Nicht mehr flüchtig: neue Speicher braucht das Land

21.06.2001
PC einschalten und sofort ohne Booten da weiter machen, wo man gestern aufgehört hat. Mit nicht-flüchtigen Speicherbausteinen, die auf neuen Technologien wie MRAM oder FeRAM basieren, könnte das bald möglich sein.

Der allen Computernutzern bekannte Hauptspeicher, das Random Access Memory (RAM), hat bekanntlich den Nachteil, dass der Speicherinhalt beim Ausschalten des Rechners verloren geht. Sogenannte Flash-Memories behalten zwar ihr Gedächtnis auch ohne Strom, sind aber vergleichsweise langsam und daher für viele Anwendungen unbrauchbar. Und auch Medien wie Diskette, Festplatte, CR-ROM oder DVD erlauben im Vergleich mit dem flüchtigen Arbeitsspeicher den Datenaustausch mit der CPU nur im Schneckentempo. Eine Folge davon ist, dass jeder PC für das Booten Geduld vom Anwender erfordert. Das könnte sich schon in einigen Jahren ändern, denn fast alle namhaften Speicherhersteller basteln eifrig an NVRAMs, den nicht-volatilen (nicht-flüchtigen) RAMs. Neben der Festspeicher-Eigenschaft der NVRAMs versprechen die Fachleute weitere Vorteile: zum Beispiel eine erheblich verlängerte Betriebsbereitschaft mobiler Geräte wie Notebooks oder Handys und eine erhöhte Systemstabilität.

Konkurrierende Techniken

Wer die Aktivitäten der Chipproduzenten betrachtet, erkennt im Wesentlichen zwei konkurrierende Technologien bei der Entwicklung marktfähiger und ausreichend großer NVRAM-Speicher. Dabei hat die FeRAM- gegenüber der MRAM-Technologie einen Vorsprung von etwa drei Jahren. Es sind bereits 64-, 256-, 612- und 1-Mbit-Bausteine erhältlich (Monatsproduktion zur Zeit etwa zwei Millionen Chips). Toshiba und Infineon haben ein Joint-Venture gegründet und wollen bis zum Ende des Jahres 2002 einen 32-Mbit-FeRAM-Baustein für den Einsatz in Handys produzieren.

FeRAM (die Abkürzung FRAM meint dasselbe und ist der Markenname der US-Firma Ramtron International) basiert auf der Ferroelektrizität bestimmter Kristalle. In deren Gitterzellen befinden sich mobile Atome mit zwei stabilen Zuständen, zwischen denen man durch ein elektrisches Feld in etwa 100 Nanosekunden hin- und herschalten kann. Dies entspricht dem Schreiben der Information. Da aber durch häufiges Umschalten eine "elektrische Ermüdung" eintritt, ist die Anzahl der Reprogrammierungen zur Zeit noch begrenzt. Die ferroelektrischen Speicherzellen bewahren die eingeschriebenen Daten für mehr als zehn Jahre.

Als hauptsächliche Anwendungsbereiche für FeRAM-Chips sind zur Zeit Smart-Cards und Handys zu sehen. Hierbei wirken sich die im Vergleich zu Flash-ROMs größere Unempfindlichkeit gegenüber Umwelteinflüssen sowie vor allem die erheblich höheren Schreibgeschwindigkeiten positiv aus. So dauert die Programmierung von Flash-Speichern für den Einsatz in Handys zirka 15 Minuten, mit FeRAMs ließe sich das in Sekunden bewerkstelligen - eine enorme Steigerung der Produktivität.

Wenn es den Entwicklern gelingt, die Versorgungsspannung auf zirka 1,8 Volt zu verringern, sollten sich weitere Einsatzmöglichkeiten in mobilen Geräten ergeben. Hingegen erwarten die Fachleute für die nahe Zukunft nicht, dass sich FeRAM als ernsthafter Wettbewerber dynamischer RAMs etabliert. Hier favorisieren Insider Speichertypen wie SLDRAM, DDR-SDRAM und DRDRAM (siehe Tabelle).

Ferromagnetischer Effekt

Magnetische Speicher, von der Fachwelt meist als MRAMs oder MAGRAMs bezeichnet, nutzen den ferromagnetischen Effekt. Er beruht auf der Hysterese, die sich beim Anlegen eines magnetischen Feldes in einem ferromagnetischen Material ergibt. Die Programmierung erfolgt dabei durch einen Stromimpuls parallel zum Ferromagneten, der dadurch, je nach Stromflussrichtung, in den oberen oder unteren Hysteresepunkt versetzt wird.

Zwei wichtige Realisierungen der MRAM-Technologie sind Gigantic Magneto Resistance (GMR, hohe Magneto-Resistanz) und Magnetic Tunnel Junction (MTJ, magnetische Tunnelbarrieren). Beide beruhen auf der magnetischen Resistanz, worunter man die Abhängigkeit des Ohmschen Widerstands vom anliegenden Magnetfeld versteht. GMR kommt bereits millionenfach bei Leseköpfen moderner Festplattenlaufwerke zum Einsatz. Doch Experten bezweifeln, dass sich auf GMR basierende MRAMS kommerziell durchsetzen können.

Anders bei MTJ. Bei dieser Technik sind zwei ferromagnetische Filmschichten durch eine sehr dünne dielektrische Tunnelbarriere voneinander getrennt. Deren Widerstand ist geringer, wenn die beiden Schichten magnetisch parallel ausgerichtet sind - auf dieser Tatsache basiert das Auslesen einer Zelle. Ein von IBM präsentierter 1-Kbit-Prototyp hatte eine Auslesezeit von drei, eine Schreibzeit von zehn Nanosekunden.

Während MRAM bei der Datenhaltbarkeit und bei der Zugriffzeit vergleichbare Werte wie FeRAM aufweist, ist der magneto-resistive dem ferroelektrischen Speicher bei der Anzahl möglicher Lese- und Schreibzyklen (jeweils > 1.015 ) sowie bei der Schreibzeit (im Nanosekundenbereich) überlegen.

Noch viele Hürden

Zwar hat die Firma Honeywell vor zwei Jahren bereits ein 16-Kbit-MRAM vorgestellt und IBM will noch in diesem Jahr seinen ersten 1-Mbit-MRAM-Chip realisieren; doch bevor MRAMs in großer Stückzahl auf den Markt kommen, sind noch etliche Hürden zu nehmen. Hierzu zählen beispielswei-se die Reproduzierbarkeit der Zellen in der Serienfertigung und die Verringerung der für die Programmierung der Zellen benötigten Stromstärke. Langfristig könnten MRAMs sogar den Transistor ersetzen. Dies hätte zur Folge, dass Prozessoren und Controller durch Software programmiert werden könnten.

Zur Zeit beschäftigen sich fast sämtliche führenden Halbleiterhersteller mit FeRAMs und MRAMs. In Japan unter anderem Fujitsu, Hitachi, Matsushita, Nec und Toshiba, in Europa sind Infineon, Philips und das belgische IMEC aktiv. In den USA gibt es bereits seit 1994 eine Kooperation von Honeywell, IBM, Motorola und, neuerdings, auch Hewlett Packard. Einen anderen Weg will Intel beschreiten. Das Unternehmen entwickelt mit Phase Change Memories eine eigene NVRAMVariante. Diese Technik soll vergleichbare Leistungsmerkmale aufweisen wie FeRAM oder MRAM, jedoch mit weniger Masken bei der Produktion auskommen. Benutzt wird ein Phase-Change-Film, der für die Zustände "1" und "0" amorphe beziehungsweise kristalline Bereich aufweist. Dadurch ergeben sich unterschiedliche elektrische Widerstände, was zum Auslesen der Daten dient.

ComputerPartner-Meinung:

Es riecht nach frischem Wind in der Halbleiterbranche, und das ist gut so. Konkurrenz zahlt sich für alle nicht nur bei den Unternehmen aus, auch zwischen Technologien wirkt sie wie ein Katalysator. Ob sich nun FeRAM, MRAM oder die von Intel favorisierte Phase-Change-Technik durchsetzt, wird die Zukunft zeigen. Auf jeden Fall wäre ein PC, der nicht mehr booten braucht und der die Programme unmittelbar zur Verfügung stellt, eine echte Innovation, die den Markt stark beleben dürfte. (de)

Zur Startseite