Pios-Chef Domeyer: "Der Handel braucht endlich eine Gates-free zone"

11.01.1996
MÜNCHEN: Gänzlich auf das Angebot mit Intel-Rechnern verzichten will der Mitte des Jahres gegründete Distributor Pios AG. Mit Computern auf PowerPC-Basis, die als Plattform für Betriebs-systeme wie das Mac-OS, das Amiga-OS oder auch Windows NT und allerlei Unix-Derivate dienen, will der Grossist Händler aus der Wintel-Welt für sich gewinnen.

MÜNCHEN: Gänzlich auf das Angebot mit Intel-Rechnern verzichten will der Mitte des Jahres gegründete Distributor Pios AG. Mit Computern auf PowerPC-Basis, die als Plattform für Betriebs-systeme wie das Mac-OS, das Amiga-OS oder auch Windows NT und allerlei Unix-Derivate dienen, will der Grossist Händler aus der Wintel-Welt für sich gewinnen.

Stefan Domeyer, Vorstandsvorsitzender der im Mai diesen Jahres gegründeten Pios AG hat ehrgeizige Pläne. "Wir werden der Wintel-Fraktion in nicht allzu ferner Zukunft echte Kopfschmerzen bereiten", tönt der Chef des Hildesheimer Distributors, der sich auf den Vertrieb von PowerPC-basierten Computern spezialisiert hat. Doch eigentlich ist das nichts neues, zumindest nicht aus Domeyers Mund. Denn schon einmal hatte er versucht, dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen, mit einem allerdings eher kläglichen Ausgang.

Domeyer war zusammen mit seinem Kompagnon Peter Tyschtschenko Geschäftsführer des Escom-Sprößlings Amiga Technologies GmbH in Bensheim. Noch vor gut einem Jahr propagierte das Unternehmen die Entwicklung einer Reihe von mit PowerPC-Prozessoren ausgestatteten Amiga-Rechnern, die spätestens im ersten Quartal 1997 auf den Markt kommen sollte (siehe COMPUTER BUSINESS Nr. 46/95, Seite 9 und 10). Doch Ziehvater und Ex-Escom-Chef Manfred Schmitt bereitet dem Vorhaben mit dem Verkauf des Unternehmens ein jähes Ende. "Als ich von der Escom-Zentrale mitbekommen habe, daß die Entwicklungsgelder für das Amiga-Projekt gestoppt werden, war mir klar, was los ist", erinnert sich Domeyer. "Das war ein untrügliches Zeichen und ich bin zusammen mit einigen Kollegen aus dem Management rechtzeitig abgesprungen", berichtet er weiter.

Baldiges Wiedersehen

Doch wie in dieser Branche üblich, hat sich dieses Grüppchen - ergänzt durch einige weitere Herrschaften aus dem "Dunstkreis Amiga" - mittlerweile wieder zusammengefunden. Getrieben von der Idee, den Markt für Rechner, die nicht mit einem Intel-Prozessor samt scheinbar unzertrennlich zugehörigen Betriebssystem aus dem Hause Microsoft bestückt sind, aus seinem Schattendasein zu führen, gründeten sie mit einem Stammkapital von etwas über einer Million Mark die Pios AG.

"Die Ausgangsbedingungen sind so gut wie noch nie", will Domeyer wissen, der sich nunmehr zu seinem zweiten Anlauf warmläuft. "Wir haben die besten Leute von Amiga an Bord, eine Tochtergesellschaft in den USA gegründet, an dessen Spitze sich der ehemalige Amiga-Chef befindet. Ich bin sicher, daß wir zusammen jetzt das durchziehen können, was wir letztes Jahr nicht geschafft haben", gibt sich Domeyer siegessicher. Er glaubt, daß sich derzeit "starke Kräfte im Markt zusammenfinden", die zwar bis dato nichts von einander wissen wollten, aber nunmehr allesamt erkannt haben wollen, daß man der Wintel-Übermacht nur gemeinsam entgegnen kann. "Ich gehe davon aus, daß sich der derzeitige Marktanteil von PowerPC-basierten Rechnern in den nächsten zwei Jahren verdoppeln wird", so Domeyer gegenüber ComputerPartner.

Eigenentwicklung und Distribution

Auch Pios will sein Scherflein dazu beitragen. So will sich das Unternehmen nicht nur auf seine eigentliche Funktion als Grossist für PowerPC-Rechner beschränken, sondern den Markt darüber hinaus auch mit eigenentwickelten Produkten beglücken. Noch im November soll der Pios One das Licht der Welt erblicken (siehe Kasten). Produkte mit verbesserter Modularität und Erweiterungsfähigkeit als bei anderen momentan auf dem Markt befindlichen Rechnern anzubieten, nennt Domeyer als Hauptgrund, eine eigene Modellreihe ins Leben zu rufen. "Zudem können wir somit dem Handel Bare-Bone-Systeme anbieten, die je nach Kundenwunsch ausgestattet werden können. Auf so etwas haben die Wiederverkäufer im PowerPC-Markt bisher vergeblich gewartet", will der Pios-Chef wissen.

Zweites Standbein ist der Vertrieb von Mac-Clones. So bieten die Hildesheimer die Apple-Nachbauten von Umax an, weitere Hersteller sollen demnächst hinzu kommen. "Mittlerweile gibt es eine ganze Schar von Clone-Produzenten, die in Frage kommen, aber wir wollen deren Vertriebskonzepte zuerst genau unter die Lupe nehmen. So kann ich beispielsweise heute schon sagen, daß wir mit der Firma Power Computing sicherlich nicht zusammenarbeiten werden, denn die machen derzeit keine Anstalten, vom Direktvertrieb abzuweichen", so Domeyer. Auch für den Vertrieb der angekündigten Mac-kompatiblen Motorola-Rechner hat sich Domeyer noch nicht durchringen können. "Die müssen das erst einmal mit der Produktion auf die Reihe bekommen. Solange das Unternehmen nur mit Ankündigungen von Allokationen auf sich aufmerksam macht, gibt es keinen Grund, warum wir deren Produkte distribuieren sollten. Zudem stimmt der Preis der Maschinen hinten und vorne nicht. Die müssen noch eine ganze Stange billiger werden", so der Vorstandsvorsitzende weiter.

Die BeBox kommt nach Deutschland

Ergänzt wird das Produktportfolio durch den Vertrieb der sogenannten BeBox (siehe Kasten). "Wir verstehen uns als PowerPC-Company und sind daher offen für alle Plattformen und Betriebssysteme", unterstreicht Domeyer seinen Anspruch, "nicht mehr Apple-lastig zu sein als unbedingt notwendig".

Nachdem Domeyer für sich behaupten will, daß das Distributions-Grundgerüst (Lieferfähigkeit, technischer Support, Bereitstellung von Produktinformationen, POS-Systeme usw.) zwischenzeitlich stehe, will er sich nunmehr verstärkt darum kümmern, mehr Nachfrage nach PowerPC-basierten-Rechnern zu generieren. Auftritte in "geeigneten Medien" sollen dazu führen.

Auch eine Händlerzeitschrift soll aufgelegt werden, und für das nächste Jahr hat sich Domeyer fest vorgenommen, mit einer Roadshow durch ganz Deutschland zu tingeln. "Ich bin sicher, daß wir genügend Händler finden werden, um allen Kunden Verkaufsstellen unserer Produkte in ganz Deutschland anbieten zu können. Bereits auf der CeBit Home haben wir weit über 50 Wiederverkäufer gewonnen. Der Großteil dabei sind Apple-Händler, die sehr froh darüber sind, auf Alternativen zurückgreifen zu können. Aber auch aus der Wintel-Welt kommen immer mehr Wiederverkäufer auf uns zu. Viele von denen haben es einfach satt, sich bei den hauchdünnen Margen auch noch um die letzte Mark streiten zu müssen. Die haben vom Preiskampf in diesem Marktsegment endgültig die Schnauze voll. Die sind alle auf der Suche nach einer stabilen Preisfront, die bekanntlich im Apple-Umfeld zu suchen ist", erklärt der diplomierte Kaufmann vollmundig.

So soll dann auch im Laufe des nächsten Jahres das derzeit noch unter der Web-Adresse der Pios AG untergebrachte Bestellformular für Endkunden obsolet werden. "Das ist ein Kompromiß, den wir derzeitig eingehen müssen, über den ich aber nicht sehr glücklich bin. Aber wir bekommen viele Anfragen aus Gebieten, in denen wir keinen Händler vor Ort haben, und diese Kunden wollen wir natürlich auch zufrieden stellen", gibt sich Domeyer verlegen. Er versichert jedoch, daß alle anderen Anfragen stets an einen der rund 70 Partner weitergeleitet werden. Als Umsatzziel für das Rumpfgeschäftsjahr 1996, das zum 31. Dezember endet, nennt der Pios-Chef die noch bescheidene Summe von vier Millionen Mark. Doch das soll sich schon im Geschäftsjahr 1997 dramatisch ändern.

Denn dann will das Unternehmen bereits 50 Millionen Mark erwirtschaften. Domeyer scheint sich der Erreichung des stolzen Umsatzzieles jedenfalls schon ziemlich sicher zu sein: "Nächstes Jahr gehen wir jedenfalls an die Börse. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche." (cm)

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