Personalmanagement

10.01.1998

MÜNCHEN: Mit der hohen Nachfrage innerhalb des Spezialistenmarktes wachsen auch die Aktivitäten von Headhuntern, die für suchende Firmen geeignete Kandidaten identifizieren und "gewinnen" sollen. Was ist, wenn morgen auch das Telefon bei einem Ihrer hochgeschätzten Mitarbeiter klingelt und ein Headhunter ein Abwerbungsangebot plaziert? Wie beugt ein Unternehmen derlei Unannehmlichkeiten vor? Wie reagiert ein Chef, der von Headhuntingaktivitäten erfährt? Und wie verhält man sich, wenn ein Mitarbeiter mit einem attraktiven Jobangebot pokert? Hintergründe und Verhaltensregeln dazu von Stefan Rohr *.Jeder, der etwas auf sich halten möchte, muß zumindestens einen der Spezies "Headhunter" kennen. Einen Vertreter der Berufsgruppe von Karrieremachern also, die in ihrer gesellschaftlichen Anerkennung und "Zuneigung" in Deutschland immer noch nahe dem Niveau der Immobilienmakler angesiedelt sind und doch in bestimmten Situationen nicht umgangen werden können. Letzteres gilt gleichermaßen für Auftraggeber und Karriereaspiranten.

Die Ambivalenz des Allgemeinverständnisses drückt sich am besten darin aus, daß zwar einerseits die Tätigkeit des "Kopfjagens" von der Mehrzahl fälschlicherweise als unseriös oder zumindest als moralisch bedenklich aufgefaßt wird, andererseits die Vorzüge dann doch wieder gern angenommen werden - insbesondere dann, wenn es um den eigenen

"Kopf" oder die eigenen (Firmen-)interessen geht.

Das haben sich fast alle Unternehmen auch schon gesagt und nutzen auf vielfältige Weise die Dienste von Headhuntern, Direct- oder Executive-Searchern. Diese wiederum suchen nach dem geeigneten Kandidaten für eine vakante Position. Und anders als bei Stellenausschreibungen in den Zeitungen durchforsten sie den Markt, viele Unternehmen sowie ihre Kontaktquellen nach potentiell geeigneten Zielpersonen. Die gilt es dann, für einen Wechsel zu motivieren und dem suchenden Unternehmen zuzuführen.

Gezieltes herangehen an poteneielle Kandidaten

Ein adäquater Weg der Headhunter - oder deren vorgeschalteten Searchern/-innen - ist es, Unternehmen zu durchleuchten, in denen die gesuchten Spezialisten oder Manager vermutet werden. Daß der Headhunter durchaus auch gezielt Namen, insbesondere in Wettbewerbsfirmen, mit auf den Weg bekommt, ist zwar für das anvisierte Unternehmen äußerst unangenehm, allerdings gang und gäbe. So kommt es natürlich häufig vor, daß plötzlich und unerwartet eine freundliche Dame oder ein honoriger Herr sich bei einem der Mitarbeiter meldet und diesem eine Karrierechance schmackhaft machen möchte, hoffend, daß dieser hierauf "anbeißt". Was können Firmen dagegen tun?

Möglichkeiten der Vorbeugung

Zunächst gilt es, eine Art "Firewall" zu installieren, und zwar dort, wo üblicherweise ein Searcher oder Headhunter ansetzen muß, falls er nicht bestimmte Mitarbeiternamen bereits kennt: bei der Telefonvermittlung. Als erste und wichtigste Maßnahme sollten klare Verhaltensmaßnahmen mit den Damen und Herren des Telefonempfanges vereinbart werden, die helfen, die Versuche einer Direktansprache zu erkennen und zu vermeiden.

Sollte also ein Anrufer ominöse Fragen nach Mitarbeitern bestimmter Qualifikationen oder Zuständigkeiten stellen ("Können Sie mich bitte mit Ihrem Spezialisten für Warenwirtschaftssysteme verbinden?") oder Namen, Durchwahlnummern oder gar Privatanschriften erkunden wollen, so sollte dieses bereits als Warnung aufgefaßt werden.

Hierzu ein Tip: Weisen Sie Ihre Telefonkräfte darauf hin, daß bei solchen oder ähnlichen Fragen generell zunächst an eine bestimmte Vertrauensperson im Unternehmen verbunden wird (zum Beispiel an das Chefsekretariat, die Personalabteilung oder die Vertriebsleitung), die hiernach den Anrufer auf Hintergrund seines Ersuchens prüfen und - sollte sich der Gesprächspartner tatsächlich als Kunde oder Interessent erweisen - gezielt weiterverbinden kann.

Außerdem ist es zu empfehlen, interne Telefonverzeichnisse nicht so zu gestalten, daß diese wie ein Katalog für angebotenes Fachpersonal anmuten. Private Anschriften und Telefonnummern haben hierin ebensowenig einen sinnvollen Platz wie nähere Funktions- oder Tätigkeitsbezeichnungen. Auch die Strukturierung in bestimmte Abteilungen (zum Beispiel "Abteilung Vertriebssysteme" oder "Internetproduktion") ist zwar intern nicht ohne Bedeutung und Gebräuchlichkeit, dennoch sollte darauf verzichtet werden. Eine Kopie solcher Telefonlisten in den falschen Händen kann den Direktzugriff auf wertvolle Kapazitäten und Know-how-Träger leicht und unkompliziert gestalten - auch ohne die wachsame Telefonvermittlung.

Mit Tricks zum Ziel

Wenn der vorangestellte Gedanke noch relativ leicht umzusetzen ist, wird es schwieriger, wenn sich ein Headhunter zum Beispiel als "Marktforscher" oder als "Redakteur" einer bedeutenden Zeitschrift ausgibt und so einen "bestimmten Experten" des Unternehmens befragen möchte. Derlei "Tricks" sind leider sehr verbreitet. Sie werden von Headhuntern angewandt, die sicher unter die Kategorie "unseriös" fallen und keine Scheu davor haben, auch mit illegitimen Mitteln ihr Geschäft zu begründen. Dem Einfallsreichtum dieser Spezialisten sind kaum Grenzen gesetzt. Begegnet werden kann dem höchstens dadurch, daß alle Mitarbeiter und Telefonisten im Unternehmen strikt angewiesen werden, Interviewanfragen, Marktforschungsersuchen oder ähnliches direkt an die zuständige Stelle im Unternehmen zu leiten und gegebenenfalls sofort nach der Telefonnummer und dem Namen zu

fragen, damit zurückgerufen werden kann.

In Fällen, in denen allerdings Mitarbeiter oder Ehemalige bestimmte Namen und Funktionen "empfehlend" weitergeben (zum Beispiel an den neuen Arbeitgeber oder den Kollegen auf dem Kongreß, dem Seminar oder den Schulungsmaßnahmen), kann kaum noch etwas gesteuert werden. Hier gilt es, die eigenen Mitarbeiter zu sensibilisieren und ihnen klar zu machen, daß jedweder Abwerbungsversuch von Kollegen direkt die Firma schwächt und sicher nicht dazu beiträgt, die Marktstellung und den eigenen Arbeitsplatz zu sichern.

Offenheit im Unternehmen hemmt Abwehrversuche

Darüber hinaus sollten die Mitarbeiter wissen, daß Kontakte zu Headhuntern, sofern diese in das Unternehmen gelangen konnten, offenzulegen sind. Ein Mitarbeiter, der ein bestimmtes attraktives Angebot erhalten hat, wird das zwar sicher nicht tun. Grundsätzlich sollten die Mitarbeiter jedoch wissen, daß es bei derartigen Kontaktversuchen eine Informationspflicht dem Arbeitgeber gegenüber gibt, die sich in erster Linie auf Loyalität und Vertrauen beruft und nicht etwa auf gesetzliche Bestimmungen.

Die Headhunter suchen durchaus bewußt solche Firmen für ihre Direktansprachen heraus, die für ein intern "wackelndes" Stimmungsbild bekannt sind und deren Nährboden für die Abwerbungsversuche am gehaltvollsten scheinen.

Leider ist es in vielen Fällen üblich, daß ein Mitarbeiter mit einem bereits ausverhandelten Jobangebot beim Chef auftaucht und davon ausgeht, daß dieser ein "Gegenangebot" mit (noch) besseren Grundlagen aus dem Ärmel ziehen werde. Diese an Erpressung heranreichende Methode rühmt sich besonderen Geschicks und Draufgängertums, sollte jedoch generell vom Arbeitgeber nicht aufgegriffen werden.

Derlei Geschehnisse machen nämlich Schule, und der nächste Aspirant wird nicht lange auf sich warten lassen. Da zudem in erster Linie die Gehaltsfrage den Verhandlungsmittelpunkt darstellen wird, ist ein Zugeständnis in diese Richtung gleichlautend mit der Forderung anderer Mitarbeiter nach einem entsprechenden "Schluck aus der Pulle".

Wenn einem Chef derartiges widerfährt, sollte er mit Pragmatismus reagieren: Reisende soll man nicht aufhalten. Und das wird man auch dann nicht können, wenn aus sachlichen Hintergründen ominösen und ungerechtfertigten Forderungen vorübergehend und süßsauer lächelnd nachgegeben wird.

*Stefan Rohr ist geschäftsführender Gesellschafter der r & p management consulting Hamburg/Düsseldorf/ Frankfurt/Speyer/Hannover/München/ Zug(CH)

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