Neue Trends im Internet-Access

14.05.1999

MÜNCHEN: Einen PC starten und das DFÜ-Netzwerk anwerfen, nur um ein paar E-Mails abzurufen? Dieses Vorgehen ist antiquiert. Allmählich werden alternative Zugänge zum Internet salonfähig."WWW überALL" überschrieb der "Focus" in seiner Cebit-Ausgabe einen Artikel, der sich mit Internet-fähigen Handys befaßte. Eine Satellitentechnik wie Iridium, die das weltweite drahtlose Telefonieren mit Umweg über das All vorsieht, ist keine Zukunfts-vision mehr. Seit diesem Jahr kann der Endkunde für 4.000 bis 6.000 Dollar ein Iridium-befähigtes Handy erwerben. Hersteller sind zum Beispiel Motorola oder Nokia. Eine Gesprächsminute kommt ihn indes teuer zu stehen. Drei bis sechs Dollar nehmen die Netzbetreiber pro 60

Sekunden. Für den Zugang zum Internet scheint das ein teures Vergnügen im Vergleich zu sechs Pfennigen pro Minute im Festnetz.

Dennoch: Der Triumphzug der Smart Phones ist nicht mehr aufzuhalten. Diese "Taschenrechner" können weit mehr als normale Handys. Sie ähneln eher einem Zwitter aus Mobiltelefon und Palm-Pilot. Prototyp dieser neuen Form der mobilen Kommunikation war zunächst der klobige Nokia Communicator, ehe letztes Jahr Alcatels One Touch Com erschien. Dieses Handy kam mit eingebautem E-Mail-Client und besaß statt der numerischen Tastatur einen Touchscreen, der per Stift bedient werden wollte.

Von der Konzeption her erntete das One Touch Com viel Lob, an der Ausführung haperte es bei dem Erstgerät allerdings. Die Konfiguration des E-Mail-Clients gestaltete sich umständlich, und die Verbindung zum Provider wurde zum Glücksspiel. Auch die Eingabe längerer Texte mit dem Stift mutete umständlich an.

Zur diesjährigen Cebit haben die Handybauer nachgelegt. Fast jeder führt ein Smart Phone im Programm. Alcatel selbst bietet mit dem One Touch Pocket ein Handy mit integriertem Webbrowser an, ebenso Nokia mit dem 7110. Ericsson zeigte mit dem MC 218 und dem R 380 gleich zwei Multimedia-Handys. Alle drei setzen dabei auf eine neue Technologie zur Darstellung von Internet-Seiten namens WAP (Wireless Application Protocoll; siehe Kasten "HTML fürs Telefon").

Der ansonsten eher konservative französische Konzern Alcatel zeigt sich beim Thema Multimedia-Telefonie erstaunlich selbstbewußt. In Zusammenarbeit mit dem französischen Provider Cegetel gibt es seit dem 26. März den ersten WAP-Onlinedienst für Handys. Nokia setzt Kooperationen mit Reuters und CNN zur Nachrichtenübermittlung dagegen.

Und Alcatel hat noch ein Eisen im Feuer: Unter dem Namen Web-Touch soll ab Sommer das erste Internet-Telefon fürs Festnetz verkauft werden. Letztes Jahr bekam der Prototyp namens Screen-Phone einen "Cebit-Oskar" für die beste Innovation der Messe. Das Bildschirm-telefon arbeitet mit einer kleinen ausziehbaren Tastatur und verbindet per Kurzwahltaste direkt, ohne langen Boot-Vorgang mit der eigenen Mailbox oder einer beliebigen Web-Seite.

Sowohl beim Handy als auch beim Web-Touch setzt Alcatel auf Personal Java. Ericsson, Philips, Motorola und Nokia kooperieren in Sachen Symbian eng mit Psion und lizenzieren Epoc. Psion und Sun haben soeben die gegenseitige Unterstützung abgesegnet. Windows CE hat dagegen einen schweren Stand. Bill Gates selbst sprach gegenüber der Fachzeitschrift "c't" davon, Symbian sei eine "ernstzunehmende Konkurrenz".

Vom Wohnzimmer ins Web

Alcatels Festnetztelefon, das nur über Internet-Service-Provider in den Handel kommen soll, ist der langersehnte Schritt der Branche, Internet endlich in jede Wohnung zu legen, vor allem ins Wohnzimmer. Dort, so vermuten die Marktforscher, sitzt das E-Commerce-Portemonnaie des Endkunden am lockersten.

Schon seit einem Jahr versuchen diverse Anbieter, im Wohnzimmer Fuß zu fassen. Die Rede ist von Herstellern von Settop-Boxen und Internet-Fernsehern. Beide Fraktionen setzen sich am Markt nur sehr langsam durch. Zum einen liegt das an der teilweise ungenügenden Leistung der Geräte, teilweise scheint auch die Konzeption am Endkunden vorbeizugehen. Ein Beispiel dafür ist Loewes Xelos@Media. Der High-Quality-Fernseher mit 16:9-Bild und Dolby-Surround-Ton enthält ein PC-Modul, das man in verschiedenen Qualitäten bekommen kann. Die Endstufe besitzt gar einen DVD-Player. Alle Tester bescheinigen dem Gerät hervorragende Bildqualität, auch bei der Darstellung von Internet-Seiten. Der Komfort der Benutzung eben dieser läßt dagegen zu wünschen übrig. Das Problem liegt vor allem darin, daß der Betrachter wesentlich weiter vom Gerät entfernt sitzt, als vor dem PC. Außerdem ist er an dieser Stelle keine Interaktion gewohnt. So gestaltet es sich ziemlich umständlich, die einzelnen Links anzuspringen oder etwa einer Suchmaschine einen Begriff einzugeben.

Mit einem Endpreis von zwischen 3.500 bis 6.500 Mark ist der Xelos auch nicht gerade ein Schnäppchen. Die Kalkulation wurde vorsichtig angesetzt: 6.000 verkaufte Geräte sollten nach Angaben von Vorstand Hubertus Hoffmann bereits zur Bilanzdeckung genügen. Es darf bezweifelt werden, daß dies gelungen ist. Bei Loewe New Media war man nicht bereit, Zahlen anzugeben. Die andauernden Turbulenzen im Management deuten allerdings darauf hin, daß nicht alles glatt läuft.

Auch Quelle hat seinen Versuch mit dem Internet-Fernseher der Karlsbader Firma Metec eingestellt und führt dafür den Xelos im Programm. In Karlsbad heißt es "kein Anschluß unter dieser Nummer".

Grundig dagegen gibt sich voll zufrieden und arbeitet bereits an Version zwei der WB (Web-Box). Das Gerät ist ein Internet-Dekoder für den Fernseher, vergleichbar einem Satellitenreceiver. Die WB 1 wurde von der Internet-Fachpresse recht kritisch beurteilt. Vor allem weil die Fähigkeiten des Browsers gängigen Standards hinterherhinken und gerade in den so wichtigen Anwendungsbereichen Homebanking und E-Commerce mit den Web-Angeboten nicht umgehen konnten.

Es bleibt unverständlich, warum Grundig nicht einen gängigen Browser in die Box implementierte und statt dessen selbst einen entwickelte. "80 bis 90 Prozent unserer Kunden sind Neulinge, die keinen PC besitzen. Die WB 1 ist kein Gerät für Internet-Freaks", erklärt Grundig-Sprecher Dieter Kreisle. Dennoch räumt er ein, man habe aus Problemen mit der ersten Box gelernt und sei dabei, diese auszumerzen. Insbesondere fehlende Speicher- und Druckmöglichkeiten würden von den Usern vermißt.

Der Markt scheint sich in einem Preisbereich um 750 Mark einzupendeln. Dort siedeln sich auch andere Anbieter wie Teknema, Conrad oder Daewoo an. Nur die Türkheimer Schneider Rundfunkwerke versuchen es mit satten 1.400 Mark. Angesichts der Entwicklung bei den PCs ist das zweifellos zu teuer.

... und der Rest vom Haus?

Die eher schleppenden Verkäufe von Lösungen, die den Fernseher zum Internet-Terminal werden lassen, deuten darauf hin, daß der brave Deutsche auch weiterhin im Sofa lieber passiv bleibt. In ihrer Not versuchen die Hersteller, das Familienoberhaupt zu umgehen und die Hausfrau direkt anzusprechen. Und zwar in der Küche.

Die diesjährige Domotechnica in Köln glich einer High-Tech-Schau weit mehr als einer Haushaltsmesse zwischen Moulinette und Spätzleschaber. Der italienische Anbieter Merloni zeigte zum Beispiel den Home-Smart-Monitor, ein kleines Terminal zum Abfragen des angeschlossenen Rezeptdienstes. Auch einen Online-Dienst haben die Italiener gleich mitkonzipiert. Der füttert "Muttchen" mit allerhand Boulevard-Klatsch.

Aus Mainz, von Glashersteller Schott, kam eine spannende Idee für den Kühlschrank. Auf einer durchsichtigen Tür wurde ein Folienbildschirm aufgebracht. So kann der Hausmann wählen, ob er lieber das trostlose Innere seines Aggregats in Augenschein nehmen will oder die Web-Seite des "Playboy". Noch weiter geht Küchenbauer Zanussi zusammen mit AEG und anderen, wenn sie das Traumhaus entwerfen und dort das Multi-media-Terminal Advantage 2000 als Herzstück einbauen.

Seriöser erscheint da der Ansatz von NCR. Die Microwave-Bank ist ein Mikrowellenherd, auf dessen Monitor-Tür Überweisungen zu tätigen sind. Amerikanische Sozialforscher haben herausgefunden, daß der Durchschnitts-Amerikaner 16 Minuten pro Tag unnütz vor seiner Mikrowelle herumsteht.

Die Haushaltsvernetzung kommt. Techniken wie Bluetooth (unter anderen Ericsson), Jini (Sun), Jet Send (HP) werden Microsoft mit der neuaufgelegten Variante von Plug-and-Play unter Druck setzen. Gleichzeitig werden offene Kabel als Träger der Hausvernetzung verschwinden. Die eine Hälfte arbeitet mit dem Stromnetz, die andere mit DECT oder anderen Schnurlos-Protokollen. Siemens, Nokia, Dosch & Amand zeigten auf der Cebit Lösungen zur schnurlosen Datenüber-tragungen. Der zentrale Sender, von dem bis zu 20 Einheiten versorgt werden, kostet schlappe 100 Mark im Endverkauf. Mit Hilfe kleiner Funkmodems läßt sich so fast jedes Endgerät an den hausinternen Datenstrom anschließen.

Ein Terminal dieser Art zeigte Cyrix schon auf der Comdex 98. Das Web Pad ist ein Stift-Computer mit integriertem Web-Browser. Auch er vernetzt sich drahtlos mit dem ISDN-Adapter. Ähnliches funktioniert natürlich auch mit allen Geräten vom Typ Palm-Pilot oder Handheld. Mit Ihnen ist der drahtlose Zugriff auf das Internet heute schon möglich. Der Durchbruch wird aber erst gelingen, sobald eine funktionierende Spracherkennung die Eingabe und Bedienung per Stift obsolet macht. Bis dahin braucht man vielleicht doch noch einen PC. (fp)

Sicherer Renner, wenn der Preis stimmt: Alcatels Java-Telefon Web-Touch.

Mit dem R380 schlägt Ericsson den gleichen Weg ein wie zuvor Alcatel und Nokia.

Das Portal für den Xelos@media heißt Loewe Channel und wird von Loewe New Media in München betreut.

Das Terminal Advantage 2000 könnte das Herzstück der Küche von morgen sein.

Grundig hält an der Settop-Box fest, langfristig geht der Trend aber zu integrierten Geräten.

Eine große Zukunft versprechen die Marktforscher den Palm-Tops und Handhelds.

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