Mit freundlichen Grüßen ...

04.09.2003

ComputerPartner

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Cancom IT-Systeme AG

Vorstand

Herrn Klaus Weinmann

Messerschmittstr. 20

89343 Jettingen-Scheppach

München, 01.09.2003

"PIP" oder Pipifax

Sehr geehrter Herr Weinmann,

die Lage ist angespannt und die Geschäftsentwicklung unbefriedigend. Daher haben Sie nun im Rahmen eines so genannten "Profit Improvement Program" ("PIP") "umfassende Ertragsverbesserungsmaßnahmen" eingeleitet. Das hört sich gut an und wird die Cancom-Aktionäre freuen. Die Freude auf Seiten der Cancom-Angestellten dagegen dürfte sich in engen Grenzen halten.

Denn natürlich sind es auch bei Cancom die Personalkosten, die in schwierigen Zeiten am meisten drücken und bei denen man am meisten herausholen kann. Im Gegensatz zu anderen Firmen wollen Sie aber kein Personal abbauen, sondern haben als Alternative dazu der Belegschaft einen Gehaltsverzicht vorgeschlagen (also nicht in dem Sinne, dass Sie, sondern die Belegschaft auf das Gehalt beziehungsweise Teile davon verzichtet). Dieser Gehaltsverzicht soll freiwillig sein, sozialverträglich gestaffelt und zeitlich begrenzt.

Wenn man Ihrer Pressemitteilung Glauben schenken darf, war die Cancom-Belegschaft von dieser Idee begeistert: 98 Prozent aller Mitarbeiter haben sich daran beteiligt. Ein Ergebnis, wie man es sonst nur von den politischen Wahlen im früheren Ostblock kannte. Nun frage ich mich: Bedeutet "freiwillig" in Jettingen-Scheppach genau dasselbe wie im Rest der Welt? Ich meine, wenn Ihre 520 Cancom-Mitarbeiter tatsächlich ohne Druck und Einfluss durch andere sich bereit erklärt haben, auf Teile ihres Gehalts zu verzichten - offenbar bei gleicher Arbeitsleistung -, dann ist das schon ungewöhnlich. In vergleichbaren Fällen, die ich in den vergangenen Monaten und Jahren beobachtet habe, stand die Freiwilligkeit nur auf dem Papier. In der Praxis hieß es: "Entweder du verzichtest freiwillig auf einen Teil deines Gehalts, oder du fliegst raus (wirst hier eine verdammt schwere Zeit haben/hast deine Karriere schon hinter dir/kannst in Zukunft in der Kantine alleine essen/darfst wieder "Sie" zu mir sagen etc.)."

Diese Gehaltsverzichtsnummer ist ungemein kritisch. Es gibt nur zwei Prämissen, unter denen sie gerechtfertigt ist: 1. wenn das Unternehmen akute Liquiditätsengpässe hat, 2. wenn es hundertprozentig feststeht, dass es anschließend mit der Geschäftsentwicklung wieder nach oben geht. Der Super-GAU ist, wenn man erst die Mitarbeiter dazu auffordert, auf Teile ihrer Bezüge zu verzichten, um die Arbeitsplätze zu sichern, und später doch Entlassungen vornehmen muss. Für die betroffenen Mitarbeiter ein Desaster: Erst verzichten sie auf ihr Geld, dann stehen sie auf der Straße, und schließlich bekommen sie auch noch weniger Arbeitslosengeld, da ihr Gehaltsverzicht natürlich ihr Jahresgehalt schmälert, nach dem sich die Höhe des Arbeitslosengeldes errechnet. (Erfahrene Betriebsräte knüpfen daher ihr Einverständnis zu Gehaltseinbußen an die Garantie der Unternehmensleitung, in einem bestimmten Zeitraum keine Entlassungen vorzunehmen.)

Die Frage, die sich nun stellt, lautet: Wie sicher sind Sie, dass es zum Jahresende zu einer Marktbelebung kommt und die Umsätze und Erträge bei Cancom wieder ansteigen. Worauf stützen Sie Ihre Erwartungen, außer auf die Verfügbarkeit eines neuen Apple-Rechners? Sind Sie hundertprozentig sicher, dass Sie nach Ablauf der Frist nicht doch Personal abbauen und Mitarbeiter entlassen müssen?

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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