SMB-PCs - ein nagelneuer Markt oder doch nur der "Mittelstand für Arme"?

04.03.1998

HANNOVER: Die Branche hat ein neues Schlagwort. Nach "Soho" oder dem neuentdeckten "Mittelstand", spielt derzeit jeder Hersteller, der etwas auf sich hält, mit dem Begriff "SMB" herum. Denn im Small-/Medium-Business, so hoffen die Hersteller - allen voran Compaq, Hewlett-Packard und Intel - ist noch Potential: "Da ist noch richtig Geld zu holen".Im vergangenen Jahr konnte man keinen PC-Hersteller auf der CeBIT besuchen, ohne daß nicht mindestens ein Geschäftsführer oder Vertriebsleiter mit leuchtenden Augen "DEN MITTELSTAND" mitsamt den dort erhofften Verkaufsmöglichkeiten pries. So, als hätte es ihn die Jahre zuvor nie gegeben.

Genau das gleiche passierte auf der CeBIT 98 mit den SMB-Kunden: Irgendwo angesiedelt zwischen "Soho" und "Mittelstand" gibt es noch etwas, entdeckten findige Marktexperten. Und das ist der "SMB"-Kunde. Kaum war der Name für die Zielgruppe gefunden, betrat auch schon Compaq das Parkett, nahm die Dienste eines Marktforschungsinstitutes für die Definition und Analyse des Marktes in Anspruch und kam zu einem klaren Schluß: "Marktführerschaft angestrebt".

SMB, das bedeutet zunächst ganz schlicht das Geschäft mit Kunden, die für kleine oder mittelgroße Unternehmen IT-Produkte kaufen.

Jeder Hersteller hat seine eigene Definition von SMB

Experten erwarten, daß bis zum Jahr 2000 mehr als die Hälfte aller PC-Käufe in diesem Segment getätigt werden", reibt sich Compaq-CEO Eckhard Pfeiffer schon voller Vorfreude auf das Geschäft die Hände. Deshalb gibt es bei dem PC-Riesen auch schon spezielle SMB-Partnerschaften, SMB-Produkte, SMB-Finanzierungshilfen, SMB-Programme für Vermarktungspartner und Services speziell für den SMB-Markt.

Dabei drängt sich die Frage auf, wo man den Markt für das Small-/Medium Business in Zahlen ansiedeln soll. Acer-Geschäftsführer Klaus M. Muuß beispielsweise hat die Erfahrung gemacht, daß viele seiner Kollegen ihre alten Mittelstandsdefinitionen nur ein wenig nach unten hin korrigierten und das Ergebnis nun SMB nennen. Oder, wie es der Vertriebsmann eines PC-Herstellers lapidar auf dem CeBIT-Stand formulierte: "Das ist der Mittelstand für Arme". Compaq, die sich mit einem Marktanteil von elf Prozent bereits weltweit an erster Stelle unter den Anbietern wähnen, definierten den Markt mit "Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern". Bei Intel letztendlich heißt es, der SMB-Bereich umfasse Betriebe mit weniger als 100 Angestellten. Fujitsu tanzt gleich gänzlich aus der Reihe und nennt die gleiche Zielgruppe kurzum "SME" (Small/Medium Enterprises) und so geht es weiter.

US-Marktforscher entdecken neue Märkte

Doch trotz aller Definitionsabweichungen - spätestens seit der CeBIT wurde spürbar, wie sehr die Begeisterung über den neuen Markt bereits von den USA nach Deutschland übergeschwappt ist. Dankbar nehmen die Hersteller hierzulande die Ergebnisse diverser US-Marktforschungsunternehmen zur Kenntnis, die ihnen ein wahres El Dorado versprechen: Laut IDC beschäftigen fast 80 Prozent der kleinen Unternehmen (zwei bis 100 Mitarbeiter) in den USA (rund 7,2 Millionen Betriebe, dazu noch 13,8 Millionen Familienbetriebe) weniger als 20 Mitarbeiter. In Europa gibt es 16 Millionen solcher Kleinbetriebe, darin arbeiten 58 Prozent aller Beschäftigten, die laut Compaq-Chef Pfeiffer "überproportional zum Bruttosozialprodukt beitragen". Und die gilt es nun, mit aller Marketingkraft zu bearbeiten. Schließlich haben anderen Marktforschungsunternehmen zufolge nur 51 Prozent dieser Unternehmen einen oder mehrere PCs installiert.

Eine weitere Studie - ebenfalls aus den USA - liefert sogar gleich gute Verkaufsargumente für IT-Produkte an diese Klientel: Laut Marktforschungsunternehmen Charles River Strategies sind Firmen, die Informationstechnologie einsetzen, produktiver. So läge beispielsweise der Pro-Kopf Umsatz in der Finanzbranche bei Unternehmen ohne PC bei 58.000 Dollar. Sind mehrere PCs im Betrieb installiert, setzt ein Mitarbeiter im Jahr bereits durchschnittlich 91.000 Mark um und wenn gar ein Netzwerk installiert sei, dann steige der Umsatz pro Mitarbeiter auf 100.000 Dollar.

SMB ist eine Chance für den Fachhandel

Intel schließt daraus: "Durch leistungsfähige Computer, Netzwerk-Lösungen und das Internet können kleine Unternehmen heute sogar großen Wettbewerbern die Stirn bieten." Und wittert neue Märkte: "Untersuchungen von Marktforschungsunternehmen haben gezeigt, daß viele Geschäftsführer und Führungskräfte kleiner Firmen nur wenig über neue Technologien und ihre Chancen für ihr Unternehmen wissen - oder der Ansicht sind, daß es ihnen an Geld, Zeit und Erfahrung mangelt, um sich damit auseinanderzusetzen."

Hier, so werben die Hersteller unisono um die Sympathie des Fachhandels, "sei noch wirklich Geld zu verdienen". Denn SMB ist - derzeit auf jeden Fall - kein Tummelfeld für den Retailer, wie Compaq-, HP- und Intelmanager versichern. Die kleinen Unternehmen wollten beraten werden, brauchen Ansprechpartner vor Ort und schnelle Hilfe bei Problemen. Intel bietet daher jetzt seit dem 1. April weltweit ein entsprechendes Weiterbildungsprogramm für IT-Händler an, das auf mehr Service-, Support- und Beratungsangebote für kleine Unternehmen ausgerichtet ist.

Vertriebspartner erhalten spezielle SMB-Schulungen

Natürlich ist auch Compaq mit entsprechenden Partnerkonzepten dabei: Das angekündigte Service- und Supportprogramm für SMB-Kunden ist Bestandteil der Compaq Entrepreneur Solutions und soll durch die Vermarktungs- und Servicepartner des Herstellers erbracht werden. Speziell für Europa tüftelten die Compaq-Strategen an einem Konzept für einen "How-to"-Telefon-Support, der von den Vertriebspartnern noch im laufenden Jahr in Paketen für fünf, zehn oder 25 Anfragen vertrieben werden soll.

Das Produkt, so der Hersteller, liefert SMB-Kunden Unterstützung für Standalone- sowie Netzwerkbetriebssysteme und kann sowohl für Windows NT als auch für Netware eingesetzt werden (zu SMB im Netzwerkbereich, siehe auch Seite 48 in dieser Ausgabe).

Erste Serviceprogramme für die SMB-Klientel hat Compaq bereits in Nachbarländern gestartet: In Großbritannien gewährt der Hersteller über seine Vermarktungspartner Server-Support mit einer Reaktionszeit von vier Stunden. Damit ist auch bald in Deutschland zu rechnen. Ebenso wie der neue "Carry-in and Delivery"-Service, der gerade in Frankreich gestartet wurde. Dabei gewährleistet Compaq - wiederum über seine Partner, daß Fehler bei Mobilrechnern entweder innerhalb von zwei Tagen behoben werden - oder der Kunde erhält ein neues Notebook.

Solche neuen Programme ergänzen aber im Prinzip nur die "Mittelstandskonzepte" der Hersteller in den letzten zwei Jahren. Es hat praktisch nur eine Umtaufe stattgefunden. "In den vergangenen Jahren hat Compaq keine Kosten und Mühen gescheut, um seine SMB-Vermarktungspartner bei ihrer Arbeit zu unterstützen", lobte jetzt beispielsweise Joachim Prinz, General Manager bei Computer 2000, seinen Lieferanten. Nur, daß SMB eben erst seit sehr kurzer Zeit in Deutschland auch SMB heißt.

Im Grunde, so ein Branchenkenner, sei das ganze Getue um SMB sowieso nur darauf zurückzuführen, daß die Amerikaner, die diesen Markt zuerst absteckten, kein passenderes Wort für ihren Mittelstand haben. "Und da hier ja alles adaptiert wird, was aus USA kommt, verwirren sich die Anbieter jetzt wieder gegenseitig." (du)

"Speziell auf die Anforderungen mittelständischer Unternehmen zugeschnitten": Der Cordant Server von Fujitsu kostet den Endkunden rund 2.500 Mark.

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