Microsoft drängt in den Markt für Customer-Relationship-Management

07.03.2002
Dass Microsoft in das CRM-Anwendungsgeschäft für den Mittelstand einsteigt, war klar, nur nicht, wann und wie. Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Eine Eigenentwicklung kommt Anfang 2003 auf den deutschen Markt. Für kleinere CRM-Spezialisten und deren Vertriebspartner wird es dann eng.

Die CRM-Partnergemeinde von Microsoft ist "not amused". Der Einstieg des Softwaregiganten in das Anwendungsgeschäft für das Customer-Relationship-Management sorgt bei den auf Microsofts Basistechnologie aufsetzenden Herstellern von Best-of-Breed-CRM-Lösungen für Unruhe. Doch da die Redmonder weder die Zielgruppe genau definiert noch das Pricing bekannt gegeben haben und bislang nur sparsame Angaben zum Funktionsumfang ihres CRM-Pakets machen, äußern sie ihren Unmut nur verhalten.

Produkt- und Preismodell noch im Nebel

"Wir warten erst einmal konkrete Aussagen ab", erklärt Volker Vent, der neue Mann an der Spitze von Interact in Deutschland. Andere werden schon konkreter: "Wir rechnen mit einem ernsten Konkurrenten. Es wird ein Preiskampf stattfinden, unter dem wir alle zu leiden haben, erklärt Uwe Schmidt, Managing Director bei Sit-Consult, einem auf Saleslogix spezialisierten Interact-Partner. "CRM-Hersteller für das "small and medium"-Business werden sich warm anziehen müssen", sagt Nicholas Pöschl, Marketing Director bei Update.com voraus. Otto Neuer, Managing Director Zentral- und Osteuropa bei Frontrange, indes hofft auf einen Fehlschlag der Gates-Company: "Microsoft hat in der Vergangenheit gezeigt, dass es sich außerhalb seiner Kernkompetenzen Betriebssysteme und Office-Anwendungen sehr schwer tut."

In einer Mitteilung versucht Microsoft indes, seine Partnergemeinde zu beruhigen: Das Commitment gegenüber den Lösungspartnern bleibe unverändert, heißt es dort. Aussagen über die anvisierte Zielgruppe fielen seitens Microsoft dementsprechend schwammig aus: MS CRM ergänzt die bestehenden CRM-Lösungen und adressiert kleinere und mittlere Unternehmen, teilten die Redmonder mit. Das machen Mircrosoft-Technologie-Partner aber auch. Interact wendet sich mit seinem CRM-Einsteigerpaket "Act" an kleine und mit "Saleslogix" an mittelständische Unternehmen. Frontrange bietet mit "Goldmine 5" und "Goldmine Frontoffice 2000" auch CRM-Pakete für diese Marktsegmente an.

Siebel und MS CRM werben um denselben Channel

Aber nicht nur bei seinen Independent Software Vendors (ISVs) geraten die Redmonder in Erklärungsnotstand. Auch die Abgrenzung zu der von Greatplains angebotenen "Midmarket-Edition" von Siebel bereitet Probleme. Nein, wir haben keine Pläne für den CRM-Enterprise-Markt, heißt es in einer Unternehmensmitteilung. Thilo Roetger, Geschäftsführer bei Microsoft Great Plains in Deutschland, machte ebenfalls keine konkreten Angaben zum Zielmarkt und teilte mit: "Unsere Vertriebspartner kennen ihre Kunden. Sie werden das für deren Anforderungen richtige Produkt empfehlen." Die IT-Analysten Rod Johnson und Joanie Rufo von AMR sehen jedoch das Verhältnis zwischen der Microsoft Business Unit und Siebel auf lange Sicht problematisch: "Beide Produkte kämpfen um die Akzeptanz der Great-Plains-Channel-Partner." Im Laufe der Zeit werde sich MS CRM durchsetzen, weil es günstigere Total Cost of Ownership (TCO) biete. Paul Wahl, COO bei Siebel Systems, sieht dem jedoch gelassen entgegen: "Diese Schlacht entscheidet nicht den Feldzug." Im Gefecht um den Mittelstand hat der CRM-Marktführer allerdings schon einige Verbündete verloren. Der ERP-Hersteller J. D. Edwards hat sein Engagement für die Midmarket-Edition bereits aufgegeben, und Navision-Geschäftsführer Lars Damsgaard-Andersen würde es nicht wundern, wenn sich auch die Siebel-Strategie der Dänen ändern würde. Beide Unternehmen haben wie Great Plains mittlerweile eigene CRM-Funktionalität entwickelt beziehungsweise dazugekauft.

Total Costs of Ownership sprechen für Microsoft

Für Deutschland lokalisiert verfügbar soll MS CRM im ersten Quartal 2003 sein. Über die Konditionen schweigt sich der Softwaregigant noch aus. "Preismodelle werden wir voraussichtlich in den nächsten Wochen bekannt geben", teilt Roetger mit. Vertrieben werden soll die CRM-Suite sowohl als eigenständiges Produkt als auch integriert in die Great-Plains-ERP-Suiten "Apertum" und "E-Enterprise". Das Lizenzgeschäft und die Implementierung erfolgen durch die Great-Plains-Vertriebspartner und im ASP-Betrieb (Application-Service-Providing). Die Channel-Partner von Great Plains müssen sich für das neue Produkt zertifizieren. Händler mit einem bestehenden CRM-Vertrag, beispielsweise für Siebel, sind ebenfalls dazu verpflichtet, allerdings laut Roetger ohne zusätzliche Kosten. Support für das neue Produkt sollen sowohl die Vertriebspartner von Great Plains als auch der Kundendienst der Microsoft-Einheit leisten.

Outlook-Integration bringt Wettbewerbsvorteil

MS CRM setzt auf der Webservices-Plattform "Dotnet" auf und wurde unter anderem mit dem Entwicklungswerkzeug "Visual-Studio" erstellt. Als unter den Anwendungen liegende Datenbank setzten die Redmonder erwartungsgemäß ausschließlich auf den eigenen "SQL-Server": Das Produkt wird zunächst Applikationen für Sales Force Automation (SFA) und Customer-Service enthalten. Anwender sollen auf die CRM-Suite sowohl über einen Webbrowser als auch aus Microsofts Mail-Client "Outlook" heraus zugreifen können.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar auf Seite 8. (hei)

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