"Unsere Rücklaufquote liegt im positiven Mittelfeld"

09.08.2001
Nach Veröffentlichung eines Artikels in ComputerPartner (27/01, Seite 12) nimmt Hermann Oberlehner, CEO der Gericom AG, im Gespräch mit den ComputerPartner-Redakteuren Damian Sicking, Cornelia Hefer und Hans-Jürgen Humbert Stellung zu Vorwürfen und Kritik von Endkunden sowie Wettbewerbern.

Herr Oberlehner, wie laufen Ihre Geschäfte?

Oberlehner: Überraschend gut - trotz Ihres Artikels.

Laut IDC haben Sie im zweiten Quartal starke Einbußen hin-nehmen müssen. Im ersten Quartal haben sie nach Angaben von Dataquest noch 50.500 Notebooks in Deutschland abgesetzt. Im zweiten waren es nach vorläufigen Ergebnissen von IDC nur noch 27.000. Fast die Hälfte weniger!

Oberlehner: Ich weiß nicht, wie IDC zu dieser Zahl kommt. Nach Angaben von Dataquest haben wir im zweiten Quartal fast 40.000 Geräte abgesetzt, und diese Zahl stimmt.

Im ersten Quartal 2001 waren Sie der Shootingstar - gerade etablierte Anbieter wurden aufgescheucht. Jetzt hört man, Sie wollen in Zukunft keine Absatzzahlen mehr veröffentlichen. Warum nicht?

Oberlehner: Seit wir die Zahlen nach außen geben, hat sich für uns vieles verändert. Wir werden jetzt mit Aussagen von Wettbewerbern und auch Gerüchten konfrontiert. Die Entscheidung ist zwar noch nicht endgültig, aber wahrscheinlich werden wir keine Zahlen mehr nach außen geben.

Ihre Wettbewerber - insbesondere die A-Brands - werfen Ihnen vor, dass Sie mit Ihrer aggressiven Preispolitik die Margen im Notebook-Geschäft ruinieren. Was sagen Sie dazu?

Oberlehner: Wir sind mit Sicherheit nicht der günstigste Anbieter im Markt: Es gibt immer noch zwei, drei Unternehmen, die aggressiver sind als wir.

Welche Unternehmen sind das?

Oberlehner: Zum Beispiel Natcomp, die mehr aus dem Tagesgeschäft heraus agieren. Außerdem ist der Vorwurf, dass wir die Margen zerstören, nicht richtig, weil wir unsere Angebote nicht an Corporate-Accounts richten. Wir adressieren ausschließlich den Consumer-Bereich. Unsere Partner arbeiten mit wenigen Prozent Aufschlag und verkaufen direkt an den Endkunden - vielleicht erscheinen unsere Angebote daher so aggressiv. Wenn Compaq seine Notebooks über Lidl verkauft, liegen die Geräte schließlich auch 2.000 Mark unter dem Händlerpreis.

Dennoch werden Ihre Wettbewerber, die das B2B-Segment bedienen, mit der Frage von ihren Unternehmenskunden konfrontiert , warum Gericom-Notebooks bei Media-Markt mit einer ähnlichen Ausstattung billiger sind. Das gesamte Preisgefüge kommt dadurch ins Schleudern.

Oberlehner: Die Frage ist doch: Wer kommt als Erstes mit einem günstigen Angebot auf den Markt? Wir bedienen den deutschen Markt, wie wir es für richtig halten, und wir laden auch kleinere Händler ein, bei uns mitzumachen - keiner ist ausgeschlossen.

Wie schaffen Sie es denn, preislich aggressive Produkte anzubieten und dabei trotzdem profitabel zu arbeiten?

Oberlehner: Wenn man aggressive Preispunkte setzt, wird einem von außen immer unterstellt, dass man etwas weglässt. Fakt ist, dass wir seit zehn Jahren auf kostengünstige Strukturen setzen: Wir zahlen eine günstige Miete in Linz, es gibt keine großen Dienstwagen, unsere Hierarchien sind flach, und wir investieren nur wenig Geld in die Werbung. Außerdem achten wir darauf, dass wir keine Zahlungsausfälle haben, und das lässt eine enge Kalkulation - mit vier oder fünf Prozent Aufschlag - zu.

Sie sparen also und stecken jede Mark in die Schokolade. Sparen Sie auch an Ihren Produkten oder den verwendeten Komponenten?

Oberlehner: Nein, ich habe jede Menge Unterlagen dabei, um das zu untermauern. Jedes unserer Geräte durchläuft verschiedene Teststufen. Das beginnt bereits in Taiwan und geht über CE-Zertifizierungen bis zum Landesgewerbeamt (LGA). In unserer Qualitätssicherungs- oder Serviceabteilung haben wir 70 Mitarbeiter, welche die Produkte überprüfen.

Mit welchen Lieferanten arbeiten Sie in Taiwan zusammen?

Oberlehner: Wir haben in Taiwan vier Lieferanten, die uns Notebook-Bauteile oder vorgefertigte Note-books liefern. Mit drei dieser Unternehmen arbeiten wir bereits seit zehn Jahren zusammen. Das heißt, wir haben großen Einfluss auf die Produktion: 70 Prozent der B-Brand-Notebooks haben das klassische Gericom-Design. Der Webboy beispielsweise, mit der eingebauten Keramikplatte, taucht jetzt auch bei Samsung auf. Unsere Komponenten beziehen wir von Intel, Toshiba-Harddisk, Siemens/ Schweiz und Samsung-Display.

Derzeit führen Sie ja auch Verhandlungen mit AMD ...

Oberlehner: Das ist korrekt. AMD bietet erstmals eine mobile CPU an, die für uns interessant ist: mit 25 Watt.

Wir haben hier ein Zertifikat von der Landesgewerbeanstalt Bayern für die Gericom AG und das Produkt Webboy 14,1-Zoll, 1GHz, mit den eingebauten Komponenten vorliegen. Können Sie denn garantieren, wenn Sie 10.000 dieser Notebooks verkaufen, dass alle die gleichen Spezifikationen haben?

Oberlehner: Ja. Bevor wir für Lidl oder Media-Markt einen Großauftrag in die Serienproduktion geben, werden von einem Ingenieurbüro in Taiwan ohne Vorankündigung Samples entnommen. Die bereits in Taiwan vorgetesteten Geräte gehen dann nach Deutschland zum Landesgewerbeamt. Und erst dann, wenn alles okay ist, beginnt die Serienproduktion.

Was ist, wenn ein Modell nachgeordert wird und Ihr Lieferant für Festplatten, zum Beispiel Fujitsu, kann nicht liefern, und Sie greifen stattdessen auf Toshiba zurück? Dann müssen Sie die EMV-Prüfung doch noch mal machen.

Oberlehner: Als Anbieter verlässt man sich nie auf nur einen Lieferanten, sondern gibt meistens Geräte mit zwei verschiedenen Komponenten zur Zertifizierung. Das Kritische sind heute auch nicht die Harddiscs, sondern die Displays. Aber auch hier haben wir dann einen A- und einen B-Lieferanten. Außerdem werden die Geräte nicht nur vor der Serienproduktion geprüft, sondern aus jeder Lieferung, die Taiwan verlässt, werden einzelne Geräte nochmals überprüft. Wird dann von Asic oder EMV festgestellt, dass Testwerte überschritten werden, muss das vom jeweiligen OEM erneut überarbeitet werden.

Wenn Sie so sorgfältig vorgehen, wie erklären Sie sich dann Meldungen im Markt von exorbitant hohen Rücklaufquoten bei den B-Brands?

Oberlehner: Zu Mitbewerbern kann ich natürlich nichts sagen. Bei unseren PCs haben wir beispielsweise nie das Qualitätsniveau erreicht wie jetzt bei den Notebooks. Denn Sie können nicht bei 100 Geräten den gleichen Aufwand betreiben wie bei 10.000 oder 100.000 Stück. Fakt ist, dass wir in Taiwan auf den gleichen Fertigungsstraßen produzieren wie Compaq, Toshiba oder NEC. Für die endgültige Qualität der Produkte ist natürlich jeder Brand selbst verantwortlich.

Wie hoch ist denn bei Gericom-Notebooks die Rücklaufquote?

Oberlehner: Laut unserer Servicefirma Sintec, die bisher 125.000 Stück betreut hat, und der Firma KPMG, einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen, haben wir eine Ausfallrate von 6,79 Prozent. Das heißt also: Von 100 Geräten haben nur sieben einen Hardwarefehler.

Können Sie mit dieser Zahl leben?

Oberlehner: Mobile Geräte sind kein Desktop oder Radiowecker, der am Bett steht. Ein Laptop ist im täglichen Gebrauch. Außerdem gibt es Aussagen im Markt, dass die A-Brands im Jahresdurchschnitt 15 Prozent Ausfallraten haben. Damit liegt unsere Rücklaufquote im positiven Mittelfeld.

Sie haben bereits erwähnt, dass Gericom auf den gleichen Fertigungsstraßen wie Compaq oder Samsung produziert. Heißt das, das Einzige, was die Notebooks unterscheidet, ist der Name, der schließlich auf dem Laptop klebt?

Oberlehner: Compaq haben Sie erwähnt, ich habe Samsung gesagt. Unsere Millennium-Serie wird beispielsweise dort produziert, wo auch die drei weltweit größten Notebook-Anbieter ihre Laptops bauen lassen, ohne dass ich jetzt Namen nennen möchte. Und bei den Geräten gibt es eigentlich keinen großen Unterschied.

Statt mobiler CPUs verwenden Sie ja Desktop-CPUs - das wird im deutschen Markt derzeit heiß diskutiert. Probleme, die dabei entstehen können, sind unter anderem Hitzeentwicklung und hoher Stromverbrauch, was sich wiederum auf die Akkuleistung auswirkt. Warum also verwenden Sie diese Komponenten?

Oberlehner: Wir haben damit im vergangenen September begonnen: Aus Intels Spezifikationen der CPU ging hervor, dass sie sich reibungslos - auch, was die Wärmeentwicklung betrifft - in Notebooks einbauen lässt. Die so genannte Flip-Chip-CPU läuft bis 70 Grad völlig okay, eine mobile CPU lässt sich bis 90 Grad verwenden. Es ist also eine Frage der Kühlung und wie Sie damit umgehen. Unsere Notebooks weisen an Unter- und Oberseite eine Gehäusetemperatur zwischen 43 und 45 Grad auf. Das haben wir vom LGA nachmessen lassen. Die von uns verwendete CPU in einem Notebook von 35 Millimeter Höhe lässt also durchaus einen Akkubetrieb von zwei bis 2,3 Stunden zu.

Intel spricht bei den mobilen Prozessoren von einer Oberflächentemperatur von 100 Grad, bei den Desktop-CPUs liegt die Temperatur zwischen 65 und 70 Grad.

Oberlehner: Das ist ja genau der Punkt: Sie müssen garantieren können, dass Sie die CPU bei 70 Grad fahren können. Deswegen kann man sie auch nicht in Note-books einsetzen, die nur 20 oder 25 Millimeter hoch sind. Beim Webboy zum Beispiel sind wir auf Nummer Sicher gegangen und haben eine Keramikplatte eingebaut, welche die Wärme gleichmäßig auf das ganze Notebook verteilt. Und Toshiba wird Ende August ein ähnliches Modell mit Desktop-CPU auf den Markt bringen .

Aber was hat die Entscheidung für diese CPUs ausgelöst?

Oberlehner: Erstens waren im September 2000 bei Intel keine mobilen CPUs verfügbar. Zweitens stellt der Consumer-Markt andere Ansprüche an einen Laptop als dies Unternehmenskunden tun - hier wird selten ein Notebook verlangt, das nur 20 Millimeter hoch ist. Drittens lassen die Spezifikationen der CPU eine Verwendung in Laptops zu, und viertens sind die mobilen Intel-CPUs einfach zu teuer.

Sie nennen Ihr Geschäftsmodell "auftragsbezogen". Das heißt, Sie starten die Produktion erst, wenn Sie Aufträge von Media-Markt, Promarkt oder Lidl in der Tasche haben?

Oberlehner: Genau. Wir sind natürlich auch davon abhängig, welche Werbeaktionen unser Kunde startet. Bei unserem Konzept wird nur sehr wenig Geld in den Sand gesetzt - auch ein Grund, warum wir die Produkte günstiger als die Mitbewerber anbieten können. Zudem entfällt die Lagerhaltung. Wir suchen auch immer Händler, die unser Geschäftsmodell verstehen: Derzeit sind wir im Gespräch mit PC-Spezialist, und wenn wir der Meinung sind, wir haben hier einen kontinuierlichen Partner für die Zukunft, dann kommen wir ins Geschäft.

Im After-Sales-Service haben Sie noch Nachholbedarf: Hier gibt es immer wieder Beschwerden über schlechte Erreichbarkeit und zu lange Reparaturzeiten. Nehmen Sie diese Beschwerden ernst?

Oberlehner: Wir wissen, dass wir nur mit zufriedenen Endkunden weiter wachsen können. Normalerweise federt der Fachhandel die Serviceprobleme ab. Dieser Puffer ist bei unseren Vertriebskanälen natürlich nicht gegeben. Das heißt, der Service muss auch in unseren Absatzkanälen noch besser werden. Obwohl ich behaupten möchte, dass dieses Thema im Großen und Ganzen gut läuft. Auch unsere Servicefirmen Sintec und Teleplan müssen hier ihren Job gut machen. Wir nehmen alle Beschwerden - und seien sie noch so klein - ernst.

Wir haben gehört, dass Gericom zum Jahresende auch PDAs auf den Markt bringen will.

Oberlehner: Ja, im vierten Quartal.

Können Sie dazu schon etwas sagen? Welches Betriebssystem werden Sie zum Beispiel verwenden?

Oberlehner: Die Lizenzen werden hier von den großen Anbietern nur sehr limitiert vergeben. Microsoft will hier natürlich - ähnlich wie bei den PCs - einen weltweiten Standard etablieren. Bisher sind die PDAs stark auf den Corporate-Bereich konzentriert. Im Consumer-Segment ist noch nicht klar, welche Funktionen der Endkunde braucht und möchte: Wir haben da gerade eine Studie mit der Universität München laufen, die das untersucht. Beim PDA-Betriebssys-tem könnte es sein, dass Microsoft nicht mehr als der Standard überhaupt respektiert wird.

Und worauf wird dann Gericom setzen?

Oberlehner: Die Chinesen zum Beispiel pfeifen auf Microsoft, weil die Amerikaner ihre Anforderungen nicht verstehen. PDAs sind in China aber wichtig: Notebooks können sich die meisten nicht leisten, auf der anderen Seite sind die Leute aber sehr mobil und spielfreudig. China hat mittlerweile seine eigenen Betriebssysteme, die wir gerade versuchen zu verstehen. Die Frage ist, ob sie von europäischen Kulturen angenommen werden. Wir haben jetzt die ersten Prototypen fertig - lassen Sie sich mal überraschen.

Einer Ihrer Wettbewerber Natcomp bringt im vierten Quartal ein Notebook mit Pentium 4. Was werden Sie da entgegensetzen?

Oberlehner: Die Lösung, die hier angedacht wird, ist kein einfaches Thema: Pentium 4 ist eine Desktop-CPU mit 40 beziehungsweise 50 Watt. In meinen Augen ist das zwar ein tragbarer PC, er verdient aber nicht den Namen Notebook.

Und was bringen Sie dann im vierten Quartal?

Oberlehner: Anfang September bringen wir eines der weltweit schnellsten Notebooks auf den Markt, für um die 4.000 Mark.

Was möchten Sie für die Marke Gericom im deutschen Markt noch erreichen?

Oberlehner: Mehr Vertrauen. Dass man versteht: Die Firma hat mehr zu bieten als nur günstige Preise. Immerhin beschäftigen wir rund 300 Mitarbeiter, wovon nur rund 25 dem Vertrieb zugeordnet sind. Die anderen arbeiten im Marketing, Service und in der Anwenderforschung. Außerdem möchten wir Gericom als europäische Marke auch in England und Frankreich etablieren. Und als Kunden werden wir weiter - sehr bewusst - die Zielgruppe zwischen 15 und 35 adressieren.

Umsazt in Q2 unter Q1

Absatz im zweiten Quartal unter Plan

Die Gericom AG erzielte im ersten Halbjahr 2001 einen Umsatz von rund 268,2 Millionen Euro. Das entspricht zwar einer Steigerung gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 83,8 Prozent. Im zweiten Quartal setzte der Anbieter aus Österreich aber deutlich weniger um als in den ersten drei Monaten dieses Jahres. Während Gericom für das erste Quartal noch einen Umsatz von 163 Millionen Euro melden konnte, blieben die Erlöse in Q2 bei rund 105 Millionen Euro hängen.

Ein ähnliches Bild zeigt der Blick auf die Absatzentwicklung. Im ersten Quartal lieferte Gericom mehr als 50.500 Notebooks aus und erreichte damit einen Marktanteil von 13,7 Prozent (Quelle: Dataquest). Dagegen sanken die Verkaufszahlen im zweiten Quartal nach vorläufigen Angaben von IDC auf 27.123 Notebooks, der Marktanteil schrumpfte auf 8,7 Prozent. Nach eigenen Angaben hat Gericom in Q2 39.596 Notebooks in Deutschland ab-gesetzt. Geplant war ein Absatz von rund 56.000 Stück. (bv/sic)

Who is who?

Hermann Oberlehner

Gericom-CEO Hermann Oberlehner, 46, hat das in Linz ansässige Unternehmen gegründet. Nach seiner Ausbildung zum Mechaniker und Meis-ter der Betriebstechnik machte der Manager seinen Abschluss an der Höheren Technischen Bundeslehranstalt für Maschinenbau; anschließend studierte er Betriebswirtschaft. Von 1986 bis 1989 war Oberlehner bei einem österreichischen Unternehmen der Schwerindustrie beschäftigt: Zuletzt trug er dort die Verantwortung als Projektleiter für die Einführung neuer Verfahren im Bereich innovativer Werkstoffe. Nach einer kurzen Beschäftigung als Geschäftsführer einer deutschen Computerfirma gründete Oberlehner 1990 die S plus S Marketing, Engineering and Computerproduction GmbH, aus der die heutige Gericom AG hervorging. Seit der Gründung des Unternehmens war Oberlehner Leiter der Geschäftsführung. Im Dezember 1999 wurde er zum Vorstandsvorsitzenden der Gericom AG bestellt. (ch)

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