Token-Ring-Merger: Interview mit Madge-Deutschland-Chef Friedel

09.09.1999

NEU-ISENBURG: Die dänische Olicom hat ihren gesamten Token-Ring-Bereich an ihren unmittelbaren Konkurrenten Madge Networks verkauft. Im Gespräch mit ComputerPartner-Redakteur Ronald Wiltscheck erläutert Thomas Friedel, Manager Operations Central Europe bei Madge Networks, die Motive für diese Übernahme.

Herr Friedel, mit Olicom haben Sie Ihren einzigen ernsthaften Konkurrenten im Token-Ring-Umfeld geschluckt. Agieren Sie jetzt in diesem Markt ganz allein?

Friedel: Das sehe ich nicht so. IBM ist nach wie vor ein ernsthaft zu betrachtender Token-Ring-Hersteller. Auch Nortel mit 120 Millionen Dollar an reinem Token-Ring-Umsatz und 3Com mit 95 Millionen sind nicht zu verachten. Diese Unternehmen propagieren nur Token Ring nicht so nach außen.

Aber von IBM hat man in diesem Zusammenhang schon lange nicht mehr gehört.

Friedel: IBM zieht sich keinesfalls aus dem Geschäft zurück. Das macht auch der Deal mit Cisco deutlich, bei dem Big Blue Ende August sein Engagement im Token-Ring-Umfeld nochmals betont hatte. HSTR-Adapter (High-Speed-Token-Ring) wird IBM weiterhin liefern. Aber sogar wenn sich all unsere Mitbwerber vom Markt zurückziehen sollten, wären wir in der Lage, diesen allein zu beliefern.

Mit Barzahlungen an Olicom, die abhängig sind von der Höhe Ihrer eigenen Token-Ring-Umsätze, gehen Sie ein gewisses Risiko ein. Denn was passiert, wenn Sie mit ehemaligen Olicom-Kunden keine Geschäfte mehr machen? Und wie hoch beläuft sich dieser Tribut?

Friedel: Den eigentlichen Prozentsatz, den wir an Olicom entrichten müssen, kann ich Ihnen nicht nennen. Aber er betrifft unseren gesamten mit Token-Ring-Produkten zu erzielenden Umsatz. Und natürlich hoffen wir unseren Umsatz steigern zu können.

Um wieviel denn?

Friedel: Wir hoffen, dieses Jahr allein mit Token-Ring-Produkten etwa 400 Millionen Dollar umsetzen zu können, gegenüber 250 Millionen im Vorjahr.

Das wäre ja fast eine Verdoppelung!

Friedel: Ja, und nachdem der Gesamtmarkt für Token Ring sich auf 1,4 Milliarden Dollar beläuft, würden wir fast ein Drittel davon abdecken können, als der unangefochtene Marktführer.

Sie setzen als einziger Hersteller ausschließlich auf Token Ring und ATM.

Friedel: Das ist ganz klar unser Fokus. Eine Hälfte des mit Token-Ring-Produkten erzielten Umsatzes entfällt auf Adapter, die andere auf die Netzwerk-Infrastruktur. Zwar spielt auch der Bereich Video-Networking eine immer bedeutendere Rolle, doch wächst dieser Markt in Deutschland nur sehr langsam. So machen wir fast drei Viertel unseres Geschäfts mit Token-Ring-Komponenten.

Ist diese Monokultur nicht gefährlich? Was ist, wenn Ihre Kunden Richtung Ethernet migrieren wollen?

Friedel: Kunden migrieren natürlich zu Ethernet, manche überlegen es sich aber noch und warten die Entwicklung in Richtung High Speed Token Ring ab. Ein Ethernet-Abenteuer wollen wir keinesfalls wiederholen, da sind wir schon einmal mit der Übernahme von Lannet böse auf die Nase gefallen. (Madge verkaufte Lannet später an Lucent, Anmerkung der Redaktion). Kunden, die strategisch in Richtung Ethernet migrieren, aber ihre Token-Ring-Infrastruktur teilweise noch behalten wollen, können wir mit zumindest mit Komponenten beliefern, die eine Kombination von Token Ring und Ethernet möglich machen. So bedienen wir diese Kunden beispielsweie mit Fast-Ethernet-Einschubmodulen für bestehende Token-Ring-Switche.

In diesem Bereich ist Olicom stark vertreten.

Friedel: In der Tat. Olicoms Translational-Bridging-Produkte helfen uns da sehr weiter. Sie waren auch ein wichtiger Grund für die Übernahme. Denn wir wollten uns nicht Richtung Ethernet orientieren, sondern unsere Marktposition auf dem Token-Ring-Gebiet verstärken. Hier erhoffen wir uns durch den Merger starke Synergie-Effekte - vor allem was die Olicom-Technologie, insbesondere das Chip-Design betrifft. Ferner wollen wir die Entwicklungsressourcen bündeln. Olicoms Produkte ergänzen ganz gut unser Portfolio. Und nach unserem klaren Bekenntnis zu Token Ring und der Bekanntgabe von Olicom, ihre Technologie verkaufen zu wollen, war für uns die Fusion der einzig logische Schritt. Nicht zu verachten ist ferner die Kundendatenbank von Olicom, von der wir nur profitieren können.

Aber die Anzahl der installierten Token-Ring-Ports wird doch eher abnehmen. Die von ComputerPartner durchgeführten Marktumfragen führen zu dem Schluß, daß neue Kunden für Token Ring nicht zu gewinnen sind. Da ist schon viel Überzeugungsarbeit zu leisten, um bestehende Netzwerke mittels HSTR zu erweitern.

Friedel: Dem kann ich tatsächlich nichts entgegensetzen. Ein Wachstum wird von Dell'Oro und ICD nur noch im Switching-Bereich prognostiziert. Hier sehe ich aber ein großes Potential für unsere Produktpalette.

Thomas Friedel, Zentraleuropa-Verantwortlicher bei Madge: "Olicom-Produkte ergänzen unsere Palette."

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