Mit Streitkultur Spannungen steuern

10.08.2006
Viele Führungskräfte glauben, Meinungsverschiedenheiten unbedingt vermeiden zu müssen, weil sonst der Betriebsfriede gestört würde. Das ist ein Irrtum: Spannungen sind wichtig für ein Unternehmen.
Bild: photocase.com
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Meinungsverschiedenheiten bei der Zusammenarbeit führen zu Spannungen im Betrieb. Beide sind nicht sonderlich geschätzt, und viele Führungskräfte glauben, sie unbedingt vermeiden zu müssen, weil sonst der Betriebsfriede gestört würde. Das ist ein Irrtum: Spannungen sind wichtig für ein Unternehmen.

Ungelöste Konflikte im Unternehmen bremsen und verschleißen unnötig viele Kräfte.
- Mitarbeiter melden sich krank und erlahmen in ihrer Motivation.
- Führungskräfte ignorieren aus Unsicherheit schwelende Konflikte und verspielen damit die Chance, aus ihrem Team die gesamte mögliche Leistungskraft herauszuholen.
- Die Konfliktparteien verbarrikadieren sich hinter schwer zu versöhnenden Positionen, sie verschwinden in den Schützengräben ihrer eigenen Meinungen.
- Projektvorhaben scheitern an Machtkämpfen und der Unfähigkeit, sich über Gegensätze hinweg zu verständigen.

Deshalb müssen die Konflikte zum Thema gemacht werden.
Viele Konflikte können alleine dadurch begrenzt oder gemindert werden, dass die unterschiedlichen Meinungen offen dargelegt werden und die gegenseitigen Interessen "auf den Tisch kommen".
Das beste Mittel hierzu ist eine konstruktive Streitkultur.

Eine konstruktive Streitkultur akzeptiert Widersprüche und Spannungen als notwendiges und unvermeidliches Element der Zusammenarbeit. Es geht darum, einander offen und fair die Meinung zu sagen, ohne zu verletzen, also "tolerant zu argumentieren".

Regeln für faires Streiten:

- Konflikte schnell und bewusst ansprechen: Wichtig ist eine schnelle Verständigung darüber, was das Problem ist und wann darüber gesprochen wird. Auf die Lösung kommt es hier noch nicht an.

- Die persönlichen Emotionen ansprechen: Die Streitparteien müssen erkennen können, wie der jeweilige "Gegner" sich innerlich fühlt.

- Nicht hinter unpersönlichen Instanzen verstecken: Persönliche Aussagen mit "ich" und "du" sind klarer als "jemand" oder "man".

- Gleichgewicht zwischen Zuhören und Sprechen: Jede Partei muss zu Wort kommen und ausreden können. Sie muss aber auch ihre Meinung vorbringen; ein rein passives Zuhören ist unfair.

- Niemanden in die Enge treiben: Streiten ist kein sportlicher Wettbewerb.

- Die Schuldfrage meiden: Es geht nicht darum, über die Vergangenheit zu streiten, denn es lässt sich ohnehin nichts ungeschehen machen. Ziel des Streitgesprächs ist, Lösungen für die Zukunft auszuhandeln.

- Auf neutralem Terrain streiten: Keine Partei darf einen "Heimvorteil" daraus ziehen, dass sie sich auf vertrautem Gelände befindet. Ein Konferenzraum ist der beste Ort.

- Klarer Anfang, klares Ende: Am Anfang sollten alle wissen, worum es konkret geht. Ein klares Ende ist wichtig, damit der Streit nicht in einem unaufhörlichen Kreisverkehr endet.

- Einigung statt Sieg: Ein fairer Streit endet mit der Einigung auf eine Lösung und nicht mit dem Sieg der einen Partei über die andere.

Fazit: Spannungen, richtig gesteuert, sind ein Motor der betrieblichen Weiterentwicklung. (Dr. Renate Oettinger/mf)

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