Der Handyhersteller Nokia räumt der WiMAX-Technologie keine großen Chancen mehr ein. Wie Anssi Vanjoki, Vice President für Markets bei Nokia, in einem Interview berichtet, wird WiMAX beim finnischen Hersteller mit dem in den 80er-Jahren gescheiterten Videostandard Betamax verglichen. "Ich glaube nicht, dass die Zukunftsaussichten für WiMAX sehr vielversprechend sind", sagt Vanjoki gegenüber der Financial Times. Stattdessen setzen die Finnen auf die Mobilfunkweiterentwicklung "Long Term Evolution" (LTE). Telekom-Experte Jürgen Kaack pflichtet Vanjoki bei. "Zumindest für den deutschen Markt schließt sich das Fenster für WiMAX bald", so Kaack, Chef der STZ-Consulting Group.
Nokia war dereinst Gründungsmitglied des WiMAX-Forums, einem Zusammenschluss von Industrievertretern, um die Funktechnologie voranzutreiben und zu vermarkten. Das Unternehmen hat zudem mit dem N810 ein Mobiltelefon auf den Markt gebracht, das die Funktechnologie unterstützt. WiMAX tat sich jedoch bislang schwer, sich am Markt tatsächlich zu etablieren. Als Zukunftstechnologie gingen Branchenexperten bereits von einem Durchbruch im Jahr 2007 aus. Mittlerweile hat der Standard jedoch den Nimbus des ewigen Hoffnungsträgers anhaften. Zwar gibt es einige Anbieter von drahtlosem Internetzugängen via WiMAX, die Endgeräte sind allerdings nach wie vor nur spärlich am Markt vorhanden.
"Ich sehe nicht, dass sich WiMAX im größeren Rahmen irgendwo durchsetzt", kritisiert Vanjoki. Stattdessen stehe LTE bereits in den Startlöchern. "Hier findet sich ein klassisches Beispiel dafür, was passiert, wenn zwei Industriestandards aufeinanderprallen. Einer geht als Gewinner hervor, der andere verliert. Betamax gab es auch lange Zeit, VHS hat sich aber dann durchgesetzt und den Markt beherrscht. Ich gehe davon aus, dass nun dasselbe passiert", meint der Nokia-Manager. Vanjoki rechnet damit, dass sich LTE bis 2015 durchgesetzt haben wird.
"In Deutschland sind die Lizenzinhaber leider bislang nicht in ausreichendem Maße aktiv geworden, Clearwire ist nach meinem Kenntnisstand bis auf eine erste Anfrage überhaupt nicht in Deutschland tätig geworden, Televersa hat seine WiMAx-Lizenz zurückgegeben und um die anderen Anbieter ist es sehr ruhig geworden", berichtet Kaack. WiMAX werde nach Einschätzung des Experten bestenfalls eine Nischenrolle spielen. Nur zur Schließung von Breitband-Versorgungslücken und hier als Übergangslösung für den langfristigen Ausbau von Glasfaseranbindungen hätte die Funktechnologie in Deutschland eine Chance. In anderen Märkten mit weniger gut ausgebildeter Netzinfrastruktur beispielsweise Russland oder weite Teile Afrikas sei WiMAX jedoch nach wie vor eine erfolgversprechende Technik, meint Kaack.
"Unter Druck kommt WiMAX in Ballungsgebieten zukünftig durch Breitband-Funksysteme auf der Basis von LTE, die mit 50 Mbps deutlich über den mit WiMAX möglichen zwei bis bestenfalle vier Mbps liegen", meint Kaack. Darüber hinaus schickt sich auch die 3G-Mobilfunktechnik HSPA+ an, in die Nähe der theoretisch maximalen Datenrate von WiMAX von 108 Mbps zu kommen. Wie der Telekom-Ausstatter Ericsson kürzlich bekannt gegeben hat, sind Downlink-Geschwindigkeiten von 84 Mbps realisierbar. Selbst das sei noch nicht das Ende der Möglichkeiten. "Es wird schon darüber diskutiert, HSPA+ auf bis zu 168 Mbps zu erweitern", sagt Jeanette Fridberg, Ericsson Head of Product Marketing Radio. (pte/haf)