Mit freundlichen Grüßen ...

19.11.1998

Omnicron GmbHGeschäftsführung

Herrn Dietrich Merschmann

Holtenauer Str. 93

24105 Kiel

München, 16.11.1998

Sehr geehrter Herr Merschmann,

Leute mit wirklich originellen Ideen sind in unserer Branche rar. Es gibt aber auch Ausnahmen und Lichtblicke. Zum Beispiel Compaq. Im Rahmen des neuen "Miles-for-Bytes-Programm" bekommt jeder Käufer eines Compaq-PCs, der sich registrieren läßt, 2.000 Meilen auf dem Lufthansa-Miles-&-More-Konto gutgeschrieben. Eine echt kreative Leistung. Mal sehen, wie's ankommt.

Auch im Handel stößt man gelegentlich auf Ausprägungen von Originalität. Zum Beispiel bei Schadt. Ich meine nicht das, was Schadt gemacht hat, als es Schadt noch gab. Das ist nicht der Rede wert. Was mich dagegen ungemein beeindruckt hat, war die offizielle Erklärung der Schadt-Geschäftsführung zum Konkurs des Unternehmens. Die war wirklich originell. Schuld an dem ganzen Desaster bei dem Filialisten haben nämlich nicht etwa die Schadt-Bosse selbst (in Ludwigsburg-Oßweil fängt der Fisch eben nicht vom Kopf an zu stinken), sondern die böse Konkurrenz und - jetzt kommt's - die Verbraucher. Jawohl: die Verbraucher! Warum? Weil sie die Unverfrorenheit besitzen, ihren PC dort zu kaufen, wo sie ihn am billigsten bekommen. Bei Aldi oder Lidl zum Beispiel. Frechheit sowas! Unverantwortlich! Jetzt haben die Verbraucher die 470 Schadt-Mitarbeiter und deren Familien, die einem ungewissen Schicksal ausgeliefert sind, auf dem Gewissen. Und das kurz vor Weihnachten.

Diese Erklärung ist zwar originell, aber ebenso jämmerlich. War Schadt etwa das einzige weiße Lamm unter lauter schwarzen Schafen, das dann leider in Schönheit sterben mußte? Das glaubt doch nur jemand, der den Reißverschluß mit der Kneifzange zumacht.

Daß im Consumer-Markt heute nur noch derjenige das Geschäft macht, der den besten Preis hat, ist sicher keine Einzelleistung von Schadt. Das haben alle Marktbeteiligten gemeinsam geschafft. An vorderster Front stehen dabei die Hersteller, die in ihren bunten Anzeigen und Werbeprospekten vollmundig versprechen, daß die Rechenknechte inzwischen so einfach zu bedienen sind wie ein Kofferradio. Daher ist es auch völlig egal, wo man den PC kauft: ob beim Lebensmitteldiscounter oder beim qualifizierten PC-Fachhandel. Eine besondere Qualifikation ist in diesem Geschäft nicht einmal mehr erforderlich, kostet nur unnötig Geld. PCs kann mittlerweile jeder verticken, solange der Preis stimmt. Das ist die Botschaft der Hersteller. Und wenn man diese Botschaft dem Verbraucher nur oft und hartnäckig genug eintrichtert, glaubt er's schließlich auch. Und kauft da, wo er seinen PC am billigsten kriegt.

Daß die meisten Verbraucher bei der PC-Anschaffung nur noch auf den Preis schauen, ist das Ergebnis eines Erziehungsprozesses, für den Industrie und Handel gemeinsam die Verantwortung tragen. Wer will den Käufern daraus einen Vorwurf machen? Da müssen sich die Hersteller und ihre Vertriebspartner schon an die eigene Nase fassen. Sie dürfen jetzt die Suppe auslöffeln, die sie sich selber eingebrockt haben. Daß sich dabei schon mal jemand den Magen verdirbt oder im schlimmsten Fall aufgrund einer Lebensmittelvergiftung den Löffel aus der Hand gibt, gehört dazu und fällt unter das Kapitel "Selbstreinigungskraft des Marktes".

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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