Mit freundlichen Grüßen ...

27.04.2000

ComputerPartner

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Intraware AG

Vorstand

Herrn Joachim Weber

Brückenmühle 93

36100 Petersberg

München, 25.04.2000

Sehr geehrter Herr Weber,

ganz ehrlich: Wenn Jörg Otte nicht wäre, und wenn ich Herrn Otte nicht aus seiner Zeit als Vertriebschef bei KHK kennen würde (auch schon wieder 100 Jahre her), und wenn Herr Otte nicht Aufsichtsratsvorsitzender der Intraware AG wäre, und wenn Herr Otte mich nicht irgendwann einmal angerufen hätte und mich auf die Firma Intraware, die damals noch Analysis hieß, aufmerksam gemacht hätte, dann, glaube ich, könnte ich noch immer mit dem Namen Intraware nicht viel anfangen. Womit mal wieder bewiesen wäre, wie wichtig es für ein Unternehmen ist, im Aufsichtsrat jemanden zu haben, der ein paar Leute kennt.

Und jetzt wollen Sie Ihr Unternehmen also an die Börse bringen. Dafür wünsche ich Ihnen schon heute viel Erfolg. Bin gespannt, wie viele Millionen Ihnen dadurch in die Kasse gespült werden. Das Geld brauchen sie ja auch für Ihr geplantes Wachstum. Ich habe mich auf Ihrer Homepage www.intraware.de einmal umgesehen und muss sagen, dass mich Ihre Expansionspläne wirklich beeindruckt haben. Wenn man bedenkt, dass der Umsatz noch vor zwei Jahren bei knapp fünf Millionen Mark lag und in diesem Jahr das Sechsfache budgetiert ist, alle Achtung! Und für die kommenden Jahre planen Sie mit Wachstumsraten von durchschnittlich 40 bis 50 Prozent. Die Zahl der Mitarbeiter soll sich bis zum Jahr 2004 von heute 160 auf 770 verfünffachen. Das alles klingt sehr optimistisch, und ich wünsche Ihnen sehr, dass Ihre Pläne in Erfüllung gehen.

Doch eine Garantie für den Erfolg gibt es bekanntlich nicht. Und man kann ja, mit dem vielen Geld aus dem Börsengang im Geldbeutel, so viele Fehler machen! Das musste auch Stefan Pfender einsehen, der Gründer der Datadesign AG. Der hatte nämlich auch sehr optimistisch geplant und im vergangenen Jahr, in Erwartung des stark anziehenden Geschäftes und nach dem Börsengang um einige Millionen reicher, auf Teufel komm raus zusätzliches Personal eingestellt. Doch dann kam der Gau: Die erwarteten Umsätze blieben aus, dafür rissen die drastisch gestiegenen (Personal-) Kosten ein riesiges Loch in die Kasse. Das Ergebnis: tiefrote Zahlen, fast so viel Verlust wie Umsatz. Mit anderen Worten: vom Hoffnungsträger zum Sanierungsfall in null Komma nix. (Die Datadesign-Geschichte hat meine Kollegin Silvia Lautz auf Seite 20 dieser Ausgabe beschrieben.)

Ein im wahrsten Sinne des Wortes "kapitaler" Fehler, für den der Datadesign-Gründer bezahlen musste. Es ist das alte Lied: Viele, die plötzlich zu einigem Reichtum gekommen sind, werden leichtsinnig. Motto: Geld spielt keine Rolex. Eine durchaus nicht unübliche, nichtsdestotrotz aber nicht unbedingt kluge Einstellung. Und es muss nicht immer der übereilte Firmenkauf sein, auch noch zu einem überhöhten Preis. Sondern der Leichtsinn kann auch ganz banal darin bestehen, dass man nach und nach den Personalstamm immer weiter aufbläht, bis der Ballon eines Tages platzt. Bumm!

Theo Lieven, der Vobis-Gründer, hat in seinem kürzlich erschienenen Erstlingswerk "Unternehmer sein heißt frei sein" auf diese Problematik eindringlich hingewiesen, vor allem in dem Kapitel "Das Märchen vom fehlenden Kapital". Da sagt er Sätze wie diesen: "Wo Geld keine Rolle spielt, wird selten etwas verdient." Oder wie diesen: "Zu viel Geld gehabt - zu viel ausgegeben - pleite!

Nicht dass ich ernsthaft befürchte, dass der Intraware eine ähnliche schlimme Erfahrung bevorsteht wie der Datadesign. Zu einer solchen Annahme besteht ja auch nicht die geringste Veranlassung. Ich wollte es einfach nur noch einmal gesagt haben.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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