Twitter-Blogger gefährden professionellen Journalismus

Mumbai: BBC-Berichterstattung unter Beschuss

Armin Weiler kümmert sich um die rechercheintensiven Geschichten rund um den ITK-Channel und um die Themen der Distribution. Zudem ist er für den Bereich PCs und Peripherie zuständig. Zu seinen Spezialgebieten zählen daher Notebooks, PCs, Smartphones, Drucker, Displays und Eingabegeräte. Bei der inoffiziellen deutschen IT-Skimeisterschaft "CP Race" ist er für die Rennleitung verantwortlich.
Die Verwendung des Online-Micro-Blogging-Dienstes Twitter im Rahmen der Berichterstattung zu den Terroranschlägen in der indischen Finanzmetropole Mumbai hat innerhalb der britischen Medienlandschaft eine heftige Diskussion über journalistische Qualitätskriterien ausgelöst.

Die Verwendung des Online-Micro-Blogging-Dienstes Twitter im Rahmen der Berichterstattung zu den Terroranschlägen in der indischen Finanzmetropole Mumbai hat innerhalb der britischen Medienlandschaft eine heftige Diskussion über journalistische Qualitätskriterien ausgelöst. Während von der einen Seite die ungeschönte, direkt am Geschehen liegende Art der Berichte der "Bürgerjournalisten" aus dem Web gelobt wird, sehen Kritiker darin eine Gefahr für den professionellen Journalismus. Als besonders fragwürdig wird vor allem der Einsatz von Live-Berichten der Twitter-Blogger gesehen, wie ihn die BBC im Zuge ihrer kürzlich gestarteten "Live Updates"-Sektion zu den Mumbai-Terrorattacken vorgeführt hat. "Ein 'Twitterrer' ist niemandem etwas schuldig außer seinen eigenen Eindrücken und seinem Geisteszustand. Sie verbreiten Gerüchte voreilig als Fakten", kritisiert der Independent-Journalist Tom Sutcliffe. Wenn die BBC derartiges Material verwende, spiele sie "russisches Roulette mit ihrer redaktionellen Integrität".

"Im Gegensatz zu Twitter-Bloggern, die ihre Meldungen direkt aus der Hüfte schießen, ist es ein eindeutiges Kennzeichen des professionellen Journalismus, dass er nicht wild publiziert. Grund dafür sind die potenziellen Professionalitätseinbußen", stellt Sutcliffe fest. Dass die BBC im Rahmen ihrer Berichterstattung zu den Terroranschlägen in Mumbai auf Twitter-Meldungen zurückgegriffen habe, stelle eine Gefährdung des klassischen Journalismus und seiner Qualitätskriterien dar. "Wenn die BBC nicht will, dass der Zynismus weiter zunimmt, sollte sie ein wenig vorsichtiger sein und aufpassen, dass die Grenze, die zwischen Twitter und einer ernsthaften Berichterstattung besteht, nicht vollkommen verschwimmt", betont Sutcliffe. Auch die BBC selbst hat mittlerweile Fehler in diesem Zusammenhang eingeräumt. "Ich glaube, wir hätten die verwendeten Twitter-Meldungen in diesem Fall besser überprüfen sollen, auch wenn dies sicherlich nicht immer möglich gewesen wäre. Wir haben unsere Lektion gelernt", gesteht Steve Herrmann, Redakteur der BBC-News-Webseite ein.

Dass im Internet auftauchende Informationen und Berichte von Hobbyjournalisten oft nur einen sehr persönlichen Eindruck der Geschehnisse wiedergeben und einer genaueren Faktenkontrolle in vielen Fällen nicht Stand halten würden, ist den professionell agierenden Journalisten in der Regel aber durchaus bewusst. "Dem Leser muss zu jeder Zeit klar sein, dass derartige Inhalte nicht professionell journalistisch überprüft worden sind", gibt Eva Werner, stellvertretende Pressesprecherin des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), gegenüber pressetext zu bedenken. Gerade bei so schwerwiegenden Themen wie den aktuellen Terroranschlägen in Mumbai sei die Öffentlichkeit auf den professionellen Journalismus angewiesen. "Der Leser muss sich sicher auf die Darstellung der Fakten verlassen können. Bei den Blog-Berichten ist sicherlich eine ganze Menge Wahrheit dabei. Es gibt jedoch keine Qualitätskontrolle und keine Möglichkeit, die dort enthaltenen Informationen auf ihren tatsächlichen Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen", fasst Werner zusammen.

Die Terrorangriffe in der indischen Finanzmetropole Mumbai hatten zu einer wahren Flut von Blog-Berichten zum Thema auf Twitter geführt. Seit dem ersten Moment der Terrorangriffe schilderten Augenzeugen darin direkt vor Ort das aktuellste Geschehen oder veröffentlichten selbstgemachte Fotos, die Leser die Tragik der gewaltvollen Auseinandersetzungen hautnah miterleben ließen. "Insgesamt gesehen ist es immer gut, wenn man Leute hat, die direkt vor Ort über die aktuelle Lage berichten. Für den klassischen Journalismus sind Blogs oft ein sehr geeignetes Rohmaterial", so Werner abschließend. (pte)

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