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Microsoft GmbH
Geschäftsführung
Herrn Richard Roy
Edisonstraße 1
85716 Unterschleißheim
München, 08.05.2000
Sehr geehrter Herr Roy,
neulich habe ich mit meinem Friseur Mario die Frage diskutiert, ob Microsoft zerschlagen werden soll oder nicht. Mario meint, dass Microsoft unbedingt aufgeteilt werden muss. Denn mit einem Gewinn von fast 2,4 Milliarden Dollar bei einem Umsatz von 5,7 Milliarden Dollar weise Microsoft im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres eine Umsatzrendite von 42 Prozent aus. Und in den vorherigen Quartalen war es auch nicht viel weniger. Eine derartige Profitabilität, meinte Mario, können sonst nur Unternehmen vorweisen, die in einem völlig anderen Wirtschaftszweig tätig sind: dem organisierten Verbrechen. Ich entgegnete mit dem Ausdruck der Entrüstung, dass er doch wohl nicht ernsthaft Microsoft mit Mafia-Firmen in einen Topf werfen wolle. Selbstverständlich nicht, beeilte sich Mario zu versichern. Allerdings frage er sich schon, wie man mit ehrlichen Mitteln so viel Geld wie Microsoft einnehmen könne. Durch harte Arbeit, sagte ich, was denken Sie denn?
Auf jeden Fall ist Mario für die Einführung eines weltweit geltenden Gesetzes, demzufolge alle Unternehmen mit einer Umsatzrendite von mehr als 12,5 Prozent zerschlagen werden müssten. (Er würde sich zur Not auf 15 Prozent heraufhandeln lassen.) Denn wer so viel verdient, bei dem kann es nicht mit rechten Dingen zugehen, meint er. Ob es denn da noch andere mit einer ähnlich hohen Rendite gebe, wollte er von mir wissen. Spontan, entgegnete ich, fallen mir da Intel und Cisco ein, die lägen ungefähr bei 20 Prozent Netto-Umsatzrendite. Mario meinte, das wären dann die Nächsten, die "fällig" wären.
Es ist natürlich klar, dass die Überlegungen meines Friseurs total naiv sind und auf einem grundlegenden Denkfehler basieren. Zur Erläuterung zwei Beispiele: Wenn man alle Schutzengel dieser Erde aufteilen würde in ein Gruppe, die für die Haus-, und eine andere, die für die Verkehrsunfälle zuständig wäre, würden diese Schutzengel dann nicht mehr schützen? Anderes Beispiel: Wenn man einen großen Mafia-Clan aufteilen würde, und der eine Teil wäre dann für das Drogen- und der andere Teil für das Waffengeschäft zuständig, wäre das dann nicht mehr Mafia?
Na ja, mein Friseur und ich hatten jedenfalls eine Menge Spaß. Eine Zerschlagung von Microsoft wäre auf jeden Fall in diesen Zeiten, wo die Firmen fusionieren, was das Zeug hält, mal ein schöner Kon-trapunkt: Dann würde mal nicht aus zwei Firmen eine, sondern es würden aus einer Firma zwei gemacht werden. Kommt ja auch nicht alle Tage vor.
In diesem Sinne verbleibe ich frisch geschoren und gekämmt und selbstverständlich
mit freundlichen Grüßen
Damian Sicking