PC-Resteverwertung: Nur zwölf Prozent geht auf die Sondermülldeponie

02.06.1998

PADERBORN: Fast fünf Millionen Kilogramm ausrangiertes Equipment verarbeitete das Recycling- und Wiedervermarktungscenter von Siemens-Nixdorf in Paderborn 1996/97. Zwar altes Eisen - aber kein Schrott. Der Großteil wird dem Produktionskreislauf wieder zugeführt.Geschäftiges Treiben herrscht auf den 9.000 Quadratmeter Hallenfläche am Frankfurter Weg in Paderborn. Etwa 80 Mitarbeiter, zum Teil Leihkräfte eines Dienstleisters, um Spitzenzeiten abzufangen, begutachten, demontieren und sortieren die ankommenden Geräte, die hauptsächlich aus SNI-Produktion stammen. Fachhändler können SNI-Produkte kostenlos zum Recyclen anliefern, für Fremdgeräte wird eine Kostenbeteiligung fällig, Öko-Produkte kosten nichts.

Die ostwestfälischen "Resteverwerter" haben gut zu tun. Riesige Berge an "Elektronikschrott" fallen in jedem Jahr an. Allein Siemens-Nixdorf sammelte im Geschäftsjahr 1996/97 (30.9.) 5.668 Tonnen (also fast 5,7 Millionen Kilogramm) ausgediente PCs und Großanlagen, Monitore und Tresore aus Geldausgabeautomaten insgesamt ein. Davon landeten 4.832 Tonnen zur Wiederverwertung und Demontage im Recycling- und Wiedervermarktungscenter in Paderborn. Insgesamt werden schätzungsweise jährlich in Deutschland 200.000 Tonnen Hardware ausgemustert. Tendenz: steigend.

Was die Recycling-Fachleute in Paderborn als weiter verwendbar beurteilen, wird aufgearbeitet und über SNI-Händler, unternehmensintern oder im angeschlossenen PC-Shop weiterverkauft. Etwa zehn bis 20 Prozent kommen so komplett in den Markt zurück.

Der restliche Elektronikschrott wird bis zum kleinsten Schräubchen auseinandergenommen. Es gibt kaum ein Computerbauteil, das nicht noch die Chance eines zweiten Lebenszyklus bekommt. Einzelkomponenten wie Netzteile und Controller finden in den Serviceorganisationen der SNI dankbare Abnehmer, die aus dieser Ersatzteilquelle ältere Geräte wieder fit machen. Auch für Prozessoren, RAMs und Chips gibt es Abnehmer im internationalen Markt. In den so ausgeschlachteten PCs findet sich immer noch eine Menge an vermarktungsfähigen Stoffen: Metalle, Kunststoffe, Beton aus den Tresoren, Kabel.

Das Highlight der Anlage ist die im September 1996 in Betrieb genommene "Kunststoff-Erkennungs-Sortier- und Mahlanlage", kurz KESMA, die einzige dieser Art in Europa. Sie funktioniert folgendermaßen: Die Gehäuseteile aus Kunststoff werden über ein Laufband an einem Spektral-Analysegerät vorbeigeführt. Das dort austretende Licht wird von dem Kunststoff reflektiert und ein angeschlossener Rechner checkt blitzschnell seine eingespeicherten Daten mit den erkannten Bestandteilen des Kunststoffes ab. Je nach Werkstoff öffnet sich einige Meter weiter der richtige Schieber über einem Container und die Gehäuseteile sind sortenrein getrennt. In gemahlenem Zustand kann dieses Granulat neuem Kunststoff beigemischt werden.

SNI ist mit KESMA Vorreiter im Markt

Wir liegen heute bei einem Verwertungsgrad der Altgeräte bei 88 Prozent", erklärt Peter Burgdorf, Leiter Wiedervermarktung und Recycling bei SNI. Die zur Zeit noch verbleibenden zwölf Prozent landen auf Sondermülldeponien oder in Verbrennungsanlagen. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren waren es noch 65 Prozent Restmüll. Bis zu Jahr 2000 hofft Burgdorf, "bei einem Verwertungsanteil von 90 Prozent" zu sein.

Daß die SNI-Recyclinganlage diesen hohen Wiederverwertungsgrad realisieren kann, liegt an der engen Zusammenarbeit zwischen Produktion und Recycling. Hauptmotiv des Unternehmens, in die Recyclingbranche einzusteigen, war durch die Praxis bei der Demontage zu neuen Erkenntnissen für die Konstruktion zu kommen. Bereits bei der Entwicklung der Produkte wird bei SNI über eine möglichst einfache und damit kostengünstige Entsorgung nachgedacht. "Manchmal nicht einfach für die Konstrukteure", wie Burgdorf einräumt, "schon beim Bauen an die Demontage zu denken". Zum Beispiel werden Kunststoffe nicht mehr metallbeschichtet, was in der Vergangenheit zu einer unlösbaren Verbindung führte. Heute werden zur Abschirmung von Gehäusen abknöpfbare Bleche eingesetzt, die problemlos wieder zu trennen sind.

Schon seit Ende der 70er Jahre nimmt SNI (damals noch als getrennte Unternehmen Siemens AG und Nixdorf Computer AG), Altgeräte zurück. Die Anlage in Paderborn wurde 1990 in Betrieb genommen und im September 1997 als Entsorgungsfachbetrieb anerkannt, im Rahmen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zukünftig unerläßlich für jeden Verwerter. Für das laufende Geschäftsjahr 97/98 erwartet Burgdorf eine weitere Steigerung der Anlieferungen.

Die Menge an Elektronikschrott steigt kontinuierlich

Die Tendenz bei der Menge des Elektronikschrotts ist weiter steigend, denn die durchschnittliche Nutzungsdauer eines PCs hat sich in den letzten 30 Jahren von zehn auf 4,3 Jahre verkürzt, besonders innovative Produkte werden manchmal schon nach zwei Jahren zum alten Eisen gezählt. Kurzum: Die Mitarbeiter im SNI-Recyclingcenter brauchen derzeit nicht zu befürchten, daß ihne die Arbeit ausgeht. (ak)

Die Mitarbeiter im SNI-Recyclingzentrum in Paderborn brauchen nicht zu befürchten, daß ihnen die Arbeit ausgeht.

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