Sag mir, wo Du wohnst, und ich sage Dir, wie Du zahlen musst

10.01.2002
Wo findet man den idealen Kunden? Diese Frage haben sich schon einige Betreiber von Onlineshops oder Versandhandel gestellt. Zahlungskräftig muss er allemal sein, und wenn er dann noch in einer noblen Gegend wohnt, umso besser.

Sie haben einen gepflegten Vorgarten, sind über 50 und haben immer noch den selben Wohnsitz wie vor 20 Jahren? Glück gehabt, das bringt 700 Punkte. Denn je nach Punkthöhe, dem so genannten Score-Wert, werden Sie als sehr attraktiver (750 Punkte) beziehungsweise weniger attraktiver Kunde (350 Punkte) eingeschätzt. Das "mathematisch-statistische" Analyseverfahren gibt laut Schufa Auskunft darüber, "wie hoch das Risiko ist, dass ein Kunde nicht vereinbarungsgemäß zahlt". Das ursprünglich für den Versandhandel entwickelte Score-Verfahren ermittelt für jede Anschrift in Deutschland einen so genannten Score, der neben Kreditinformationen der Schufa aus Adresse und Alter errechnet wird.

Neben der Schufa informiert die Unternehmensberatung Informa Unternehmen über die Kreditwürdigkeit eines Kunden. Diese Art der Überprüfung stößt selten auf Gegenliebe. Für ihr Scoring-Verfahren hat das Pforzheimer Unternehmen kürzlich den provokanten "Big Brother Award" verliehen bekommen (siehe dazu Kasten).

"Wir können für jeden Bürger einen Score ermitteln. Selbst wenn es über die Einzelperson einmal keine Daten gibt, hilft uns die Beurteilung des Nachbarn rechts oder links", weiß Informa-Geschäftsführer Paul Triggs. So kann eine Wohnung im Sozialbau den Score in die Tiefe ziehen.

Informa-Beauftragte sammeln in Städten tagtäglich Informationen über den Zustand und das Umfeld einzelner Gebäude. Neben der Kundenkartei enthält die Informa-Datenbank zahlreiche Zusatzdaten. Herangezogen werden so genannte "Lifestyle-Daten", die aus Gewinnspielen stammen: Wie oft verreist man im Jahr? Wohin? Was kauft man ein? Informa versichert jedoch: "Wir verpflichten unsere Kunden vertraglich, dass keinem Verbraucher nur aufgrund eines schlechten Score-Wertes irgendein Vertrag verweigert oder gekündigt werden darf." Dennoch wird ein Bewohner eines "ärmeren" Stadtteils schlechter behandelt als ein Villenbewohner.

Bezahlung je nach Wohngegend

In zahlreichen Webshops wie beispielsweise Mytoys.de gibt es je nach Kundenadresse unterschiedliche Bezahlungsmodalitäten. Während Kunden aus eher "ärmlichen" Gegenden nur per Nachnahme oder Vorauskasse shoppen können, zahlen Kunden aus Nobelvierteln via Rechnung. Ein Mit-Gesellschafter der Informa GmbH, die Schober Direct Media, erklärt: "Der neue Zielgruppen- und Datenkatalog zeigt systematisch Möglichkeiten auf, um bestehende Kunden noch genauer segmentieren sowie profitable neue Kunden gewinnen zu können." Die Schober-Datenbank bietet Zugriff auf 50 Millionen Privatadressen mit 2,2 Milliarden Zusatzdaten.

www.informa.de

www.schufa.de

ComputerPartner-Meinung:

Ein Score-Wert kann keine Bewertung einer Person darstellen, zumal viele Verbraucher in der Regel gar nichts davon wissen. Und wenn aufgrund eines schlechten Statistikwertes zu Ungunsten des Verbrauchers entschieden wird, ist das schon mehr als bedenklich. (kat)

Big Brother Award

Die Big Brother Awards wurden 1998 von Bürgerrechtsorganisationen ins Leben gerufen, um die öffentliche Diskussion um Privatsphäre und Datenschutz zu fördern. Seit 2000 wird der Preis auch in Deutschland an Personen, Firmen oder Organisationen verliehen, die nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen. Die Organisation und Verleihung der deutschen Awards übernimmt der FoeBuD-Verein. Durch die Awards soll die Öffentlichkeit auf die aktuelle Bedrohung des Rechts auf Privatsphäre aufmerksam gemacht werden. Zu den Preisträgern zählten in diesem Jahr unter anderem die Informa GmbH, Innenminister Otto Schily "für sein Eintreten gegen Bürgerrechte, Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung", die Softwarefirma Protectcom "für ihre Überwachungsprodukte" sowie Real Networks. (kat)

www.big-brother-award.de

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