Marktvergleich ist auch ohne einen Mietspiegel möglich

31.05.2001
Während bei Wohnräumen die Höhe des Mietzinses nach oben durch die so genannte Ortsüblichkeit begrenzt ist, fehlt eine solche Regelung bei Gewerbe-Miet- und -Pachtverträgen. Der Bundesgerichtshof weist indes einen Weg, auch im gewerblichen Bereich die "marktübliche" Miete als Maßstab zu nehmen.

Im Wohnraummietrecht kann auf Mietwerttabellen und Mietspiegel zurückgegriffen werden, aus denen sich die ortsübliche Vergleichsmiete ergibt. Dagegen existieren für den Bereich der gewerblichen Vermietung keine vergleichbaren statistischen Werte.

Als gegenseitiger Vertrag kann ein gewerblicher Mietvertrag als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 I BGB sittenwidrig und daher nichtig sein, wenn zwischen Leis-tung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und eine verwerfliche Gesinnung hervorgetreten ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die wirtschaftlich schwächere Position des Mieters bewusst ausgenutzt wird und sich der Mieter nur aufgrund seiner schwächeren Lage auf diese nachteiligen Mietvertragsbedingungen eingelassen hat (Bundesgerichtshof, Az.: VIII ZR 82/94).

Zur Bestimmung eines angemessenen Mietzinses, der dem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung entspricht, wurden für den gewerblichen Mietbereich verschiedene Methoden ermittelt. Sie orientieren sich an den Erträgen, die ein in einer bestimmten Branche tätiger Mieter durchschnittlich erwirtschaften kann, und errechnen hieraus, unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Unternehmerlohns, einen angemessenen Miet- oder Pachtzins. Angemessen soll ein Mietzins dann sein, wenn es für den Mieter bei einer ordentlichen Führung seiner Geschäfte noch möglich ist, Gewinne zu erzielen. Ist der vereinbarte Mietzins hingegen so hoch, dass der Pächter beziehungsweise Mieter sich hierdurch erheblichen finanziellen Belastungen ausgesetzt sieht, die seine wirtschaftliche Existenz bedrohen, und er sein Geschäft faktisch nur noch fortführt, um den Pacht- oder Mietzins zu erwirtschaften, so soll die vertragliche Vereinbarung über die Miete nichtig und damit unwirksam sein.

Angebot und Nachfrage bestimmen auch hier den Preis

Diese weit verbreitete Methode (EOP-Methode = Methode zur ertragskraftorientierten Pachtwertfindung) hat der Bundesgerichtshof (Az.: XII ZR 150/97) kürzlich für ungeeignet und nicht anwendbar erklärt, da diese Handhabung lediglich zu dem Ergebnis kommt, zu welchem Miet- oder Pachtzins das fragliche Objekt rentabel betrieben werden kann.

Ob aber ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, lässt sich nur nach der "Vergleichsmethode", also durch einen Vergleich der vereinbarten mit der marktüblichen Miete für vergleichbare Räume, feststellen. Der Marktpreis für den Mietzins richtet sich nach den Feststellungen des Bundesgerichtshofes so nicht nach betriebswirtschaftlichen Rentabilitätserwägungen aus, sondern nach Angebot und Nachfrage.

Dieses Ergebnis ist wohl auch sachgerecht, da sonst der Vermieter zur Kalkulation des Mietzinses, den der Mieter noch verkraften kann, verpflichtet wäre. Eine solche wirtschaftliche Rentabilitätsüberlegung kann und darf man aber vom Vermieter nicht erwarten. Damit kann die mögliche Sittenwidrig-keit eines vereinbarten Mietzinses nicht nach einer schematischen Berechnung erfolgen. Eine mögliche Sittenwidrigkeit des Mietzinses muss vielmehr jeweils für den Einzelfall festgestellt werden.

100-Prozent-Marke lediglich ein Orientierungswert

Hierbei ist allgemein anerkannt, dass ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleis-tung immer dann anzunehmen ist, wenn der vertraglich vereinbarte Miet- oder Pachtzins die Gegenleis-tung um etwa 100 Prozent überschreitet. Dieser Maßstab des "Doppelten" ist aber nicht als starrer Wert zu betrachten (Oberlandesgericht München, Az.: 25 U 1817/98) und kann gerade im Einzelfall nach oben oder unten abweichen. Die 100-Prozent-Marke stellt lediglich einen Orientierungswert dar.

Zu beachten ist insbesondere, dass eine isolierte Betrachtung allein des Pacht- und Mietzinses bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit stets unzureichend ist. Neben dem Mietzins müssen alle zwischen Vermieter und Mieter vereinbarten Leis-tungen und Belastungen in die Bewertung mit einbezogen werden. Nur dann lässt sich die Mietzinsbildung objektiv bewerten. (jlp)

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