...MIT FREUNDLICHEN GRÜSSEN

24.04.1998

Computerwoche Verlag GmbH, Postfach 40 04 67, D-80704 München

Allnet GmbH

Geschäftsführung

Herrn Wolfgang M. Bauer

Maistraße 2

82110 Germering

München, 24.04.1998

Sehr geehrter Herr Bauer,

wenn ich mich recht erinnere, war es Konrad Adenauer, der einmal gesagt hat: "Wer sich Respekt verschaffen will, der muß sich erst mal unbeliebt machen." Ich habe nach Gesprächen mit Branchenvertretern den Eindruck gewonnen, daß Sie sich diese Erkenntnis unseres ehemaligen Bundeskanzlers sehr zu Herzen genommen haben und zumindest in bezug auf das "unbeliebt-machen" schon sehr weit fortgeschritten sind. So sind eine ganze Reihe von Herstellern und Distributoren momentan überhaupt nicht gut auf Sie zu sprechen. Ein Softwarehersteller bezeichnete Sie sogar als "bad boy der Branche".

Das ist starker Tobak. Ein wesentlicher Grund für diese scharfe Titulierung ist unter anderem Ihr unkonventionelles Vorgehen, um an Distributionsverträge zu kommen. So sollen Sie Herstellern schon mal die Pistole auf die Brust setzen nach dem Motto: Entweder Ihr beliefert mich direkt, oder ich besorge mir die Produkte woanders und biete sie dann deutlich unter dem üblichen Marktpreis an. Mit der Folge, daß die Hersteller einen riesigen Streß mit ihren übrigen Distributoren bekommen und sich gegen den Vorwurf wehren müssen, andere Abnehmer zu erheblich besseren Konditionen zu beliefern. Und wenn sich dann ein Hersteller immer noch unwillig zeigt, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, sollen Sie einfach einen Distributor kaufen oder sich an ihm beteiligen, der den entsprechenden Herstellervertrag mitbringt.

Verdienen können Sie mit einem solchen Geschäftsgebaren sicher nichts. Aber wie man hört, ist Gewinn für Sie derzeit ohnehin ein nachrangiges Ziel. Mit angeblich 50 Millionen Mark Klimpergeld in der Kriegskasse, die Ihnen Ihr Vater, einer der Gründer von Adcomp, zur Verfügung gestellt haben soll, kann man schon mal für Unruhe im Markt sorgen, ohne gleich selbst in die Grube zu plumpsen. Also eine klare und aggressive Wachstumsstrategie, um möglichst schnell möglichst groß zu werden.

Bisher verlief das Umsatzwachstum trotz Ihrer Schwierigkeiten mit den Herstellern ja auch ganz beeindruckend: Von 120 Millionen Mark 1996 kletterten die Umsatzerlöse nach meinen Informationen auf über 220 Millionen Mark im letzten Jahr. Damit sind Sie ja wohl noch nicht am Ende Ihrer Träume angelangt. So hatten Sie ja bereits vor zwei Jahren angekündigt, bis 1998 zu einem der fünf führenden Fachdistributoren in Europa avancieren zu wollen.

Freunde haben Sie natürlich auch - nämlich die Fachhändler, die immer mal wieder ein Schnäppchen bei Ihnen machen können. Aber reicht das aus? Ich frage mich, ob ein Konfrontationskurs zu den Herstellern auf Dauer zum Erfolg führen kann. Denn ohne die Marketingunterstützung durch die Industrie kann sich ja wohl kein Großhändler lange über Wasser halten.

Mich würde daher sehr interessieren, in welchem Stadium Sie sich unter Rückgriff auf den Satz von Adenauer selbst gerade sehen: sind Sie nur unbeliebt oder genießen Sie schon Respekt?

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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