Umfrage: Deutscher Informatik-Nachwuchs ist schwer vermittelbar

18.04.2006
Von ne-na.de 
Der Pool an ausreichend qualifizierten Absolventen wird als zu klein bewertet, die wichtigsten Unternehmensvertreter bescheinigen den Hochschulabsolventen mangelnde Fach- und Methodenkompetenz.
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Die Ausbildung des Informatiknachwuchses in Deutschland steht seit langem im Kreuzfeuer der Kritik. Nach einer Umfrage der Unternehmensberatung Accenture bei Führungskräften der 70 führenden IT-Unternehmen fällt das Ergebnis niederschmetternd aus: Der Pool an ausreichend qualifizierten Absolventen wurde als zu klein bewertet, die Unternehmensvertreter bescheinigen den Hochschulabsolventen mangelnde Fach- und Methodenkompetenz.

"Die deutschen Hochschulen sind immer noch zu wissenschaftlich ausgerichtet", so Udo Nadolski, Geschäftsführer des Düsseldorfer IT-Beratungshauses Harvey Nash. Viele Berufsanfänger seien deshalb kaum vermittelbar, weil "sie nicht gut genug, nicht breit genug, nicht praxisbezogen genug" sind. Nadolski nennt ein Beispiel: "Die meisten IT-Fachkräfte gehen doch heute ins Projektgeschäft, sprich in die Beratung. Und dafür braucht man BWL-Kenntnisse, unternehmerisches Denken und sogenannte Soft Skills." Beim Einbau derartiger Module in ihre IT-Lehrpläne seien die deutschen Universitäten ungefähr so dynamisch wie "schwerfälliger Tanker", so Nadolski.

Die Folgen für den Arbeitsmarkt seien paradox, denn prinzipiell ziehe die Konjunktur für Informationstechnik an und es "wimmelt an offenen Stellen." Nur viele deutsche Bewerber hätten keine Chance. "Das ist im "Jahr der Informatik" eine inakzeptable Lage. In Deutschland herrscht noch die Illusion, dass wir nur auf der Kostenseite mit Billigkonkurrenz aus Osteuropa oder Asien rechnen müssen. Diese Vorstellung ist veraltet. In Zukunft werden wir uns einem Qualitätswettbewerb stellen müssen. Indien bildet hoch qualifiziertes IT-Personal aus. Weltanteil Asiens bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen steigt unaufhörlich. In zehn bis fünfzehn Jahren werden die Asiaten sogar die Amerikaner überholt haben. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen. Im System der Wissenschaft erzeugtes Wissen muss unternehmerisches Wissen werden. Öffentlich-rechtliche Elfenbeintürme können wir uns nicht mehr leisten. Wenn wir an dieser Misere nichts ändern, wird uns bald ein unangenehmer Trend überraschen", prognostiziert Nadolski.

Schon jetzt würden Teile der klassischen Software-Entwicklung ins Ausland verlagert oder der IT-Nachwuchs werde direkt an ausländischen Universitäten rekrutiert. Seine Analyse deckt sich mit der Studie von Accenture. 30 Prozent der IT-Unternehmen planen derzeit, Hochschulabsolventen aus dem Ausland einzustellen, um sie in Deutschland einzusetzen. "Das können wir uns nicht leisten bei rund fünf Millionen Arbeitslosen. Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Bildung müssen jetzt Hand in Hand gehen und den Weg bereiten für eine unternehmerische Wissensgesellschaft, die sich von den fest gefügten Berufsbildern verabschiedet", fordert Michael Müller, Geschäftsführer der a&o-Gruppe, die sich auf IT-Dienstleistungen spezialisiert hat. Alle staatlichen Einrichtungen und auch die Hochschulen müssten sich als "katalytischer" Unternehmer verstehen. Ein Blick zum MIT in Boston, zur Universität Cambridge oder zu israelischen Universitäten genüge, um zu verstehen, wo die Reise hingehen müsse. (www.ne-na.de/mf)

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