Mit freundlichen Grüßen ...

16.05.2002

ComputerPartner

Chefredaktion

Tel.: 089/3 60 86-388

Fax: 089/3 60 86-389

E-Mail: dsicking@computerpartner.de

COS Computer Systems AG

Vorstand

Herrn Kurt Früh

Täfernstraße 11

CH-5405 Baden/Schweiz

München, 13.05.2002

Frau Kremer hatte nicht die Chance, zu zeigen, was sie kann - sie hatte nur die Chance, zu zeigen, was sie nicht kann.

Sehr geehrter Herr Früh,

nein, lustig waren sie nicht, die Kommentare, mit denen zahlreiche COS-Mitarbeiter und ehemalige Mitarbeiter in der vergangenen Woche ihre Vorstandschefin verabschiedeten. Nachdem ComputerPartner-Online die Nachricht über die Entlassung von Natalie Kremer am 8. Mai veröffentlichte, schrieben sich viele Leser aus dem COS-Umfeld auf unserer Homepage ihren Frust, ihre Wut, aber auch ihre Erleichterung von der Seele. Ich selber habe so etwas noch nicht erlebt - und ich war wirklich erschrocken über die Heftigkeit und die Brutalität, mit der die gefeuerte Chefin von ihren Mitarbeitern im Nachhinein exekutiert worden ist. Wer diese Kommentare liest, der muss den Eindruck gewinnen, dass die deutsche COS-Gesellschaft in den vergangenen zwei Jahren von einem Monster geführt worden sei. Unter den über 100 Kommentaren ist kein einziger, der den Abgang von Frau Kremer bedauert. Niemand scheint ihr eine Träne nachzuweinen. Am Ausmaß der Erleichterung über ihre Ablösung lassen sich der Druck und der Frust ablesen, die vorher geherrscht haben.

Hat Frau Kremer diese Behandlung verdient? Ganz sicher nicht. Zweifelsohne war sie mit der Führung der Gesellschaft überfordert, aber ist das verwunderlich? Welche Voraussetzungen brachte sie mit, die sie für dieses Amt prädestinierten? Wie ist sie darauf vorbereitet worden? Das eine ist es, Assistentin eines Geschäftsführers zu sein - der, nebenbei gesagt, auch nicht gerade in dem Ruf stand, ein Naturtalent in Personalführung zu sein -, etwas völlig anderes ist es, von einem Tag auf den anderen dessen Job zu übernehmen. "Learning by doing" ist für diese Position gewiss nicht die richtige Didaktik. Wie soll jemand ein Unternehmen führen, Menschen führen, der niemals gelernt hat, wie man das anstellt? Wie soll ein Nichtschwimmer überleben, der mitten im Atlantik ins Wasser geworfen wird mit dem Auftrag, möglichst schnell an Land zu schwimmen?

Frau Kremer ist für mich vor allem ein Opfer. Ihr wesentlicher Fehler bestand darin, "Ja" gesagt zu haben, als sie damals gefragt wurde, ob sie diesen Job übernehmen wolle. Insofern ist sie ein Opfer ihres eigenen Ehrgeizes und ein Opfer ihrer Selbstüberschätzung. Man kann nicht einmal sagen, dass sie ein Opfer des "Peter-Prinzips" geworden ist ("Jeder wird solange befördert, bis er die höchste Stufe seiner Unfähigkeit erreicht hat."). Dazu war der Sprung von der Assistentin zum Vorstand einfach viel zu groß; Frau Kremer hatte nicht die Chance, zu zeigen, was sie kann - sie hatte nur die Chance, zu zeigen, was sie nicht kann.

Wirklich verantwortlich für das, was geschehen ist, ist die Person, die Frau Kremer in diese Position gehoben hat und die sie solange in dieser Position hat gewähren lassen. Das war unprofessionell, das war leichtsinnig, das war unverantwortlich. Ich fürchte, sehr geehrter Herr Früh, dieser Verantwortung werden Sie sich nicht entziehen können.

Nun gilt es, rasch eine Person an der COS-Spitze in Deutschland zu installieren, die in der Lage ist, wieder Ruhe und Sicherheit in die Mannschaft zu tragen. Man sollte aber nicht den Fehler begehen, nach der "eisernen Lady" nun einen "Sozialarbeiter" zum Vorstand zu machen. COS braucht in dieser Situation jemanden, der menschlich integer ist, charakterlich gefestigt, der erwiesene Führungsqualitäten hat und der natürlich etwas vom Distri-butionsgeschäft versteht.

Ich wünsche Ihnen eine glückliche Hand bei der Suche nach dem neuen Vorstand der COS Deutschland AG und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

Zur Startseite