Studie watscht den Fachhandel ab: Verkaufschancen werden verschenkt

26.09.1997
MÜNCHEN: Glaubt man einer aktuellen Testkaufstudie, dann haben die Großflächenmärkte in Sachen Service und Beratung gegenüber dem Fachhandel mächtig aufgeholt. Insgesamt fällt das Zeugnis der Analysten aber für alle Verkäufer schlecht aus: Nur jeder zweite Kunde fühlt sich gut bedient. Die schlechtesten Noten kassierten die Warenhäuser.Der deutsche Facheinzelhandel verschenkt systematisch Verkaufschancen. Obwohl er seine spezifischen Stärken, wie zum Beispiel freundliche und kompetente Betreuung bewahrt hat, haben die Verbrauchermärkte in vielen Bereichen der Serviceorientierung erheblich aufgeholt. In der Gesamtzufriedenheit der Kunden liegen mittlerweile die Großflächenanbieter bereits schon auf demselben Niveau wie der Facheinzelhandel. Jeder zweite Kunde (47 Prozent) ist sowohl im Facheinzelhandel wie auch in Großmärkten mit dem Einkaufsvorgang zufrieden. Wenig zufrieden sind die deutschen Kunden besonders mit der Betreuung im Warenhaus.

MÜNCHEN: Glaubt man einer aktuellen Testkaufstudie, dann haben die Großflächenmärkte in Sachen Service und Beratung gegenüber dem Fachhandel mächtig aufgeholt. Insgesamt fällt das Zeugnis der Analysten aber für alle Verkäufer schlecht aus: Nur jeder zweite Kunde fühlt sich gut bedient. Die schlechtesten Noten kassierten die Warenhäuser.Der deutsche Facheinzelhandel verschenkt systematisch Verkaufschancen. Obwohl er seine spezifischen Stärken, wie zum Beispiel freundliche und kompetente Betreuung bewahrt hat, haben die Verbrauchermärkte in vielen Bereichen der Serviceorientierung erheblich aufgeholt. In der Gesamtzufriedenheit der Kunden liegen mittlerweile die Großflächenanbieter bereits schon auf demselben Niveau wie der Facheinzelhandel. Jeder zweite Kunde (47 Prozent) ist sowohl im Facheinzelhandel wie auch in Großmärkten mit dem Einkaufsvorgang zufrieden. Wenig zufrieden sind die deutschen Kunden besonders mit der Betreuung im Warenhaus.

Das sind die zentralen Ergebnisse von über 500 Testkäufen im Facheinzelhandel, der Großfläche sowie im Warenhaus, die das Münchner Trainingszentrum für Führung und Verkauf Mercuri International Deutschland im Zeitraum vom März 1996 bis Mai 1997 durchführte, und zwar branchenübergreifend.

Nur 30 Prozent der Käufer fühlen sich gut bedient.

Abgefragt und in einer Rangskala bewertet von 1 (unzufrieden beziehungsweise nicht zutreffend) bis 5 (sehr zufrieden beziehungsweise voll zutreffend) wurden Servicekriterien wie Kontaktaufnahme, Verkaufstechnik, Kundenorientierung, fachliche Kompetenz und generelle Zufriedenheit. Diese lag beim Fachgeschäft wie auch den Verbrauchermärkten beim Durchschnittswert von 3,3 (,,teilweise zufrieden"), im Warenhaus zeigten sich die Kunden mit dem Durchschnittswert von 2,7 ,,wenig zufrieden".

,,Der Fachhandel schneidet zwar bei den meisten Servicekriterien am besten ab, erreicht aber auf Grund der höheren Erwartungshaltung des Kunden in bezug auf Beratung nur das gleiche Gesamtergebnis wie die Großfläche, bei der der Preisvorteil eine wichtige Rolle spielt", kommentiert Mercuri-Geschäftsführer Rolf-Michael Bienert das Ergebnis seiner bundesweiten Testkaufstudie.

Langes Warten auf Betreuung; Mitarbeiter nicht geschult

Während im Warenhaus nur sieben Prozent der Kunden überhaupt begrüßt und nur 13 Prozent aktiv angesprochen werden, erfolgt im Fachhandel in 80 Prozent der Fälle ein freundliches ,,Guten Tag". Allerdings dauert es im Fachhandel bis zum eigentlichen Gesprächsbeginn im Durchschnitt drei Minuten (im Warenhaus fünf Minuten, bei Großmärkten bis zu acht Minuten). Der realistische ldealwert für zufriedene Kunden liegt laut Mercuri bei maximal zwei Minuten. Im Warenhaus ist eine Begrüßung ebenso unüblich (nur sieben Prozent der Fälle) wie eine aktive Ansprache (13 Prozent).

Schlechter als die Großflächenanbieter schneidet der Fachhandel insbesondere bei der Fähigkeit ab, Preise oder Preisunterschiede zu begründen. ,,Die Durchschnittswerte verdeutlichen, daß im Fachhandel ebenso wie im Warenhaus kaum ein Verkaufsmitarbeiter entsprechend geschult ist", so Mercuri. Erhebliche Defizite und Versäumnisse zeigt die Testkaufstudie auch im Bereich der Zusatzverkäufe. Im Fachhandel wird nur jeder siebte Kundenkontakt für den Versuch eines Zusatzverkaufs genutzt, im Warenhaus jeder achte. Die Chancen für Zusatzverkäufe werden danach in Verbrauchermärkten bei jedem vierten Kundenkontakt mit Abstand am besten genutzt.

Gute Beratung im Großflächenmarkt

Während Freundlichkeit und Empathie nach wie vor die Pluspunkte des Fachhandels sind (Durchschnitts-"Schulnote" 2 minus, im Vergleich zu "3 plus" für die Großfläche und "3 bis 4" im Warenhaus), hat die Großfläche in Beratung und fachlicher Kompetenz erheblich aufgeholt. "Hat es der Kunde geschafft, einen Verkaufsmitarbeiter auf sich aufmerksam zu machen, bietet die Großfläche oft die ausführlichste Beratung. Die Fachleute nehmen sich Zeit für ihr Spezialgebiet", meint Nadja A. Morasch, Leiterin von Mercuri Research. So lag die durchschnittliche Dauer des Verkaufsgesprächs bei beratungsintensiven Artikeln auf der Großfläche bei über 15 Minuten, gegenüber knapp 14 Minuten im Fachhandel und etwa 9 Minuten im Warenhaus.

"Der Fachhandel nutzt seine spezifischen Vorteile viel zu wenig und verschenkt erhebliche Verkaufschancen durch ein mangelndes Angebot

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