Priorität der PC-Hersteller: Umwelt wichtiger als gute Sozialstandards

19.09.2002
Wie gut sind die Umwelt- und Sozialleistungen der größten IT-Hersteller? Diese Frage beantwortet die Münchener Oekom Research AG mit ihren Nachhaltigkeits-Checks. Dabei zeigte sich, dass die meis-ten Firmen mehr Verantwortungsbewusstsein in Sachen Ökologie als in puncto Arbeitsklima haben.

Der Zusammenschluss von Hewlett-Packard und Compaq zeigt positive Wirkung: Das junge Unternehmen setzt sich im "Corporate Responsibility Rating" der Münchener Oekom Research AG im internationalen Vergleich der acht führenden Computerhersteller an die Spitze. Das Rating bewertet die Umwelt- und Sozialleistung von Unternehmen anhand von 200 Kriterien auf einer Skala von A+ bis D-. In der aktuellen Untersuchung kann sich Hewlett-Packard (US) mit der Bewertung B- knapp vor Apple (US), ebenfalls B-, platzieren. Den dritten Rang belegt das japanische Unternehmen NEC mit einem C+.

Ebenfalls gecheckt wurde das Unternehmensverhalten im Umweltbereich. Die Ergebnisse sind zweigeteilt. Hier arbeiten die Hersteller einerseits mit Erfolg daran, ihre Geräte energieeffizienter zu gestalten. So sind neue Computer in der Regel mit einem Energielabel ausgezeichnet. Hinsichtlich der eingesetzten Materialien können die Unternehmen aber andererseits noch keinen Pluspunkt verbuchen: "Schwermetalle, verschiedenste Kunststoffe und bromierte Flammschutzmittel sind noch immer Bestandteile von Computern. Dies führt zu Komplikationen bei der Entsorgung ausgedienter Geräte", so Evelyn Bohle, Analystin bei Oekom Research.

Das mangelnde Engagement der Unternehmen verwundert, denn die aktuellen Umweltgesetze schreiben die Rücknahme und Entsorgung von Altgeräten durch die Hersteller zukünftig vor. Unternehmen wie Apple, HP und NEC vertreiben ihre Geräte schon heute mit Rücknahmegarantien und greifen damit den Gesetzen vor. Zusätzlich bieten immer mehr Hersteller Leasing-Möglichkeiten an. Dadurch wird die Rücknahme von Gebrauchtgeräten noch erleichtert. Zu dieser Gruppe gehören Apple, Dell, NEC und Sun.

Doch durch den Einsatz bedenklicher Stoffe laden aber alle die Prob-lematik der umweltgerechten Entsorgung auf ihre eigenen Schultern - und auf die des Channelpartners. Aber vielleicht ist das den Wenigsten bewusst oder wert, sich damit zu beschäftigen. Bis auf IBM und NEC konnte keines der anderen Unternehmen im Detail berichten, wie viel Wasser und Energie es über die Jahre verbraucht, wie hoch der CO2-Ausstoß und die Abfallmenge ist. Fujitsu hatte wohl auch einen Report verfasst, der aber nur bis 1998 ging. Deshalb macht die gesamte Gruppe mit einer Durchschnittsbewertung von C- eine eher traurige Figur. Ausreißer nach unten sind Sun, Apple und als Schlusslicht Dell mit einem D-.

Kündigungsschutz - brauchen wir doch nicht

Ein weiterer unbefriedigender Bereich sind die Sozialstandards. Diese sind bei Computerherstellern noch wenig ausgeprägt. Viele Arbeitsverträge bieten zwar eine übertarifliche Entlohnung, jedoch kaum Kündigungsschutz oder Sozialprogramme im Fall von Entlassungen - bei der derzeitigen instabilen Lage des Sektors ein hoher Unsicherheitsfaktor für die Arbeitnehmer. Auch umfassende Sozialstandards für Zulieferer sucht man vergebens. Da viele Unternehmen verstärkt die Produktion auslagern und ihre Komponenten von Firmen in Billiglohnländern beziehen, ist dies ein großer Mangel.

Positiv anzumerken ist, dass sich inzwischen sechs Konzerne mit der so genannten digitalen Kluft zwischen reicheren und ärmeren Bevölkerungsschichten und vereinzelt auch zwischen Industrie- und Entwicklungsländern beschäftigen. Das Engagement in diesem Bereich bezieht sich etwa auf die kostenlose Ausstattung von Schulen mit Computern. Weltweite Programme sind jedoch noch nicht in Sicht.

Der Branchendurchschnitt von C im Sozialbereich lässt noch viel Raum für Verbesserungen. Die Unternehmen sollten den Mit-arbeiter wieder stärker in ihren Fokus stellen. Das B- im Umweltbereich beweist das ausgeprägte Bewusstsein der Branche für ökologische Aspekte. Nur mit der Umsetzung der Vorgaben hapert es noch. Daraus ergibt sich ein C+ im "Corporate Responsibility Rating", mit dem die IT-Branche im Vergleich zu anderen Geschäftsbereichen gut abschneidet.

www.oekom.de

ComputerPartner-Meinung:

Nach Ansicht der Analysten von Oekom Research zeigt sich die IT-Branche viel verantwortungs-bewusster als andere Industrien. Bei einer Durchschnittsbewertung von C+ stellt sich jedoch die Frage: Ist das Glas halb voll oder halb leer? Hier sollten sich die IT-Hersteller ruhig noch mehr anstrengen, egal wie schlampig andere Wirtschaftszweige mit diesen Themen umgehen. Denn: Umweltschutz ist gut - aber ebenso wichtig ist es, für ein angenehmeres Arbeitsklima zu sorgen. (go)

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