Microsoft schließt die Tür hinter Apertum

25.09.2003

Das Aus für "Apertum" kommt nicht wirklich überraschend. Doch nicht technische oder funktionale Kriterien haben das Schicksal der einst von SCI entwickelten Unternehmenssoftware besiegelt, sondern wirtschaftliche.

Das mit der Programmiersprache Team Developer von Centura entwickelte ERP-Paket läuft unter Windows und unterstützt SQL-Datenbanken. Die Funktionalität der mit einem Kaiserschnitt zur Welt gebrachten Version 4.0 entspricht den heutigen Anforderungen der adressierten Zielgruppe. Im Wettbewerb mit dem ebenfalls aus dem Hause Microsoft stammenden "Navision" unterlag Apertum nicht immer, und auch gegen die Konkurrenz von Sage KHK ist das Produkt nicht chancenlos.

Sicher, die Software hat weniger Installationen aufzuweisen, und im Vergleich zu Navision fehlt ihr die internationale Ausrichtung. Doch letztendlich sprachen vor allem die Zahlen gegen Apertum: Im abgelaufenen Geschäftsjahr hat die ERP-Suite nur fünf Prozent zum Gesamtergebnis von Microsoft Business Solutions in Deutschland beigetragen. Zu wenig, um weitere Investitionen zu rechtfertigen.

Die im Portfolio verbleibenden Produkte der neuen Microsoft-Geschäftseinheit wie "Navision" und "Axapta" oder die in Amerika verfügbaren Anwendungspakete wie "Great Plains", "Solomon" oder "Sales Manager" mögen zwar mehr Umsatz beisteuern, doch unterm Strich schreiben auch sie nur ein Minus: 68 Millionen Dollar Verlust bei einem Umsatz von 107 Millionen Dollar wiesen die Redmonder im dritten Quartal des vergangenen Geschäftsjahres aus.

Die aufgezählten Anwendungspakete zeigen aber, wo das eigentliche Problem von Microsoft liegt. Durch die Übernahme von Great Plains und Navision trägt die Geschäftseinheit Business Solutions einen Produktbauchladen vor sich her, der hohe Investitionen in die Weiterentwicklung der ERP-Suiten verschlingt. Eine weitere Konsolidierung der Lösungspalette ist deshalb vorherzusehen, vor allem, weil sich Produkte mit ähnlichem Funktionsumfang im Portfolio befinden.

Das haben die Verantwortlichen aber auch schon vor der Navision-Übernahme gewusst oder wissen müssen. Die verschleppte Entscheidung hat nichts anderes gebracht, als Partner wie Kunden ein Jahr lang zu verunsichern. Eine klare Produktstrategie spätestens bei der Navision-Übernahme hätte den Weg frei gemacht für eine langfristige Planung. Jetzt ist das Vertrauen erschüttert. Dass alle Apertum-Partner und -Kunden die Migrations-Offerten der Redmonder annehmen, ist deshalb eher unwahrscheinlich. Die Konkurrenz wird die installierte Basis angehen und den Apertum-Channel massiv abwerben.

Daran kann auch die angekündigte Navision-Light-Version "Standard" nichts ändern. Diese lässt sich zwar kostengünstig für die Redmonder realisieren, aber auch sie bietet den Apertum-Händlern keine wirkliche Alternative für bestehende Installationen. Vor allem die Source-Code-Partner, die auf Apertum basierende Branchenlösungen entwickelt haben, müssten viele Anpassungen vornehmen und von Navision-Partnern für die große Lösung entwickelte Zusatzmodule einbeziehen. Das bürdet sich kein Kunde auf und wahrscheinlich auch kein Partner.

Lesen Sie dazu auch den Artikel auf Seite 16: "Microsoft schiebt Apertum aufs Abstellgleis."

Eberhart Heins

eheins@computerpartner.de

Zur Startseite