen Neugeschäft abzuziehen. Die frei werdenden Vertriebsmitarbeiter (Hunter) kümmern sich um das Neugeschäft bei den Interessenten.

Die Konzentration auf eine der Gruppen kann erhebliche Vorteile in der Bearbeitung für Vertriebsmitarbeiter und Kunden/Neukunden bringen, sowohl in der Effizienz als auch in der Wirkung. So weit die Theorie. Die Praxis wirft bereits hier Fragen auf und bietet genügend Stolpersteine zum Misslingen der Umorganisation.

Einige Punkte, die bei der Umsetzung zu beachten sind:

w Kommunikation: Ihr kommt wie so oft eine zentrale Bedeutung zu. Intern muss bereits im Vorfeld die Vertriebsmannschaft in die Überlegungen mit eingebunden werden, um von dort die entsprechende Unterstützung zu bekommen. Die Hinweise, Vorschläge und Einwände müssen bearbeitet und ausdiskutiert werden. Für den Erfolg der Umsetzung ist das Verständnis der Vertriebsmannschaft wichtig, und dafür muss das Management eine gute und überzeugende Vorarbeit leisten.

w Kunden: Ist die Struktur der Farmer und Hunter intern durchgesetzt, muss auch mit den Kunden kommuniziert werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass auch sie verstehen, warum solch eine geänderte Vertriebsorganisation eingesetzt wird und welchen Nutzen dies für sie und ihr Unternehmen künftig haben wird. Der erste zu behandelnde Einwand, dass ein Teil der Kunden einen neuen Ansprechpartner/ Vertriebsmitarbeiter erhalten wird, muss ernst genommen werden und bedarf einer soliden Argumentation, die die Vorteile für den Kunden und den Vertriebsmitarbeiter herausarbeitet.

w Prozesse: Den gleichen Stellenwert wie die Kommunikation erhält das Thema Prozesse. Farmer bewegen sich in einem anderen Umfeld als Hunter. Zur Sicherstellung ihres Erfolgs müssen sie eine andere Arbeitsweise an den Tag legen und entsprechend hausintern unterstützt werden. Beispielsweise benötigen Hunter für die Akquise eine aktuelle Datenbasis über das zu gewinnende Kundenpotenzial. Beispielsweise können hier sehr gut externe Telemarketingaktionen eingebracht werden, deren Ergebnisse dann in einem vorhandenen Vertriebsinformationssystem abgebildet werden. Auch werden häufiger Angebote erstellt, die schnell und punktgenau die Interessenten erreichen müssen. Diese Bearbeitungsprozesse sollten schnell und fließend funktionieren.

w Farmer: Die Farmer hingegen haben neben dem Thema Neuprojekte viel mit den bereits verkauften Produkten/Projekten beim Kunden zu tun und brauchen eine zuverlässige Unterstützung bei der Problembehandlung. Dies kann durch beispielsweise ein Back Office für administrative Dinge und technische Unterstützung für Produktthemen sein.

w Verantwortung und Zuständigkeit: Ein wesentlicher Diskussionspunkt werden am Anfang immer wieder folgende Fragen sein: Wann gehen die von Huntern neu gewonnenen Kunden in die Bearbeitung von Farmern über? Wie ist der Übergabeprozess? Wie wird der Neukunde mit einbezogen?

Eine Neuordnung der Prozesse darf nicht im Vertrieb Halt machen. Alle Nachbarabteilungen, ob sie direkt, wie etwa der Service, oder indirekt, wie beispielsweise die Buchhaltung, mit dem Vertrieb verbunden sind, sollten eng in Veränderungen der Abläufe und Strukturen eingebunden werden. Es muss über die Abteilungsgrenzen hinaus klar sein, was zu geschehen hat, wenn etwa die Buchhaltung den fehlenden Zahlungseingang eines Kunden feststellt oder dem Service eine Störung vom größten Kunden gemeldet wird. Vertriebsleitung und Unternehmensführung müssen in die Prozesskette eingebunden werden.

w Wer wird Farmer, wer Hunter? Für viel Diskussionsstoff sorgt die Aufstellung der Vertriebsteams. Wer wird Farmer, und warum? Wie viele Hunter werden benötigt? Welche Kriterien sind ausschlaggebend?

Wenn die Vertriebsleitung eine Befragung durchführen würde, sähen sich voraussichtlich über 80 Prozent der Vertriebsmannschaft als Farmer. Das mag unter anderem daran liegen, dass ehemals begabte Hunter nach erfolgreicher Gewinnung von Neukunden im Tagesgeschäft der Farmer gelandet sind und es als "komfortabler" empfinden. Es könnte aber auch am existierenden Bonusvertrag für Vertriebsmitarbeiter liegen, der, sollte keine Anpassung geschehen, für die Farmer günstiger zu sein scheint.

Das Vertriebsmanagement muss das Profil seiner Mitarbeiter gut kennen und in der Lage sein einzuschätzen, wer für welche Tätigkeit die beste Voraussetzung mitbringt. Die zwingend notwendigen Gespräche mit den Mitarbeitern sind Grundlage für eine richtige Einschätzung. Mitarbeiter und Management sollten hier die gleiche Meinung haben und von der Entscheidung überzeugt sein.

Gute Beziehungen zu den Kunden

Beim Aufbau von Farmer-Hunter-Teams sollte darauf geachtet werden, dass existierende Kundenbeziehungen nicht unnötig belastet werden. Möglicherweise ist es sinnvoll, die umsatzstarken und profitablen Kunden weiterhin vom bisherigen Vertriebsmitarbeiter bearbeiten zu lassen.

Zur Unterstützung der neu gestalteten Teams wird man über Back-Office-Funktionen nachdenken müssen, um die Vertriebsmitarbeiter produktiver machen zu können. Erfahrungen zeigen, dass eine geringere Anzahl von kostenintensiveren Vertriebsmitarbeitern notwendig ist, wenn Routinearbeiten durch solch eine günstigere Support-Funktion geleistet werden.

Mitentscheidend für den Erfolg einer vertrieblichen Umorganisation ist der Erfolg bei der bestehenden Kundenbasis. Sie darf nicht durch Verunsicherung, nachlassende Leistung oder fehlende Ansprechpartner gefährdet werden.

Ein leistungsförderndes Bonussystem

Eine der Säulen, auf denen Vertrieb heute erfolgreich geleistet wird, ist nach wie vor ein motivierender Bonusplan für die Vertriebsmitarbeiter. Mag der Bonusplan vor der Umorganisation noch für alle passend gewesen sein, muss er bei der Umstellung auf Farmer-Hunter-Teams angepasst werden. Dies sollte vor allem den unterschiedlichen Verkaufszyklen und Tätigkeiten Rechnung tragen.

Wichtig ist, den Betriebsrat einzubinden. Sowohl die Umorganisation als auch der Bonusplan sind Elemente der betrieblichen Mitbestimmung. Daher sollte in jedem Fall eine Mitwirkung des Betriebsrates bei der Gestaltung und Ausformulierung des Bonusplans stattfinden. Die Diskussionspunkte liegen auf der Hand: 1. Neukundenbonus und Rückgewinn-Bonus kann es nur für Hunter geben. 2. Bonus für Vertragsverlängerung und Bewertung nach existierendem Umsatz bevorzugt die Farmer, eine Bewertung nach Auftragseingang möglicherweise die Hunter. Das Bonussystem sollte in jedem Falle als fair und motivierend zugleich empfunden werden.

Veränderungen bergen neue Erfolgschancen

Die hier beispielhaft angesprochenen Punkte Kommunikation, Prozesse, Vertriebsteams und Bonusplan sind nur Teilaspekte bei einer Änderung von Vertriebsstrukturen. In der Praxis ergeben sich oft weitere Punkte. Nutzen Sie die Möglichkeit, Kompetenzen im Team und über das Team hinaus für die Entwicklung einer Veränderungsstrategie sowie die Durchführung der Veränderungen zu nutzen. In vielen Fällen hilft der neutrale Blick eines erfahrenen Beraters, Strukturpotenziale auszuloten und einzuleiten. Veränderungen bergen Chancen - nutzen Sie sie!

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