Syquest-Konkurs: Wechselmedien-Hersteller mit dem Rücken zur Wand

11.12.1998

MÜNCHEN/FREMONT: Der Notanker "Gläubigerschutz" (Chapter 11) dürfte Syquest wenig nützen. Doch die Wechselplatten-Konkurrenz hat keinen Grund, sich am vorübergehenden Hochschnellen ihrer Marktanteile zu erfreuen. Sie steht angesichts der Speicheralternativen CD-R, CD-RW, billige Festplatten und Internet-Datenversand mit dem Rücken zur Wand.Wie im kalifornischen Syquest-Hauptquartier in Fremont geht auch in der Münchener Deutschlandfiliale des einstigen Wechselplattenkönigs niemand mehr ans Telefon. Ob das Unternehmen, das in den USA am 10. November nach vier Jahren fortwährenden Verlustes "Gläubigerschutz" gemäß Chapter 11 beantragt hat, noch eine Chance hat, ist für Marktkenner zweifelhaft.

"Syquest hat den Markt einfach überschätzt. Er war längst nicht so groß, wie man in Fremont glaubte", meint etwa Jim Porter, Herausgeber des Fachblattes "Disktrend". Ihn bestätigen nicht nur die 217 Millionen Dollar Verluste, sondern auch ein Blick auf Konkurrenten Iomega. Der durch seine "Zip-Laufwerke" bekannte Wechselplatten-Marktführer kämpft ebenfalls um sein Überleben. Über 700 der rund 5.800 Mitarbeiter mußten im Sommer dieses Jahres gehen, die ersten drei Quartale 98 (Stichtag 30.9.) endeten mit einem Verlust von 73,3 Millionen Dollar bei einem Gesamtumsatz von 1,2 Millarden Dollar.

Intranets, Internet wiederbeschriebbare CDs

Der Grund für die Malaise der Wechselplatten-Hersteller liegt auf der Hand: Der Markt für dieses Medium (Cartridges) droht zu verschwinden. Neue Medien wie einmal- und wiederbeschreibbare CDs (CD-R und CD-RW) sind deutlich billiger als die Wechselplatten. Gerade mal drei bis vier Mark kostet das einmalige Brennen von 650 MB Kapazität; etwa 23 Mark aber sind für 100 MB Zip zu berappen. Zwar versucht Iomega, diesem Nachteil durch das Vertreiben der Laufwerke zum Selbstkostenpreis zu begegnen, doch zu Selbstkostenpreisen werden auch CD-Brenner in den PC-Markt gewuchtet.

Zum zweiten aber droht der Durchmarsch von Unternehmens-Intranets der Domäne der Wechselplatten, dem gemütlichen firmeninternen Transport großer Daten quer durch Abteilungen, den Garaus zu machen. "Wer noch den Hausboten mit Cartridges rumschickt, lebt in einem vergangenen Zeitalter", bringt ein Marktbeobachter sarkastisch die Situation auf den Punkt.

Allein der externe Versand von Daten und das feste Speichern von Daten bleibt als Cartridge-Markt. Doch auch komprimierte Daten über das Internet zu versenden, wird immer üblicher, zudem sind immer häufiger backupfähige CD-Rom-Server in Unternehmen anzutreffen. Und da extrem billige Festplatten auch das letzte Argument für Wechselspeicher, nämlich Platz zu sparen, zweifelhaft machen, muß jetzt Marketing allein dafür sorgen, daß die verbliebenen Anbieter - Iomega, Imation und sogar Neuanbieter Sony mit der 200-MB-Entwicklung und möglichen 3,5-Zoll-Disketten-Nachfolger HIFD (High Capacity Floppy Disk) - ihre Produkte losschlagen können. Der Fall Syquest aber zeigt, daß Marketing einem verschwindenden Markt nicht auf die Beine hilft (siehe Kommentar, Seite 6). (wl)

Der Syquest-Absturz an der Börse zeigt der Wechselplatten-Konkurrenz die Marktentwicklung. Quelle: Bloomberg L.P.

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