Mangelware Gesprächspartner

08.03.2000
Coaching als mentales Fitnesstraining gewinnt zunehmend an Bedeutung. Weshalb das so ist, erklärt Hartmut Volk.

Manager, behauptet die Galionsfigur der deutschen Unternehmensberater, Roland Berger, müssen sich täglich neu erfinden. Dr. Dr. Rudi Ott, Professor für Religionsphilosophie in Mainz, liefert die inhaltliche Präzisierung dieser Forderung: "Ich kann keine Probleme lösen, wenn ich mir nicht immer wieder Denkmuster aufbaue und pflege, die mir neue Möglichkeiten eröffnen. Jeder geht mit der Zeit kaputt, wenn er sich nicht die Zeit nimmt, sich passendere geistige Strukturen aufzubauen."

"Problembewältigung unter vier Augen"

Ist diese Erkenntnis mit der Grund für die wachsende Nachfrage nach dem, was der wohl versierteste Einzelberater Deutschlands, Dr. Wolfgang Looss, Darmstadt, als "Problembewältigung unter vier Augen" bezeichnet? Nach Coaching also? Für den gestandenen Versicherungs-Manager mit Beratungserfahrungen und intensiver Coaching-Ausbildung Frank Steffen, Wuppertal, ist diese Vermutung nicht von der Hand zu weisen.

Manager, erläutert Steffen, suchten immer häufiger jemanden, mit dem sie sich in geistige Klausur zurückziehen könnten, weil sie zum einen wüssten, dass "gut sein" heute eine Eigenschaft mit einem sehr kurzen Verfallsdatum sei, die demzufolge intensiver Pflege bedürfe, und weil sie zum anderen darauf setzten, das immense Tempo der Welt in ihrer herausgehobenen Position mit psychisch-mentaler Unterstützung leichter mitgehen und verkraften zu können. Und - weil ihnen wohl bewusst sei, dass zur persönlichen Weiterentwicklung der Dialog, das Gespräch, der offene Gedankenaustausch mit anderen zwingend dazu gehöre.

Und hier liegt für Steffen der Hund begraben. Es mangele an den dazu notwendigen Partnern. Je höher Führungskräfte in der Hierarchie aufstiegen, desto mehr seien sie umgeben von abhängigen Mitarbeitern, konkurrierenden Kollegen und ständig Erfolge einfordernden Vorgesetzten: "Der Manager oder auch der Unternehmer befürchtet - zu Recht oder zu Unrecht -, es ausschließlich mit Menschen zu tun zu haben, die ihre Kommunikation und Kooperation mit ihm hauptsächlich nach eigenen Interessen und taktischem Kalkül steuern und gestalten."

Blieben - sofern der Kontakt zu ihnen noch nicht ganz der Karriere geopfert wurde - als Ausweichmöglichkeit Ehepartner und Freunde. Jedoch als wirklich hilfreiche Ersatzgesprächspartner seien sie oft überfordert, da ihnen meist das für ein klärend-unterstützendes Gespräch erforderliche fachliche wie betriebliche und auch "psychologische" Wissen fehle. Außerdem, so Steffen, seien sie in der Regel auch kaum neutral.

Aber selbst wenn sich unter Ehepartnern oder Freunden, ja sogar Wirtschaftsprüfern oder Anwälten kompetente Dialogpartner fänden, stoße deren Meinung selten auf wohlwollende Aufnahme, weiß Steffen zu berichten. Vielmehr werde das, was sie zu bedenken geben, häufig als persönlicher An-griff missverstanden.

Außerdem, so Steffen, sei unter Unternehmern und Manager die Furcht verbreitet, bei der eigenen Ehefrau, vor Freunden, den Geschäftspartnern, von Vorgesetzten, Kollegen, Mitarbeitern ganz zu schweigen, den Anschein zu erwecken, man habe die Dinge nicht mehr so ganz im Griff und könne sie nicht mehr allein bewältigen: "Das hindert sie, im unmittelbaren beruflichen oder auch im privaten Umfeld offen an- und auszusprechen, was ihnen durch den Kopf geht beziehungsweise, wenn Ängste und innere Widerstände den Horizont eines Managers einengen und seine Entschei-dungsmöglichkeiten blockieren, sie als Probleme mit sich herumschleppen."

Einsamkeit an der Spitze

Fazit: Die oft zitierte "Einsamkeit an der Spitze" ist zu einem ernst zu nehmenden Problem geworden. Isolation, nicht nur innerhalb des Unternehmens, sondern auch in-nerhalb der Familie und des Freundeskreises, ist die scheinbar unausweichliche Konsequenz der Karriere. Und diese je nach Naturell als mehr oder weniger belastend, auf jeden Fall aber als unbefriedigend und blockierend empfundene Gesamtsituation, sagt Steffen, "gibt für immer mehr Unternehmer und Manager schließlich den letzten Anstoß, den Kontakt zu einem Coach zu suchen".

Denn deutlicher als jedem Durchschnittsberufstätigen zeigt ihnen ihr Alltag die herausfordernde Richtigkeit dessen, was der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), Professor Hubert Markl, in der ihm eigenen nüchternen Präzision so ausdrückt: "Wer nur kann, was alle schon können, und nur weiß, was alle schon wissen, kann auch nur tun, was alle schon tun können. Berufs- wie Wettbewerbserfolg setzt immer den Willen, die Kraft und die Fähigkeit voraus, anderen mit eigenständigen Wissensfortschritten vorauszugehen."

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