Schambach: "Außer E-Commerce fassen wir nichts an"

31.01.2002
Intershop Communications hat im Jahr 1994 die Welt mit dem ersten Online-Shop beglückt. Jetzt "revolutioniert" das Unternehmen aus Jena die eigene Software.

Die Komplettlösung "Enfinity Multisite" ermöglicht es, alle elektronischen Shops eines Unternehmens auf einem System zu betreiben. Ein international tätiger Konzern kann beispielsweise die Shops sämtlicher Niederlassungen auf der Plattform integrieren. Fast zwei Jahre hat die Entwicklung des Systems gedauert. Die neue Lösung soll Intershop helfen, den Nettoverlust, der sich im dritten Quartal vergangenen Jahres auf 44,2 Millionen Euro belief, auszugleichen. Während der Aktienkurs nach unten raste und einer Gewinnwarnung die nächste folgte, hat der Softwarehersteller heimlich, still und leise überlegt, was er seinen Kunden noch verkaufen kann. Denn so viel war klar: Irgendwann ist der Vorrat an Händlern, die eine neue Shop-Lösung brauchen, weitestgehend erschöpft.

Da hat Intershop entdeckt, dass viele Unternehmen kleine, unabhängige Insellösungen für ihre unterschiedlichen E-Commerce-Aktivitäten oder Niederlassungen eingerichtet haben. Diese verursachen jetzt hohe Betriebskosten und sind schwierig zu warten. Zudem ist es wenig effizient, globale Änderungen auf jeder einzelnen Plattform gesondert vorzunehmen. Enfinity Multisite erlaubt es Unternehmen, alle vorhandenen elektronischen Shops von einer Plattform aus zentral zu steuern. "Es handelt sich hierbei um eine mandantenfähige E-Commerce-Software", beschreibt Stephan Schambach, Vorstandsvorsitzender von Intershop, das Produkt. Kunden hat der Geschäftsführer für die im November vergangenen Jahres gelaunchte Lösung auch schon gewonnen. Aber die wollen noch nicht namentlich genannt werden.

Die neuen Kunden sind die alten Kunden

Da bei den meisten Unternehmen kein Geld für teure Neuinvestitionen vorhanden ist, lockt sie der Thüringer Softwarehersteller mit einer Ersparnis von bis zu 50 Prozent aller laufenden E-Business-Kosten. Allerdings steht vor dem Sparen eine Investition an, die bei 300.000 Euro beginnt und nach oben vollkommen offen ist. "Es gibt zur Zeit wenige Unternehmen, die neue E-Commerce-Aktivitäten starten", erklärt Schambach sein Vertriebskonzept. "Deshalb wenden wir uns an bestehende Kunden."

Ein möglicher Kandidat für die Neu-Entwicklung ist beispielsweise Bosch. Dort verkaufen voneinander unabhängige Geschäftsbereiche die unterschiedlichsten Produkte unter dem gleichen Markennamen. Durch die Integration der verschiedenen Online-Aktivitäten in ein System ließen sich laufende Kosten einsparen.

Früchte der Investition

Eine Schwierigkeit vieler Shop-Betreiber ist die Aufgabe, aus verschiedenen Inhalten eine Webseite zu gestalten. Die Bilder, Tabellen und Texte der Seite kommen zudem meist aus unterschiedlichen Abteilungen. Um die einzelnen Fragmente zu einer Seite zusammen zu basteln, liefert Intershop ein entsprechendes System gleich mit. "Enfinity-Content-Management" ist integraler Bestandteil der Komplettlösung. Laut Schambach ist das System speziell auf die Intershop-eigene E-Commerce-Plattform ausgerichtet: "Es besteht hier keine Konkurrenz zu am Markt vorhandenen Systemen. Es ersetzt das eigentliche Content-Management-System eines Unternehmen nicht", so Schambach. Anderer Ansicht ist hier Intershops Chefentwickler Frank Gessner: "Unternehmen, die ihren Internet-Auftritt nur zu Verkaufszwecken unterhalten, benötigen kein weiteres Content-Management-System mehr", stellt er fest.

Entwickelt hat die Software das Berliner Startup-Unternehmen Subotnik, das Intershop im August 2000 aufkaufte. "Dies sind nun die Früchte des Firmenkaufs. Die Mitarbeiter der Firma haben das Content-Management-System komplett neu für die Enfinity-Plattform entwickelt", erklärt Schambach.

Durch E-Procurement zur Komplettlösung

Außer dem Content-Management-System kam noch "Enfinity E-Procurement", eine Software für die elektronische Beschaffung, neu hinzu. "In den meisten Unternehmen sind Ein- und Verkauf voneinander getrennt. Unsere Lösung verbindet die beiden Bereiche", so Schambach. Damit sind alle E-Commerce-Aktivitäten in einem Gesamtkonzept gebündelt. Die E-Procurement-Lösung ist bereits bei der Schweizer Bundesbahn und dem B2B-Marktplatz Allago im Einsatz. Einen Wettbewerb zu anderen E-Procurement-Ansätzen sieht Chefentwickler Gessner nicht: "Viele Entwickler arbeiten an einer ähnlichen Lösung, SAP beispielsweise. Zu denen stehen wir allerdings nicht in Konkurrenz."

ComputerPartner-Meinung:

Um am Ball zu bleiben, müssen Unternehmen viel Geld in neue Strategien investieren. Sind die Kassen leer, besinnen sich die meisten gezwungenermaßen aufs Sparen. Intershop hat den Unternehmen dabei geholfen, viel Geld in viele unterschiedliche Shops zu investieren. Und auch jetzt lässt der Software-Hersteller seine Kunden nicht allein. Zwar müssen die schon wieder investieren, aber dafür erhalten sie das Versprechen, bis zu 50 Prozent ihrer laufenden E-BusinessKosten einzusparen. Findet Intershop genügend Kunden, bei denen die Spar-Rechnung aufgeht, hat der Shop-Verkäufer gute Chancen, aus der eigenen Schuldenfalle zu entkommen. (ce)

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