Online-Raubrittertum und geistiges Eigentum im Web

21.01.1999

BERLIN: Im Internet herrschen anarchische Zustände - zumindest wenn es um den Schutz geistigen Eigentums geht. Dennoch sind Urheber dem dreisten Zugriff per Mausklick nicht hilflos ausgeliefert. Niko Härting* beleuchtet rechtliche Aspekte modernen Online-Raubrittertums.Nirgendwo ist geistiges Eigentum so schutzlos dem Zugriff Unbefugter ausgeliefert wie im Internet. Phantasievoll und aufwendig gestaltete Web-Pages lassen sich schnell, einfach und unbemerkt kopieren. Der Raub von Ideen und die Kommerzialisierung fremder Kreativität sind im Internet kaum kontrollierbar.

Der raschen Verbreitung von Raubkopien im Web läßt sich in der Praxis kaum ein Riegel vorschieben - egal, ob es sich um Computerprogramme, Musik-CDs oder gedruckte Publikationen handelt. Die geistigen Eigentümer sind machtlos. Und auch die Einrichtung einer "Internet-Polizei" ist in Web-Kreisen (zu Recht) weder erwünscht noch praktisch realisierbar.

Aus juristischer Sicht sind zwei Problemkreise zu unterscheiden, die das Urheberrecht vor neue Herausforderungen stellen:

- Zum einen bringen Multimedia-Innovationen im Internet eine Vielzahl neuer Erscheinungsformen von geistigen Schöpfungen mit sich. Es stellt sich somit die Frage, inwieweit beispielsweise Web-Pages als neuartige Multimedia-Erzeugnisse urheberrechtlichen Schutz genießen.

- Zum anderen wird die Frage immer brisanter, ob und wie das Urheberrecht überhaupt in der Lage ist, dem Ideen-Raubrittertum im Internet Einhalt zu gebieten.

Einstweilige Verfügung bei Raubkopien

Generell schützt das Urheberrecht alle Erscheinungsformen einer persönlichen, geistigen Schöpfung. Web-Seiten, die ein Mindestmaß an Originalität und Individualität aufweisen, sind daher urheberrechtlich geschützt. Wer eine fremde Web-Seite, die diese Mindestanforderungen erfüllt, kopiert und als eigenes Produkt ins Internet stellt, handelt rechtswidrig.

Wer von Online-Dieben heimgesucht wird, sollte den "Täter" umgehend auffordern, die weitere Verwendung des eigenen Web-Designs zu unterlassen. Sollte eine solche Aufforderung unbeantwortet bleiben, besteht die Möglichkeit, gegen den Rechtsverletzer innerhalb kürzester Zeit eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Dadurch wird dem "Ideenklauer" gerichtlich untersagt, das unberechtigterweise genutzte Werk weiter zu verwenden oder zu verbreiten. Verstößt der Empfänger einer einstweiligen Verfügung gegen das gerichtliche Verbot, kann der Urheber den Erlaß eines gerichtlichen Zwangsmittelbeschlusses beantragen. Das Gericht wird den Schädiger zur Zahlung eines Zwangsgeldes oder sogar zu Zwangshaft verurteilen.

Neben einem Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch kann der Geschädigte auch Schadensersatz geltend machen. Was die Höhe dieses Anspruchs angeht, gibt es nach Paragraph 97 Urheberrechtsgesetz

(UrhG) mehrere Möglichkeiten. Der Kläger kann zunächst vom Schädiger die Rechnungslegung über den Gewinn verlangen, der mit der Verletzung geistigen Eigentums erzielt wurde. Der Schadensersatzanspruch richtet sich dann nach der Höhe des Gewinns.

Einfacher ist es, vom Schädiger eine angemessene Lizenzgebühr zu verlangen. Diese entspricht der Zahlung, die dem Urheber für eine Nutzung zustehen würde, wenn ein Nutzungsvertrag bestünde. Dem Geschädigten steht nach der Rechtsprechung frei, für welche der beiden Möglichkeiten er sich entscheidet.

Werden Urheberrechte im Web verletzt, ist auch der Staatsanwalt auf den Plan gerufen. Die vorsätzliche, unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke steht gemäß Paragraph 106 UrhG ebenso unter Strafe wie das unzulässige Anbringen der Urheberbezeichnung an einem fremden Werk (Paragraph 107 StGB). Hat der Schädiger ein gewerbemäßiges Interesse, muß er mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen (Paragraph 108 a UrhG).

Ideenklau im Web ist grenzenlos

Schwierig gestaltet sich die Rechtsverfolgung immer dann, wenn derjenige, der eine fremde Web-Seite vollständig oder teilweise kopiert hat, nicht in Deutschland, sondern im Ausland seinen Wohnsitz hat. Deutsche Gerichte sind zwar auch in diesem Fall in aller Regel für den Erlaß von einstweiligen Verfügungen zuständig, da der Geschädigte in Deutschland wohnhaft ist.

Die Probleme beginnen aber vielfach bereits damit, daß die Anschrift des Web-Diebes unbekannt ist. Wird eine einstweilige Verfügung gegen ausländische Personen erlassen, besteht zudem die Schwierigkeit, daß es im außereuropäischen Ausland praktisch unmöglich ist, eine einstweilige Verfügung eines deutschen Gerichts erfolgreich zu erwirken.

Durchsetzen lassen sich Urheberrechte somit nur, wenn der Schädiger zum einen in Deutschland ansässig ist und zum anderen sein Name und seine Anschrift bekannt sind. Immer dann können urheberrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden. Das gilt sowohl für das Kopieren vollständiger Web-Seiten als auch für die Übernahme von Einzelteilen einer Seite, die ohne Zustimmung des Urhebers erfolgte.

Dabei ist auch beispielsweise der HTML-Quellcode einer Web-Site als Computerprogramm im Sinne von Paragraph 69a UrhG urheberrechtlich geschützt. Voraussetzung ist, daß der Code ein Mindestmaß an individueller schöpferischer Leistung aufweist und sich nicht auf einen einfachen, mit HTML-Editoren erzeugten Code beschränkt.

Geschützt sind im übrigen auch einzelne Seitenelemente wie beispielsweise kreativ gestaltete Textelemente, Grafiken, Bilder, Computervideos und Computeranimationen. Seit 1997 ist zudem der urheberrechtliche Schutz von Datenbankwerken und Datenbanken gemäß den Paragraphen 4, Absatz 2, und 87a ff. UrhG eindeutig gewährleistet.

Web-Kopien sind juristisch umstritten

Eine klare Verletzung des Urheberrechts liegt immer dann vor, wenn es zur unberechtigten Anfertigung von Kopien kommt. Juristen streiten zwar bis zum heutigen Tag darüber, ob sich das Urheberrechtsgesetz, das den Urheber vor der Anfertigung von Kopien auf Papier schützen soll, auch dann anwenden läßt, wenn keine Papierkopie, sondern lediglich eine "unkörperliche" Online-Kopie per Mausklick vorgenommen wird.

Trotz heftiger juristischer Diskussionen über die genaue rechtliche Begründung herrscht in einem Punkt Einigkeit: Das geltende Urheberrecht gestattet die Anfertigung von Raubkopien im Internet. Wer allerdings per Mausklick ohne Wissen des Urhebers Musik-CDs, gedruckte Publikationen oder Computervideos kopiert oder gar Raubkopien weiterverbreitet, handelt eindeutig rechtswidrig.

Im englischen und amerikanischen Rechtskreis ist es überwiegend notwendig, das geschützte Werk mit dem Zeichen (c) zu kennzeichnen. Nach deutschem Recht ist die Verwendung des (c) nicht notwendig. Nichtsdestotrotz empfiehlt es sich, das eigene Werk im Internet mit dem (c) kenntlich zu machen. Sollte es später zum Streit um die Urheberrechte kommen, erleichtert sich der Urheber auf diese Art und Weise den Beweis hinsichtlich der älteren Rechte. Auch im Urheberrecht gilt nämlich der Prioritätsgrundsatz. Streiten sich zwei mögliche Urheber darüber, wer der Verfasser eines bestimmten Werkes ist, setzt sich derjenige durch, der nachweisen kann, daß er die betreffende Idee zuerst entwickelt und verbreitet hat.

Bislang kaum Fälle vor Gericht

Daß die Welt des Internet das Urheberrecht weltweit vor kaum zu bewältigende Aufgaben stellt, steht außer Frage. Auf den ersten Blick verwundert es daher, daß es bislang kaum gerichtliche Entscheidungen zum Urheberrecht im Internet gibt. Auch wenn sich in den letzten Jahren bereits zahlreiche Gerichte mit Fragen des Verbraucherschutzes im Internet sowie mit Haftungsfragen, der Rechtslage bei der Domain-Vergabe und wettbewerbsrechtlichen Internet-Fällen befaßten - urheberrechtliche Internet-Urteile sind nach wie vor selten.

Es zeigt sich einmal mehr, daß zwischen dem "Recht haben" und dem "Recht bekommen" oft Welten liegen. Die Rechte des Urhebers sind auch im Internet umfassend geschützt. Dieser Schutz - das

"Recht haben" - nutzt dem Urheber jedoch zumeist nur sehr wenig. Rechtsverstöße bleiben in den meisten Fällen unerkannt, und eine Rechtsverfolgung - insbesondere im Ausland - ist in der Praxis nur schwer realisierbar.

* Rechtsanwalt Niko Härting leitet die Berliner Kanzlei Härting

und ist auf die Themen Multimedia und Immobilien spezialisiert.

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