Teles und Gravis: Hersteller kauft Händler

13.01.2000

Wer schon im Urlaub war, bekam die Nachricht vielleicht gar nicht mit: Einen Tag vor Heiligabend teilte die Teles AG mit, dass sie Deutschlands größten Apple-Händler, die Gravis AG, nebst ihrer Tochter HSD GmbH übernehmen werde. Und zwar komplett. Ein interessanter Vorgang.

Denn es handelt sich um nichts anderes, als dass ein Hersteller einen Händler übernimmt. Das ist auch eine Möglichkeit, einen Direktvertrieb aufzubauen. In Zukunft verfügt Teles über 22 Verkaufs-Filialen in Deutschland, alle im eigenen Besitz. Nun kann die Akquisition eines Vertriebspartners und noch viel mehr eines Filialisten aus der Sicht des Herstellers durchaus Sinn machen. Dann zum Beispiel, wenn der Hersteller ein bestehendes Distributions- und Vertriebsproblem nicht anders lösen kann. Also wenn sein Händlernetz zu dünn ist, wenn er die falschen Händler hat, wenn seine Produkte vom Handel nicht im gewünschten Maße gewürdigt werden und so weiter. Eins kann bei Teles als sicher gelten: Mit derzeit neun Distributoren, die Teles-Produkte vertreiben, ist der Berliner Hersteller sicher nicht unterdistribuiert. Allerdings beschränkt sich diese Zusammenarbeit in erster Linie auf die Produktgruppe ISDN-Karten, -Boxen und -Telefone.

Mit der Akquisition von Gravis will Teles nach eigener Aussage vor allem den eigenen Internet-Mehrwertdienst "Sky DSL" sowie den Internet-Domain-Service der Tochterfirma Strato stärker nach vorne bringen. Hier haben sich die Berliner sicher von der Mobilcom AG inspirieren lassen, die sich vor wenigen Monaten mit dem PC-Filialisten Comtech AG ebenfalls eine breitere Absatzbasis verschafft haben.

Bei der Akquisition von Gravis durch Teles handelt es sich um ein teures Vergnügen mit ungewissem Ausgang. Denn zum einen muss man sich fragen, ob man sich unbedingt gleich eine Kuh kaufen muss, nur weil man einen Liter Milch haben will. Aber bitte, wenn das Geld vorhanden ist. Was viel bedenklicher stimmt, ist die Tatsache, dass der neue Gravis-Eigentümer keine Erfahrung in der Führung eines Handelsbetriebes und noch viel weniger eines Filialisten hat. Dass das ins Auge gehen kann, steht außer Frage.

Vor allem in einer Zeit, in der die PC-Filialisten ohnehin unter Druck stehen. Escom, Schadt und Systematics (wie Gravis auf Apple konzentriert) haben bekanntlich die Bücher für immer zugeklappt, Comtech ist ebenso verkauft worden wie Vobis. Wer überleben will, braucht ein professionelles Management von Leuten, die etwas vom Fach verstehen. Dass Teles die Gravis-Geschäftsführung im Amt belässt und über einen Aktientausch in die weitere Entwicklung der Gesellschaft einbindet, ist sicher vernünftig. Nur: Gravis-Chef Archibald Horlitz wird sich daran gewöhnen müssen, dass in Zukunft ein anderer als er das letzte Wort haben wird. Da kann der Freund - Teles-Vormann Sigram Schindler - auch ganz schnell zum Gegner werden. Spätestens dann, wenn sich der Gewinn - er soll bei Gravis von einer auf drei Millionen Mark in diesem Jahr ansteigen - nicht so entwickelt wie von Schindler erwartet, wird der im Scheinwerferlicht der Analysten und Anleger stehende Berliner Professor handeln.

Damian Sicking

dsicking@computerpartner.de

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