Portale in Deutschland: Zustandsbericht

13.03.2003
Der paneuropäische IT-Dientstleister Unilog hat 132 große und mittelständische Unternehmen in Deutschland nach ihren Portalplänen befragt. Demnach will knapp die Hälfte dieser Firmen noch in diesem Jahr ein entsprechendes Projekt in Angriff nehmen.

Portale sollen die Arbeit erleichtern - ob bei komplexen SAP-Anwendungen oder bei Web-gestützten CRM-Systemen. Über die Start- seite auf dem Desktop sollen sich alle benötigten Applikationen rasch auffinden und starten lassen. So lautet zumindest die Idealvorstellung - in der Realität sieht es natürlich anders aus. So baute sich etwa bei Siemens fast jede Abteilung und Arbeitsgruppe ein eigenes Intranet auf, bis schließlich die Entscheidung des Vorstands fiel, ein konzernumfassendes Portal ins Leben zu rufen. Dort hinein all die kleinen "Portälchen" zu integrieren war natürlich nicht möglich.

So verwundert es nicht, dass die Kosten eines Portalprojektes zwischen 500.000 und 2,5 Millionen Euro liegen. In seiner Studie "Portal 2003" hat Unilog ferner herausgefunden, dass genau darin das Dilemma der Unternehmen liegt: Einerseits wollen sie mit einem Portal Prozesskosten einsparen, andererseits müssen sie dafür erst mal viel Geld ausgeben.

Kundenbeziehungen im Vordergrund

Deshalb entscheiden beim Für und Wider von Portalen in 71 Prozent der Fälle Geschäftsführer und Vorstände mit. Leider fällen sie laut Unilog nicht immer die richtige Entscheidung: Obwohl sie dabei Geld und Zeit sparen könnten, fragen nur 59 Prozent der Unternehmen externe Beratung nach. Und sogar wenn sie dies tun, spielt für sie nur fast nur ein einziges Auswahlkriterium eine Rolle: der Preis. Nach der Art der in das Portal zu integrierenden Anwendungen befragt, gab fast ein Drittel der betroffenen Unternehmen Applikationen zur Steuerung von Kundenbeziehungen (CRM, Customer-Relationship-Management) an. Das war für die Berater von Unilog fast die dickste Überraschung, hatten doch CRM-Projekte bis dahin einen schlechten Ruf. So gab es Untersuchungen, denen zufolge fast zwei Drittel aller CRM-Projekte in Deutschland scheitern würden.

Außer CRM gab es keinen weiteren klaren Favoriten für das Portal. Marktplätze und Systeme zur Optimierung der Lieferkette (SCM/Supply-Chain-Management) spielten mit neun beziehungsweise sieben Prozent an Nennungen nur eine untergeordnete Rolle. Für Wissen vermittelnde Lösungen (KM, BI, E-Learning) scheint die Zeit noch nicht reif zu sein. Ansonsten planen die Unternehmen ihre Spezialanwendungen in ihr Portal einzupflegen, darauf deutet der mit 56 Prozent hohe Anteil an sonstigen Nennungen hin.

Unilog hat auch die Anbieter von fertigen Portallösungen genauer unter die Lupe genommen und dabei auf eine Auflistung der Meta Group zurückgegriffen. Das Fazit des Dienstleisters fällt hier ernüchternd aus: Von den ehemals mehreren Hundert Spezialanbietern von Portalsoftware bleiben drei bedeutende übrig: IBM, SAP und BEA. Laut Unilog können noch ein bis zwei Open-Source-Produkte hinzukommen, ansonsten sei es das gewesen.

Die New-Economy-Vorreiter Ariba, Broadvision und Commerce One haben derzeit mit Problemen existenzieller Natur zu kämpfen. Plumtree sieht sich hingegen nach einem Rating der Delphi-Group selbst als Marktführer, Vignette musste demgegenüber vor allem in Deutschland Personal abbauen.

Betrachtet man dagegen eine Marktuntersuchung von Current Analysis, so gibt es derzeit 14 aktive Anbieter von Portallösungen: Zu den drei von Unilog genannten Unternehmen kommen noch Plumtree, Sybase, Computer Associates, Microsoft, Oracle und weitere hinzu.

Bei den drei Unilog-Favoriten SAP, IBM und BEA sieht der Dienstleister ein erbittertes Kopf-an-Kopf-Rennen, was die Funktionsvielfalt und -tiefe der dazugehörigen Portallösungen Portals 5.0 Websphere und Weblogic betrifft. Während etwa IBM beim User-Management und bei Personalisierungs-Features die Nase vorn hat, besticht SAP Portals bei Integrationsfähigkeit und Suchfunktionen.

Was bringen Portale?

60 Prozent der befragten Unternehmen versprechen sich von der sinnvollen Einrichtung eines Portals Kostensenkung. Diese könnte aus effizienterer Nutzung vorhandener Ressourcen resultieren, aber auch aus Zeitersparnis. Mittels eines sinnvoll gestalteten Portals sind Mitarbeiter schnel- ler in der Lage, die gerade benötigte Anwendung zu finden - man denke da nur an SAP-Applikationen. 58 Prozent der Firmen glauben, mit Portalen Zeit einsparen zu können - etwa durch Optimierung der Geschäftsprozesse. Dafür soll unter Umständen weniger Personal erforderlich sein.

EAI (Enterprise Application Integration) und IT-Harmonisierung stehen dagegen nicht auf der Agenda von Portalprojekten. Gerade mal 29 Prozent der beteiligten Unternehmen wollen dadurch ihre IT-Landschaften konsolidieren. Offenbar bleibt in allen anderen Firmen alles beim Alten, das heißt sie behalten ihre DV-Zoos erst einmal und schieben die notwendige Konsolidierung hinaus. Prozessintegration gilt nur als möglicher nächster Schritt nach Vollendung des Portalprojekts.

Etwas mehr als die Hälfte der befragten Anwender nutzt bereis Portale zur Kommunikation mit externen Partnern. In 85 von 100 Fällen werden Portale in der einen oder anderen Form jedoch ausschließlich zu Informationszwecken eingesetzt. Mitarbeiter können die aktuelle Speisekarte einsehen, aber sich auch über Wichtigeres unterrichten lassen.

Nur etwa jedes siebte Unternehmen nutzt Portale als E-Procurement-Plattform. Dabei spielt es keine Rolle, ob darüber Verbrauchsmaterialien fürs Büro oder Rohstoffe für die Produktion elektronisch bestellt werden sollen: Der Anteil der Firmen, die diese Güter online beschaffen, hält sich mit 14 beziehungsweise 15 Prozent noch stark in Grenzen. Hier gibt es also noch großen Nachholbedarf. Entsprechende Beratung des Kunden vorausgesetzt, können diese elektronischen Einkaufsführer einen wichtigen Bestandteil von Portalen bilden.

Denn die Akzeptanz von Portallösungen bei den Mitarbeitern ist sehr hoch - viel höher als etwa reine CRM- oder E-Procurement-Anwendungen betreffend. Die Projektleiter in den von Unilog befragten Unternehmen gaben zu Protokoll, dass 18 Prozent ihrer Mitarbeiter konstruktive Vorschläge zur Gestaltung des Portals eingereicht hätten. Weitere 41 Prozent der Beschäftigten zeigten starkes Interesse daran, mit einem Portal zu arbeiten. Keine Meinung hatte etwa ein Viertel der Mitarbeiter, und nur acht Prozent zeigten sich skeptisch. Zweifel gab es aber nur darüber, ob mehrere Anwendungen auf einer Plattform integriert werden sollten.

www.unilog.de; www.sap.de

www.ibm.de; www.bea.com

ComputerPartner-Meinung

"Portale sind ein hochinteressantes Randthema", lautete meist die Einschätzung der von Unilog befragten Unternehmen aus dem gehobenen Mittelstand. Und dennoch stoßen Portale auf durchwegs großes Interesse bei Anwendern. Wenn nun noch die IT-Dienstleister die Erwartungshaltung ihrer Kunden nicht zu hoch schrauben, können derartige Projekte für beide Seiten von Vorteil sein: Der Anwender spart sich Zeit und Geld beim Einsatz seiner unterschiedlichen Anwendungen, und der IT-Dienstleister sammelt Erfahrungen und erobert sich peu à peu ein neues Geschäftsfeld. (rw)

Zur Startseite