MSN: Vom Online-Dienst zum Internet-Kiosk

22.05.1998

MÜNCHEN: Man glaubt es kaum, doch Microsoft gehört nicht immer zu den lachenden Gewinnern: Sein mit viel Wirbel gestarteter Online-Dienst MSN schrumpft jetzt zur werbefinanzierten Homepage mit E-Mail-Postfach.MSN tot? Das will Michael Konitzer auf keinen Fall unterschreiben: "Mit den Bereichen Content navigation, Search, Community und Hotmail bieten wir weiter alle Elemente eines vollwertigen Online-Service", insistiert der Geschäftsführer Kommerzielle Online-Aktivitäten bei Microsoft Deutschland auf neudeutsch. Der ehemalige Europe Online-Chef vergißt jedoch einen Baustein: Access providing - sprich: den Netzzugang. Seit geraumer Zeit verhandelt Microsoft mit der Telekom und dem Provider Uunet, um eben jenen Service komplett abzugeben. Bislang hat MSN die Netzinfrastruktur inklusive Betreuung der Kunden-Accounts bei diesen Unternehmen angemietet. Da gab es dann auch schon mal Probleme und Verzögerungen bei der Abrechnung. Wie auch immer, im Laufe des Monats Juni soll den MSN-Kunden verraten werden, wie sie in Zukunft ins Internet kommen. "Die User brauchen sich keine Sorgen zu machen. Das Ergebnis wird für sie auf jeden Fall vorteilhaft sein", verspricht Konitzer.

Weder Cash cow noch eigene Inhalte

Ansonsten steht fest: MSN-eigene Inhalte wird es nicht mehr geben. Statt dessen verkauft der Softwaremagnat seine MSN-Homepage in Zukunft an externe Informationsanbieter wie Verlagshäuser, Informationsdienste und Anzeigenkunden. In der aktuellen Betaversion des neuen Dienstes sind unter anderen "Spiegel", "Focus", "Stern", "Die Zeit", das ZDF und "Pro Sieben" mit Info-Schnippseln vertreten. Diese sogenannten Clips lassen sich nach individuellen Surfer-Interessen zusammenstellen. "Kiosk-Modell" nennt Konitzer das. Und kostenlos ist es obendrein, ebenso wie die diversen Suchmaschinen, Diskussionsforen und das Web-basierte E-Mail-System Hotmail, das Microsoft im vergangenen Jahr für umgerechnet 630 Millionen Mark gekauft hat. Der Plan ist, daß die Anwender MSN zur Startseite ihres Browsers erheben und so für Anzeigenkunden und Informationsanbieter zur interessanten Plattform wird. Ähnliches bieten inzwischen auch Yahoo, Excite oder Netscape, jedoch ohne sich gleich Online-Service (sprich: -Dienst) zu nennen. Der nächste Schritt sollen dann regionale Angebote sein, wie Kinoprogramme oder Restauranttips - ebenfalls von Drittanbietern. Ob sich das neue Angebot gleich zum Umsatzbrummer entwickelt oder nicht, darüber macht sich Konitzer einstweilen wenig Sorgen. "Unser Vorteil gegenüber der Konkurrenz, die nichts anderes macht als solche Startseiten, ist, daß MSN für Microsoft nicht die Cash cow spielen muß", erläutert der Online-Experte. (ld)

So soll der morgendliche Blick auf das Browser-Fenster in Zukunft aussehen, geht es nach den Vorstellungen von MSN.

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