Technologiebremse Hardware

04.06.2000

Der kometenhafte Aufstieg des PCs (Personal Computer) beruht zum größten Teil auf seiner Innovationsfestigkeit. Von Anfang an waren die Entwickler darauf bedacht, dass auch auf den neuesten Maschinen vorhandene ältere Software weiter benutzt werden konnte. Dies genoss unter sämtlichen Umständen absolute Priorität.

Heute erhält dieses Dogma jedoch einen Knacks. Schlimm genug, dass ein älteres Betriebssystem auf dem PC nicht funktioniert, es kann den Rechner sogar zerstören. Die Rede ist von der Kombination aus Vias neuem KX-Chipsatz und Windows 95A. (Lesen Sie dazu auch den Artikel auf Seite 10)

Die Ursache dieses Fehlers liegt in der Vergangenheit. Mit Windows 95 wurde erstmals plug and play (Frei übersetzt: einstecken, und es funktioniert) für den PC eingeführt. Damit sollte der Rechner automatisch Hardwarekomponenten erkennen und in sein System einbinden können. Fachleute wandelten den Spruch um in plug and pray (einstecken und beten), da die Hardware-Erkennung in den Pionierzeiten echte Glücksache war. Mit Windows 95, Version B, wurde die Hardware-Erkennung schon weitaus besser. Und ab Windows 2000 soll die Hardware-Erkennung praktisch fehlerfrei arbeiten.

Doch schon mit dem ersten Release von Windows 95 mußte das Betriebssystem für die Hardware-Erkennung mit dem Bios zusammenarbeiten und die ermittelten Daten der gefundenen Steckkarten im Bios ablegen.

Bei den neueren Versionen von Windows sind die üblichen Kinderkrankheiten von plug and play nach und nach ausgemerzt worden. Bios-Entwickler lehnten sich zurück und programmierten nur für die neuen Versionen des Betriebssystems. An Windows 95A mit seinen proprietären Plug-and-play-Routinen dachte niemand mehr. Und nun kommt der Crash. Bios-Daten werden in einem Bereich überschrieben, auf den das Betriebssystem normalerweise keinen Zugriff hätte. Damit ist der Rechner praktisch tot. Nur durch Ausbauen des Bios-Bausteins und anschließende Neuprogrammierung läßt sich das Board wieder beleben. Erstmalig kann damit durch Software ein Board auch hardwaremäßig zerstört werden.

Ist das der Preis, den wir für den Fortschritt der Computertechnologie zahlen müssen? Jeder möchte seinen Computer so einfach wie irgend möglich bedienen. Und tritt einmal ein Fehler auf, ist das Geschrei groß. Doch wer möchte heute noch DOS-Befehlszeilen in seinen PC eintippen? Wenn sehr viele Menschen an einem System arbeiten, kann sich immer ein Fehler einschleichen, der mehr oder minder größere Konsequenzen nach sich zieht. "Gefahr erkannt, Gefahr gebannt", heißt ein altes Sprichwort.

Der Fachhandel hat jetzt die Aufgabe, den Kunden darauf hinzuweisen, Windows 95A auf keinen Fall auf PCs mit dem neuen Via-Chipsatz aufzuspielen. Denn von der Industrie werden keinerlei Warnhinweise auf der Verpackung zu finden sein. Und ist das Board erst mal kaputt, will es hinterher wieder keiner gewesen sein. Der Kunde wird zum Fachhändler laufen und das defekte Board reklamieren.

Hans-Jürgen Humbert

hhumbert@computerpartner.de

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