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11.02.2000

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Herr Stefan Schambach

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München, 30.10.2000

"Kokain ist der Treibstoff der New Economy"

Sehr geehrter Herr Schambach,

haben Sie das gelesen? Diese Schlagzeile in der "Süddeutschen Zeitung", im Sportteil, erschienen am 23. Oktober? Ein Interview mit dem Soziologen, Aufklärer und Drogenexperten Günter Amendt über, na was wohl, Christoph Daum, Kokain und die Gesellschaft. Da sagt Amendt unter anderem:

"Von den Riesenmengen Kokain, die in Deutschland auf dem Markt sind, werden 70 Prozent von Leuten der oberen Mittelschicht konsumiert. Kokain ist der Treibstoff der New Economy. Die Droge ist da, wo in Hochgeschwindigkeit gearbeitet wird." Interessant, nicht wahr? Nun darf man an dieser Stelle zwei Fragen stellen: Erstens: Was hat Fußball mit der New Economy zu tun? Und zweitens: Wenn Kokain der Treibstoff der New Economy ist, was ist dann der Sprit der Old Economy? Bier? Also Koks statt Köpi? (Köpi = in Nordrhein-Westfalen übliche Abkürzung für "König Pilsener".)

Was mich interessieren würde, ist, was Sie als einer der bekanntesten Vertreter der Neuen Wirtschaft zu dieser Behauptung von Amendt sagen. Bull-Shit?

Drogen in den Chefetagen der Wirtschaft, das ist kein neues Thema. So beklagt der Evangelische Fachverband für Suchtkrankenhilfe in Bayern, dass gerade unter den Leistungsträgern Drogenkonsum weit verbreitet ist. Nach seinen Angaben sind es vor allem Amphetamin-Präparate ("Hallowach"), mit denen sich die "Top-Leute" morgens aufputschen, und Beruhigungsmittel, mit denen sie abends versuchen, wieder runterzukommen.

Das ist bekannt. Nur mit Müsli schafft man es weder im Hochleistungssport noch in der Wirtschaft bis an die Spitze. Jetzt also Kokain. Ich weiß ja nicht, wie es bei Ihnen in Kalifornien aussieht, aber bei uns in Deutschland ist Kokain derzeit ein Riesenthema. Die Zeitungen sind voll damit. Gerade in dieser Woche widmet der "Spiegel" der "Kokaingesellschaft" die Titelgeschichte. Man lernt sehr viel über die Wirkungen und die Nebenwirkungen der Droge. Zum Beispiel soll sie bei den Konsumenten zu einem Realitätsverlust führen. Nun, wenn Realitätsverlust ein Indiz für Kokainkonsum ist, dann sollte man von zahlreichen Top-Managern auch aus der IT-Branche mal eine Haarprobe nehmen.

Nach Expertenschätzungen gibt es in Deutschland derzeit rund 330.000 Kokainkonsumenten. Tendenz: steigend. Vor allem die Schönen und die Reichen sollen von dem Stoff die Nase nicht voll bekommen. Das erzählt zumindest Klatschreporter Michael Graeter (die lebende Vorlage des TV-Reporters "Baby Schimmerlos")." Im September-Heft der Zeitschrift "Spiegel-Reporter" sagt Graeter: "Es werden mehr Drogen denn je genommen. Das gibt nur keiner zu. Was meinen sie, was auf der Wies'n gekokst wird?! Die gehen müde aufs Klo und kommen raus wie Superman." (Sie wissen schon, Herr Schambach, "Wies'n" nennt man hier das Oktoberfest.)

In ein paar Tagen beginnt in München das Oktoberfest der IT-Branche, die "Systems", diesmal im November. Auch zahlreiche Unternehmen der so genannten New Economy werden hier vertreten sein. Hoffentlich ist das Wetter gut. Sonst holt man sich leicht einen Schnupfen.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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