Noch kein Massenprodukt

26.08.1999

MÜNCHEN: Derzeit können Fachhändler mit digitalen Kameras noch Geld erwirtschaften. Die Margen sind in Ordnung. Für ein echtes Massenprodukt aber sind die Geräte zu teuer. Zumal die Qualität im Einsteigerbereich zu wünschen übrig läßt.Der Markt für digitale Kameras zeigt einen konstanten Aufwärtstrend. 1998 wurden weltweit 3,7 Millionen Stück verkauft. Mit rund 40 Prozent führt Japan den Markt an. Dahinter folgen die USA mit rund einem Drittel des Gesamtvolumens. Auf Europa entfallen knapp 14 Prozent (zirka 518.000 Stück). "Innerhalb Europas sind deutsche Anwender beim Einsatz von Digitalkameras führend", erklärt Roger Carbonell, Analyst der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung

(GfK). Ihr Marktanteil beträgt zirka 30 Prozent.

Das Gros am europäischen Gesamtumsatz haben sich Casio, Kodak, Olympus und Sony gesichert. Dieses Quartett vereint fast 70 Prozent des europäischen Digitalkamera-Marktes auf sich.

"Im letzten Jahr wurden in Deutschland 150.000 Stück verkauft", weiß Peter Bender, Produktmanager bei Epson. "Für 1999 wird ein Absatz von insgesamt 250.000 Geräten prognostiziert."

Umsätze vor allem mit geschäftlichen Kunden

Das bisherige Wachstum bei den digitalen Fotoapparaten wurde haupt-sächlich durch geschäftliche Anwender getragen. Pierre Schaeffer, Europamanager von Kodak, teilt den Markt in drei "Business-to-Business"-Segmente: "Zur ersten Gruppe gehören berufliche Anwender, für die die schnelle Verfügbarkeit des digitalen Bildes in guter Qualität unmittelbare Geschäftsvorteile bietet." Darunter fallen beispielsweise Außendienstler, Immobilienmakler und industrielle Fotografen.

"Die zweite Berufsgruppe nutzt digitale Bilder zur Verifizierung und Kontrolle von Vorgängen, wie zum Beispiel die Schadensaufnahme im Sachverständigenbereich", sagt Schaeffer. Hinzu kommen kreative und konzeptionelle Bereiche wie Internet-Publishing, Layout und Werbung. "Alle drei Segmente haben früh die Bedeutung der Digitalfotografie für ihre alltägliche Arbeit erkannt und gehören zu den digitalen Vorreitern", erklärt Schaeffer. "Berufliche Anwender profitieren vor allem von dem Sofortbild-Effekt sowie von der Einbindung in digitale Workflows." Digitale Fotos lassen sich einfach und bequem in Vertriebs-Unterlagen, die als PC-Dokument vorliegen, integrieren. Digital aufgenommene Bilder können zudem schnell über das Internet verschickt oder später in die Homepage des Unternehmens eingebunden werden.

Consumer-Markt noch vor dem Durchbruch

Für die kommenden Jahre erwarten die Marktforscher, daß auch der Consumer-Bereich in Europa an Bedeutung gewinnen wird. Die Nürnberger Analysten sehen zwischen der Verbreitung von Digitalkameras und der Ausstattung der privaten Haushalte mit PC und Internetzugang einen direkten Zusammenhang. Laut GfK verfügt nur knapp ein Drittel der Haushalte in Deutschland über einen Computer und damit über die prinzipielle Möglichkeit der digitalen Bildbearbeitung. Gleichzeitig verfügen nur etwa acht Prozent der Haushalte einen Internet-Zugang.

In den USA, wo fast dreimal so viele Digitalkameras wie in Europa verkauft werden, stellt sich diese Situation anders dar. In 45 Prozent der amerikanischen Haushalte befindet sich ein PC. Ein Viertel der Amerikaner ist zudem mit dem Internet verbunden.

Preis und Qualität sind die Kaufargumente

Selbstverständlich ist ein PC die Grundvoraussetzung für eine Digitalkamera. Doch gerade in Deutschland achten die Kunden sehr genau auf die Kosten. Erst mit sinkenden Preisen, insbesondere im Megapixel-Bereich, wird die Technologie auch für Privatanwender interessant. Kameras, die eine Million Bildpunkte darstellen können, sind mittlerweile Standard. Einsteigermodelle können Endanwender bereits für unter 850 Mark erwerben.

Ein weiteres Zugpferd ist die steigende Bildqualität. "Gerade im Low-Cost-Bereich sind Anwender vielfach enttäuscht von der Qualität der digitalen Kameras", konstatiert Epson-Manager Bender. "Speziell Niedrigpreis-Anbieter machen dem Anwender falsche Hoffnungen, die dem Gesamtmarkt schaden. Doch auch im Megapixel-Segment dürfen Digitalkameras noch nicht mit der Qualität eines analogen Fotoapparates verglichen werden."

Die Entwicklungslabors der Hersteller sehen es daher auch als ihre oberste Pflicht an, die Bildqualität zu verbessern. "Die Tendenz geht in Richtung steigende Pixelzahl bei gleichzeitig sinkenden Preisen", erklärt Bender. Bei Kodak sehen es die Verantwortlichen ähnlich. Der Hersteller versucht zudem, die Handhabung zu vereinfachen. So wurde beispielsweise in die DC265 quasi ein eigenes Betriebssystem integriert, das den Einsatz spezieller Scripting-Software ermöglicht.

"Scripts übernehmen die für die jeweilige Aufnahme notwendigen Kameraeinstellungen, und der Anwender erhält per LC-Display Tips und Tricks für die optimale Bildaufnahme", sagt Schaeffer. "Die Scripting-Software erzeugt bereits in der Kamera eine Webpage mit digitalen Bildern für die spätere Produktpräsentation. Die digitalen Bilder können aber auch automatisch in Vertriebsunterlagen, die als Word-Dokument vorliegen, oder Präsentationen eingebunden werden. Zudem lassen sich die digitalen Bilder mit zusätzlichen Informationen wie Datum und Uhrzeit der Aufnahme, Text oder Logos versehen."

Hersteller sehen USB noch nicht als Standard

Ein Manko ist bis dato auch noch die langsame Datenübertragung. Obwohl es mit dem Universal Seriell Bus (USB) eine schnellere Alternative gibt, setzen die meisten Hersteller weiterhin auf die serielle Schnittstelle. "Der serielle Port ist zwar langsam, allerdings Standard bei PCs, Macs und Workstations", erklärt Guido Krebs, Abteilungsleiter Marketing Consumer Products bei Canon. Epson führt dieselben Argumente ins Feld: "Das serielle Interface zum PC ist durchaus noch zeitgemäß, da nicht alle Rechner über einen USB-Anschluß beziehungsweise einen entsprechenden Adapter verfügen."

Damit liegen die Anbieter nicht ganz richtig. Wer sich heute eine Digitalkamera kauft, hat zu 90 Prozent einen vernünftig ausgestatteten Computer. Seit der Einführung von Windows 98 vor einem Jahr funktioniert USB problemlos. Während der Scanner- und Druckermarkt schnell auf USB umstellt, hält das Gros der Kamerahersteller an einer veralteten Technologie fest. Insider gehen aber davon aus, daß mit den nächsten Produktgenerationen USB zum Standard wird.

Speichervielfalt ist zum Teil noch verwirrend

Ungeklärt ist die Frage des Speicherstandards. Derzeit sind vier Alternativen im Markt: Compactflash, Smartmedia, Memory Stick und die gute alte Diskette. Auf sie setzt nur Sony mit seinen Mavica-Kameras. Noch in der Einführungsphase befindet sich Sonys Memory Stick. Das Speichermedium ist nicht viel größer als ein Kaugummistreifen und verfügt über einen eingebauten Kopierschutzschalter. Derzeit ist es jedoch noch eine teure Insellösung, die es bis dato nur auf eine maximale Speicherkapazität von 32 MB bringt.

Smartmedia ist preiswert und kann einen sehr kompakten und flachen Formfaktor aufweisen. Für den Anwender verwirrend ist, daß es zwei unterschiedliche Spannungsversionen gibt und das Speichermedium daher nicht durchgängig kompatibel ist. Die Speicherkapazität beträgt derzeit ebenfalls nur 32 MB. Durch die flache Bauweise ist das Modul recht instabil.

Die Compact-Flash-Karte (CF) gehört in der Praxis zu den am häufigsten verwendeten Medien. Sie ist sehr robust und nicht recht viel größer als ein After-Eight-Schokoplättchen. Die Module sind mit bis zu 96 MB erhältlich. Aufgrund der integrierten Logik sind die CF-Karten teuerer als beispielsweise Smartmedia.

Mit Spannung wurde die Markteinführung von IBMs Microdrive erwartet. Die Festplatte im Compact-Flash-Format ist mit Speicherkapazitäten von 170 und 340 MB erhältlich. Der Preis liegt zwischen 550 und 680 Mark. Inwieweit sich Iomegas 40-MB-Click-Diskette etablieren kann, bleibt abzuwarten.

Zusatzgeschäfte können Fachhändler neben den obligatorischen Speichermedien unter anderem mit Bildbearbeitungsprogrammen sowie Taschen, Akkus und Fotopapier generieren. Ob in Zukunft der PC- oder Fotofachhandel das bessere Geschäft macht, hängt davon ab, wer sich stärker um den Kunden bemüht. Während immer noch viele Fotoläden vor der neuen Technologie zurückschrecken und um ihre Pfründe fürchten, gibt es im PC-Segment keine Berührungsängste. (kfr)

"Berufliche Anwender profitieren vor allem von dem Sofortbild-Effekt sowie von der Einbindung in digitale Workflows", erklärt Kodak-Manager Schaeffer.

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