Standpunkt

06.10.1999

Es ist schon ein Glück, daß wir die Marktforschungsinstitute haben. Woher sollten wir sonst wissen, daß E-Commerce der Markt der Zukunft ist - auch wenn im Moment damit noch niemand so recht Geld verdient. Oder daß der Markt für Medizintechnik ein ganz wichtiger wird - irgendwann. Oder welcher Hersteller 1998 Marktführer bei Datenbanken war - mit klarem Abstand natürlich. Nur mit den Zahlen der Marktforscher können wir unseren Kunden die Sieger empfehlen. Problematisch wird dieser Segen allerdings, wenn sich die Marktauguren nicht darauf einigen können, wie der Markt tatsächlich aussieht. Der Datenbankmarkt ist dafür in der Tat ein hervorragendes Beispiel. Im Moment kloppen sich nämlich IBM undOracle um den ersten Platz - beide unterstützt von namhaften Marktforschern.

"Dataquest: IBM die klare Nummer eins im Datenbankmarkt", prangt es auf einer Pressemeldung von IBM. "IDC bestätigt die Position von Oracle als weltweite Nummer eins unter den Datenbankherstellern", schießt die Presseagentur von Oracle kurze Zeit später zurück. Was soll der Markt nun davon halten? Soll er Dataquest glauben oder IDC, führt denn nun IBM oder Oracle?

Für die Oracle-Sprecherin Chari Lazaridis ist die Sache sonnenklar: "Die von IBM berichteten Zahlen vereinen Unix und NT mit allen Lizenzen und Wartungsverträgen - unsere Zahlen enthalten dagegen nur Lizenzeinnahmen. IBM macht seinen Umsatz zum großen Teil mit Mainframe- und AS/400-Systemen. Die Software dazu ist meistens geleast, und der Umsatz wird mit Wartungsverträgen gemacht." IBM dagegen sieht die Sache ganz anders: "Dataquest hat die Umsätze aus dem gesamten DBMS-Markt genommen. Wie diese zustande kommen, ist doch egal. Und wir haben 1998 damit mehr Umsätze generiert - folglich Oracle überholt." Laut Dataquest hat IBM 32,3 Prozent des DBMS-Marktes und Oracle nur 29,3 Prozent. Laut IDC hat Oracle aber im selben Markt 40,4 Prozent und IBM nur 17,8 Prozent. Der Markt und damit auch die versammelte Händlerschaft sitzen in der Klemme - was stimmt denn nun?

Die Lösung des Problems ist einfach: Sowohl IBM als auch Oracle sind gut im Geschäft. Wer tatsächlich auf Platz eins und wer auf Platz zwei landet, ist doch eigentlich egal. Es kommt immer darauf an, wie man den zu betrachtenden Markt definiert. Zählt man jetzt zum Umsatz nur die tatsächlich verkauften Lizenzen, oder zählt man die laufenden Leasingverträge inklusive Services dazu? Und letzten Endes, liebe Marktführer, werden Eure Produkte doch nicht gekauft, weil Ihr den Konkurrenten auf dem Papier "auf die Plätze verweist"

(Oracle), sondern wenn sie die Anforderungen Eurer Kunden erfüllen.

In einem Punkt übrigens sind sich die beiden Zankhähne einig. Microsoft liegt weit abgeschlagen auf Platz drei - einmal mit 10,2 Prozent (Dataquest) und einmal mit 5,1 Prozent (IDC). Trotz "vier Jahren Bemühen" (Oracle) kann der Softwaregigant noch lange nicht an die Spitze heranreichen - und das freut sowohl Oracle als auch IBM diebisch.

Gabriele Nehls

gnehls@computerpartner.de

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