Radarfallen: "Blitzkrieg" auf Deutschlands Straßen

20.03.1998

MÜNCHEN: Radarfallen lauern überall. Viele Autofahrer haben den Eindruck, daß diese nicht an wirklich gefährlichen Stellen aufgebaut werden, sondern dort, wo man leichtsinnige Raser müheloser erwischt. Schnell ist dann von modernem "Raubrittertum" die Rede. Wen wundert's, daß der Autofahrer da nach Hilfsmitteln oder Gesetzeslücken sucht, damit die Falle nicht zuschnappt.Erlaubt, aber sinnlos ist die CD am Rückspiegel. Hierdurch soll, so der Wunschgedanke, der Radarblitz abgelenkt werden. Da die CD aber lose und frei beweglich aufgehängt ist, kann sie keine Wirkung entfalten.

Die CD müßte vielmehr genau auf den Einstrahlwinkel justiert sein, um eventuell eine Anti-Radar-Wirkung zu entfalten. Der Effekt ist also gleich null. So werden in der Nacht höchstens entgegenkommende Autofahrer irritiert und geblendet.

Verboten und sinnlos

Anti-Reflexfolien, mit denen die Buchstaben und Ziffern des Kfz-Kennzeichens beklebt oder besprüht werden, sollen beim auftreffenden Blitz für eine Überbelichtung sorgen und erfüllen in der Tat zunächst einmal diese Aufgabe. Bei einer Nachbehandlung der überbelichteten Bilder läßt sich das Kennzeichen jedoch wieder herausarbeiten, so daß das Nummernschild zweifelsfrei identifiziert werden kann.

Das einzige, was der Autofahrer mit diesem Trick erreicht, ist eine zusätzliche Bestrafung. Die Veränderung am Nummernschild erfüllt nämlich einen Straftatbestand. Da die Manipulation vorgenommen wird, um entsprechende polizeiliche Feststellungen zu verhindern, handelt der Fahrzeugführer zur Täuschung im Rechtsverkehr und macht sich der Urkundenfälschung schuldig (OLG Düsseldorf, Az.: 2 Ss 267/96-73/96 III). Zusätzlich kann die Manipulation zu einem Erlöschen der Betriebserlaubnis für das Fahrzeug führen. Ähnlich verhält es sich mit dem neusten "Insider-Tip", den Gegenblitzanlagen. Das sind kleine Geräte im Fahrzeuginneren, die mit einem Fotosensor und einem Blitzlicht ausgestattet sind. Dieser Apparat soll beim Auftreffen des Radarblitzes auf den Sensor einen Gegenblitz losschicken, der aber regelmäßig zu spät kommt und das bereits geschossene Radarfoto nicht mehr beeinflussen kann. Die Polizei stuft diese Gegenblitzanlagen als unzulässige Beleuchtungsanlage ein und kann die Geräte einziehen, da sie nach der Straßenverkehrszulassungsordnung nicht erlaubt sind.

Teuer und sinnlos

Für elektronische Radarwarngeräte, die nach der jetzigen Gesetzeslage voll erlaubt sind, muß der Autofahrer ein paar hundert Mark oder sogar zwei bis drei Tausender hinlegen. Die Warnung vor Radaranlagen ist vielfach auch gegeben. Diese Geräte sind aber derart empfindlich, daß sie meist alle paar hundert Meter ohne konkreten Radaranlaß piepsen.

Der elektronische Funksmog, wie Mobiltelefone oder CB-Funk, lenken diese Radarwarngeräte derart ab, daß sich der Fahrer vor lauter Warntönen lieber gleich an die vorgeschriebene Geschwindigkeit hält. Der egoistische Zweck, sich risikolos über bestehende Geschwindigkeitsbeschränkungen und damit über Gesetze hinwegzusetzen, wird nicht erreicht. Nach der Rechtsprechung (AG Berlin-Neuköln, Az.: 6 C 284/94) verstößt zudem der Kauf derartiger Warngeräte gegen die guten Sitten. Solche Kaufverträge sind nichtig.

Anti-Radar-Tips verfehlen daher meist ihre Wirkung, Anti-Radar-Geräte sind teuer, sinnlos oder verboten.

Es gibt jedoch keinen allgemeinen Erfahrungssatz, daß die Radargeräte der Polizei unter allen Umständen zuverlässig und fehlerfrei arbeiten. Es ist daher legitim und erlaubt, die Radarmessung anzuzweifeln. Denn Radarmessungen sind für einen Richter nur dann beweiskräftig, wenn das Gerät geeicht, richtig aufgestellt und fachgerecht vom richtigen Personal bedient wird.

Eichtoleranz

Radarmeßgeräte unterliegen dem Eichgesetz und müssen regelmäßig überprüft und gegebenenfalls nachgeeicht werden. Um alle möglichen Betriebsfehlerquellen des Geräts oder seiner Bediener auszuschließen, ist bei Geschwindigkeiten bis 100 km/h eine sogenannte Eichtoleranz von 3 km/h in Abzug zu bringen. Das gilt auch dann, wenn die Geschwindigkeit in abfließender Verkehrsrichtung gemessen wird (OLG Hamm, Az.: 3 Ss OWi 992/93). Selbst dann aber, wenn für das Gerät die vorgeschriebene Eichung abgelaufen ist, ist die Radarmessung nicht völlig wertlos. Ein höherer Sicherheitsabschlag von 20 Prozent ist dann angemessen und erforderlich (KG Berlin, Az.: 2 Ss 150/94).

Hoheitsaufgabe

Immer mehr Kommunen übertragen die Geschwindigkeitsmesung auf Privatunternehmen. Ohne Fleiß soll hier der Preis, sprich Bußgeld, eingefahren werden.

Die Rechtsprechung steht solchen, nicht hoheitlichen Geschwindigkeitsmessungen, noch skeptisch gegenüber. Vielmehr muß ein Bediensteter der Gemeinde, der auch über die erforderliche Sachkunde verfügt, die Messung verantwortlich leiten. Hilfspolizisten als Amts- und Kontrollpersonen reichen nicht aus (OLG Frankfurt, Az.: 2 Ws (B) 210/95). Ist aber die durchgeführte Radarkontrolle ordnungsgemäß, wenn auch durch eine Privatfirma erfolgt, das eingesetzte Meßgerät gültig geeicht und der Bediener auch fachlich geeignet, so soll nach dem Bayerischen Obersten Landgericht (Az.: 1 ObOWi 785/96) auch eine

solche Messung verwertbar sein.

Radarpistole

Fahrzeuggeschwindigkeiten können auch mittels sogenannter Laserpistolen (tragbare Lasergeräte) festgestellt werden, wenn das Meßgerät fachlich einwandfrei bedient sowie die Messung bei Tageslicht und im nicht dichten Verkehrsbereich durchgeführt und schließlich eine Toleranz von drei Prozent für mögliche Fehlerquellen abgezogen wird (OLG Oldenburg, Az.: Ss 355/94). Allerdings muß bei dieser Meßmethode eine eindeutige Zuordnung des Meßwerts zu dem avisierten Fahrzeug gewährleistet sein (OLG Frankfurt, Az.: 2 Ws (B) 397/95). Können so die Beamten keine Angaben über die konkreten Verkehrsverhältnisse machen, so sind Fehlermeldungen prinzipiell nicht auszuschließen. Das kann im Einzelfall dazu führen, daß der Bußgeldbescheid aufzuheben ist (OLG Frankfurt, Az.: 2 Ws (B) 367/95). Unterschiedlich wird die Tatsache von Gerichten bewertet, daß bei der Messung mit der Radarpistole keine fotografische Dokumentation erfolgt. Während das Oberlandesgericht Hamm (Az.: 3 Ss OWi 194/96) einer solchen fehlenden Bilddokumentation keinen Meß- und Verwertungsnachteil beimißt, schätzt das Amtsgericht Wipperfürth (Az.: 2 OWi 511 Js 772/96) die Geschwindigkeitsmessung mittels Radarpistole wie folgt ein: "Ein Meßvorgang auf technisch höchsten Stand mit steinzeitlichem Beweiswert." Denn während man bei herkömmlichen Radarmeßgeräten bei Ausfall der fototechnischen Seite einen Fahrzeugführer erst gar nicht zur Anzeige bringt, mutet man beim Gebrauch der Laserpistole dem Gericht und damit dem Betroffenen zu, gleich von vornherein ohne visuellen Nachweis des Meßvorgangs auskommen zu müssen.

Abstandsschätzung

Geschwindigkeitsmessungen durch die Polizei sind nicht nur durch Radarmeßgeräte möglich, sondern auch dadurch, daß das Polizeifahrzeug dem "Übeltäter" nachfährt. Erfolgt eine solche Messung aber nachts, so muß der Richter den Sachverhalt besonders sorgfältig prüfen. So kann bei 100 Metern Verfolgungsabstand nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die Scheinwerfer des Polizeifahrzeugs zur genügenden Aufhellung beitrugen und der Abstand ausreichend sicher geschätzt werden konnte. In diesem Fall ist der betroffene Fahrzeugführer im Zweifel freizusprechen (OLG Oldenburg, Az.: Ss 56/96).

Fahreridentifizierung

Hat der Richter den Fahrzeugführer, der wegen einer Geschwindigkeitsübertretung ein Bußgeld und ein Fahrverbot erhalten hatte, einwandfrei aufgrund von bestimmten Merkmalen (Haare, Ohren, Gesichtsform) identifiziert, so reicht das prinzipiell aus, um ihn wegen dieser Verkehrsordnungswidrigkeit entsprechend zu verurteilen.

Es genügt, wenn diese charakteristischen Merkmale aufgezählt sind. Dagegen ist es nicht erforderlich, daß der Richter Ausführungen zur Bildqualität des Radarfotos macht (Bay.ObLG, Az.: 2 Ob OWi 452/96).

Wutausbruch

Gerät ein "Geblitzter" über eine bei ihm durchgeführte Radarkontrolle derart in Wut, daß er anschließend das Radar- und Blitzlichtgerät beschädigt, muß er selbstverständlich für diesen von ihm angerichteten Schaden aufkommen.

Der so "Geblitzte" muß die Reparaturkosten und die Nacheichung bezahlen. Für den Einnahmeausfall der Gemeinde durch nicht durchführbare Radarkontrollen muß er aber nicht aufkommen, da Radarkontrollen nicht in der Absicht durchgeführt werden, Einnahmen zu erzielen. Da Radarkontrollen vielmehr dazu dienen, bestehende Gesetze einzuhalten, können auch keine Einnahmeverluste auftreten (LG Konstanz, Az.: 2 0 245/96 W).

Warnhinweise

Personen, die vor einer polizeilichen Radarüberwachung die Autofahrer zum Beispiel mit Schildern "Achtung Radar" warnen, gefährden nach Meinung des Oberverwaltungsgerichtes Münster (Az.: 5 B 2601/96) die Durchführung polizeilicher Aufgaben auf dem Gebiet der Verkehrsüberwachung und stellen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar.

Solche Warnhinweise können daher von der Behörde verboten und mit Zwangsmitteln untersagt werden. Handzeichen dagegen sind erlaubt. Erst, wenn Verkehrsteilnehmer, die andere Autofahrer per Handzeichen vor Radarkontrollen warnen, andere belästigen, gefährden oder behindern, verstoßen sie damit gegen die Straßenverkehrsordnung (OLG Stuttgart, Az.: 4 Ss 33/97).

Resümee

Wer die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit mit seinem Fahrzeug einhält, kann auf sinnlose Tricks und nutzlose Warngeräte verzichten. Geschwindigkeitsmessungen, und damit verbunden die Bußgelder, müssen aber nicht obrigkeitshörig hingenommen werden.

Fehlerquellen, die auch von der Rechtsprechung gerügt werden, gibt es viele, wenn sie denn gefunden werden. (jlp)

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