Tech Data hat noch eine längere "Dürst-Strecke" vor sich

15.05.2003

Auf der Handelsveranstaltung "Tech-Data-Forum" vergangene Woche in München stellte sich die "neue" Tech Data vor. "Die "neue" Tech Data?", fragte sich mancher Besucher, "habe ich da etwas verpasst?" Keine Bange, das "neue" ist nicht wörtlich zu verstehen, sondern nur im übertragenen Sinne; es soll den neuen Geist, den neuen Spirit, die neue Motivation, die neue Kraft des Distributors symbolisieren.

20 Jahre nach der Gründung des Unternehmens befindet sich der lange Zeit absolut dominierende IT-Großhändler in Deutschland nicht in der besten Verfassung. Es ist müßig, sämtliche Fehler und Versäumnisse der vergangenen Jahre aufzuzählen. Tech Data oder vormals Computer 2000 hat genau das mitgemacht, was viele Firmen in einer vergleichbaren Marktstellung erlebt haben: Im Gefühl der eigenen Großartigkeit und Unangreifbarkeit hat das Unternehmen den Biss verloren. "Das Unternehmen" bedeutet natürlich die Mitarbeiter bis hinauf ins Management. Wenn zu der Arroganz des Erfolgreichen taktische Fehler hinzukommen, dann kann es so schnell bergab gehen, dass einige Mitarbeiter dies erst merken, wenn sie ihre Kündigung auf dem Tisch haben.

Seitdem Andreas Dürst vor einigen Wochen das Kommando über Tech Data Zentraleuropa übernommen hat, scheint bei dem Distributor wieder ein anderer Wind zu wehen. Der Vortrag des Schweizers auf dem Tech-Data-Forum war insofern besonders interessant, als er schonungslos die bisherigen Fehler des Unternehmens aneinander reihte. Seine Bestandsaufnahme fiel so hart und ungnädig aus, dass ihn am Anschluss an seine Rede ein Tech-Data-Kunde fragte, warum er das Unternehmen so schlecht mache.

Natürlich war die brutale Aufzählung der Fehler auch eine Anklage der Deutschland-Geschäftsführung. Kein gutes Zwischenzeugnis für Martin Furuseth, seit Anfang 2002 als Geschäftsführer in der Münchener Baierbrunner Straße. Nachdem sein Kollege Martin Löffler bereits im März überraschend aus dem Unternehmen ausschied, war im Markt immer wieder die Frage zu hören, wie lange Ex-Compaq-Geschäftsführer Furuseth wohl noch die Stellung halten könne. Zur Erinnerung: Noch vor einem Monat hat Dürst der deutschen Geschäftsführung sein "uneingeschränktes Vertrauen" attestiert (siehe ComputerPartner 15/03, Seite 38).

"Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung", sagt man. Nach der Rede von Dürst auf dem "Forum" hat man den Eindruck, dass Tech Data diesen ersten Schritt getan hat. Das ist positiv. Positiv nicht zuletzt für den Markt, also für den IT-Handel. Denn ein Wettbewerb von zwei starken Distributoren ist für ein gesundes Marktgefüge wichtig.

Allerdings ist Einsicht aber auch nur der "erste" Schritt zur Besserung. Das reicht bei weitem noch nicht aus. Die harte Arbeit kommt erst noch. Ein Bergsteiger, der auf einen Achttausender will und feststellt, dass er schwere konditionelle Mängel hat, braucht Monate, um erst einmal seine Form wieder aufzu-bauen. Das Wichtigste aber ist, die Begeisterung wiederzufinden, den Willen, den Gipfel des Berges auch wirklich zu erreichen. In einem Unternehmen wie Tech Data ist dies natürlich aufgrund der Komplexität und der vielen Menschen, die man dafür benötigt, noch weitaus schwieriger.

Daher ist damit zu rechnen, dass Tech Data in Deutschland noch eine längere "Dürst-Strecke" vor sich hat.

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