Mit Videospielen auch ältere Zielgruppen im Visier

09.10.1998

FRANKFURT/MAIN: Videokonsolen haben seit jeher den Touch des Spielzeugs. Und so ist es kein Wunder, daß die Hersteller einen Großteil ihres Umsatzes über den Spielwarenhandel erzielen. Jetzt peilen die Keyplayer der Branche allerdings die Zielgruppe der 30jährigen an. Und die, so glauben Sony und Konsorten, erreichen sie am besten über den Fachhandel.Die Sony Computer Entertainment GmbH hat etwas zu feiern: zwei Millionen verkaufte Playstations in Deutschland. Weltweit fanden seit 1995 über 40 Millionen der Sony-Spielekonsolen zum passenden Fernseher. Damit konnte Sony seine Marktführerschaft bei den Videospielkonsolen weiter ausbauen. Mitbewerber Nintendo schätzt den weltweiten Markt an Videospielen auf über 15 Milliarden Dollar. Doch der Vorreiter der Videokonsolen ist weit abgeschlagen. Im Vergleich zu Sony hat Nintendo seit der Einführung vor einem Jahr weltweit sieben Millionen N64-Konsolen verkauft. In Deutschland sind rund eine Million Hardwareeinheiten an den Fernseher angeschlossen.

Der Dritte im Bunde, Sega, spielt mit seiner Konsolenvariante keine große Rolle mehr. Der Sega Saturn erreicht gerade einmal 15 Prozent des weltweiten Marktes. Der Nintendo N64 hat einen Marktanteil von 26 Prozent. Den Rest, 59 Prozent, nimmt die Sony Playstation für sich in Anspruch. Europaweit sieht die Verteilung ähnlich aus. Hier wurde Sega bis auf sieben Prozent vom Markt verdrängt, Nintendo erreicht 24 Prozent und Sony thront mit 69 Prozent Marktanteil weit über dem Mitbewerb.

Den Kampf gegen Nintendo hat Sony, im Moment jedenfalls, gewonnen. Im letzten Jahr noch hatte der Playstation-Hersteller bescheiden verkündet, ebenso viele Konsolen verkaufen zu wollen wie Nintendo. 750.000 Stück Jahresabsatz waren geplant. Nach Ablauf des Geschäftsjahres blickt Sony auf 950.000 verkaufte Stück zurück, im Vergleich dazu wurden 630.000 N64 abgesetzt.

"Wir werden unsere Verkaufszahlen verdoppeln"

Für dieses Jahr nimmt Sony den Mund schon etwas voller. Ron S.

Lakos, Marketingmanager der Sony Computer Entertainment, will innerhalb eines Jahres 1,5 Millionen Hardwareeinheiten verkaufen. Das sind genauso viele Playstations, wie seit der Einführung der Konsole im Jahr 1995 bis März 1998 abgesetzt wurden.

Für das laufende Geschäftsjahr (Ende: 31. März 1999) ist mit Playsta-

tion-Produkten weltweit ein Umsatz von umgerechnet rund 500 Millionen Mark angestrebt. Im vergangenen Jahr erreichte der Marktführer 380 Millionen Mark. Der Endverbraucher zahlte für Playstations, Videospiele und Zubehör 800 Millionen Mark, das heißt: 420 Millionen blieben nach der Wanderung durch die Wertschöpfungskette hängen. In diesem Jahr sollen die Kunden weltweit rund eine Milliarde Mark für Playstation-Produkte ausgeben. Mitbewerber Nintendo hat sich zu seinen Plänen für das laufende Geschäftsjahr auf Anfrage von ComputerPartner leider nicht geäußert.

Die zusätzlichen Käufer möchten sich die Japaner aus der Zielgruppe der über 30jährigen holen. "Wir wollen weg von Spielzeug und hin zum Unterhaltungskontext", erklärt Sony-Manager Lakos. "Bislang haben wir einen Großteil unserer Konsolen über den Spielwarenhandel abgesetzt. In Zukunft wollen wir verstärkt in den Fachhandel hineingehen." Denn dort, so erklärt Lakos, würde die angestrebte Zielgruppe mehr einkaufen als im Spielzeugladen.

Für den Fachhandel ist dies nach Meinung von Sony ein erträgliches Geschäft. "Jede verkaufte Hardwareeinheit bringt mindestens fünf bis sechs Softwaretitel und ein bis zwei Zubehörteile als Folgegeschäft mit sich", argumentiert Lakos. Ein PC-Fachhändler aus München bestätigt diese Aussage: "Das meiste Geschäft mache ich mit den Kleinteilen und den Spielen. Wenn ein Kunde einmal Blut geleckt hat, will er immer mehr haben."

"Der PC Iist für uns keine Konkurrenz"

PC-Spiele sieht Sony nicht als Konkurrenz. "Wir sehen uns eher im Wettbewerbskampf mit dem Videorecorder," meint Lakos.

Der Münchner Fachhändler, der sowohl PC-Spiele als auch Playstation im Angebot hat, ist ähnlicher Meinung: "Die Kunden wollen entweder das eine oder das andere. Der eine will installieren, der andere vor dem Fernseher sitzen."

Auch in puncto Preisbindung haben die Videospiele einen entscheidenden Vorteil. Ein Konsolenspiel kostet im Durchschnitt 100 Mark. Der Preis bleibt im Gegensatz zu PC-Spielen monatelang, oft sogar jahrelang, stabil. "Manchmal startet einer der Märkte wieder eine Aktion. Dann sinkt der Preis, aber innerhalb einer Woche ist er wieder oben", beruhigt der Sony-Manager. Der Grund dafür liegt für Lakos auf der Hand: "Für die Playstation gibt es insgesamt etwa 400 Sony-Spiele. Dieser Zahl stehen Zigtausende von PC-Spielen gegenüber."

Allein in diesem Jahr wurden in Deutschland 600 Spiele auf den Markt gebracht. Für die Playstation waren es insgesamt 270 veröffentlichte Titel, für den Nintendo N64 erschienen 30 neue Titel.

"Wir wollen den Fachhandel fördern"

Um den Fachhandel zu erobern, will Sony einiges tun. Neben POS-Materialien stellt der Hersteller auch die wohlbekannten interaktiven Displays zum Spieletest vor Ort zur Verfügung. Im größeren Stil tritt der "Shop im Shop" auf. Sony berät seine Partner bei der Optimierung der Warenpräsentation und bietet Schulungen für Verkäufer an. Unter das Stichwort "Verkaufsfördernde Maßnahmen" fallen Promotion-Touren, wie sie gerade mit der "Adrenalin"-Tour für das jüngste Spiel "Gran Tourismo" stattfindet.

Im Moment macht der PC-Fachhandel noch 22 Prozent von Sonys Absatz aus. Der Anteil ist damit nach Ansicht von Lakos noch "sehr gering, aber hoffentlich steigend". (gn)

Der "Shop im Shop" soll in Zukunft auch vermehrt im PC-Fachhandel die Videokonsolen des Marktführers verkaufen.

Sony-Manager Ron S. Lakos will zusätzliche Playstation-Kunden über den PC-Fachhandel generieren.

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