Microsoft versus SAP: Kampf um den Mittelstand

16.05.2002

Microsoft und SAP schicken sich an, den mittelständischen Markt für Unternehmenssoftware aufzumischen. Und das wird ihnen auch gelingen.

Warum? Die Redmonder, weil sie die im Mittelstand eingesetzte Basistechnologie herstellen, mit der ERP-Suite "E-Enterprise" eine für die Zukunft gerüstete Software besitzen und durch die Navision-Übernahme jetzt auch über Lokalisierungsexpertise und einen großen, qualifizierten Channel verfügen. SAP, weil die Walldorfer nach mehreren erfolglosen Anläufen, im Mittelstand Fuß zu fassen, aus ihre Fehlern gelernt haben. Mit einem mittelstandsgerechten Produkt, einem Migrationspfad zu Mysap.com, einer hohen Reputation für Unternehmenssoftware und einem klaren Commitment zu einem indirekten Vertriebskanal ist SAP ebenfalls gut gerüstet.

Doch der Gigant aus Redmond hält im Kampf gegen den Riesen aus Walldorf eine Trumpfkarte in der Hand, und die heißt: Dotnet. Beide Unternehmen wollen ihre Mittelstandspakete auf der Internetplattform zum Austausch von Softwareanwendungen anbieten. Da Microsoft die Technologie entwickelt, hat die Gates-Company immer einen Wissensvorsprung vor dem deutschen ERP-Marktführer.

Klar ist auch, warum sich die beiden Softwaregiganten um den Mittelstand balgen: Microsoft kann keine großen Wachstumsraten mehr im Geschäft mit Betriebssystemen und Büroanwendungen erzielen, und für SAP bietet der Markt für große Unternehmen nicht mehr das Neukundengeschäft der vergangenen Jahre.

Aber um an die Fleischtöpfe im Mittelstand vorzudringen, müssen die beiden Rivalen zunächst ihre Hausaufgaben erledigen. Microsoft muss seinen durch die Übernahme von Navision und Great Plains entstandenen Produktbauchladen auf eine Dotnet-fähige ERP-Suite trimmen und diese für die Länder dieser Welt nicht nur übersetzen, sondern auch lokalisieren. SAP hat zwar mit Topmanage ein mittelstandsfähiges Produkt gekauft, aber keine Vertriebspartner dazu bekommen, die das Marktsegment erfolgreich adressieren können.

Aber nur Berufsoptimisten oder Realitätsverweigerer aus den Reihen der kleineren Softwarehersteller werden bezweifeln, dass den beiden Unternehmen dieses Vorhaben gelingen wird. Sie besitzen das notwendige Kleingeld und die erforderliche Marktmacht, um diese Herausforderungen in kurzer Zeit zu bewältigen. Dann wird es für die anderen Anbieter auf dem vor allem in Deutschland stark fragmentierten ERP-Markt eng. Die Redmonder drücken von unten und die Walldorfer von oben. Kleinere Softwarehersteller werden zwischen den beiden Schwergewichten zerquetscht. Es sei denn, sie flüchten sich in kleinste Nischen oder schlüpfen als Value Added Reseller unter das Dach einer der beiden Giganten.

Dagegen haben qualifizierte Vertriebspartner für Unternehmenssoftware noch gut Lachen. Nie waren sie so begehrt wie heute. Nicht zuletzt auch deshalb schlägt die Uhr jetzt "Fünf vor zwölf" für mittelständische ERP-Anbieter. Sie müssen Grauzonen und Daumenschrauben aus ihrer Channel-Politik eliminieren. Sonst werden ihre Vertriebspartner scharenweise zu Microsoft oder SAP überlaufen. Aber irgendwann werden auch die beiden Softwareriesen die ausgeworfenen Partnernetze ein-holen und die Edelfische von den Heringen trennen. Fachhändler schwimmen deshalb im Moment entlang der Wasserscheide: Entweder sie bauen massiv technisches Know-how und Verständnis für die Geschäftsprozesse im Mittelstand auf, oder sie landen in der Konserve.

Eberhard Heins

eheins@computerpartner.de

Zur Startseite