Unternehmer tun sich schwer, aAngestellte Manager neben sich zu dulden

02.11.1999

MÜNCHEN: Familienunternehmen haben mit vielerlei Problemen zu kämpfen, von denen andere, "normale" Unternehmen verschont bleiben. Am häufigsten in der Öffentlichkeit diskutiert ist der Generationswechsel. Eine erstaunliche Tatsache, wenn man bedenkt, daß der Generationswechsel nur alle 40 Jahre ansteht. Es gibt Probleme, von denen Familienunternehmen viel häufiger bedroht sind. Johanna Joppe* beschreibt eines davon: den "Bann des Patriarchen".Der Bann des Patriarchen hat weitaus mehr Familienunternehmen an den Rand des Ruins gebracht als ein mißlungener Generationswechsel. Er trifft das Familienunternehmen meist dann, wenn es der Firma ohnehin schlecht geht. Aus dem Kreis der Familie ist keine Rettung zu erwarten, also wird ein Manager "von außerhalb" eingestellt. Der Fremdmanager soll neue Ideen ins Unternehmen bringen. Genau das tut er. Er öffnet neue Perspektiven und legt Konzepte zur Rettung des Unternehmens vor. Die Banken sind begeistert: "Damit kommen wir über den Berg."

Der Bannstrahl des Patriarchen

So weit kommt es nicht. Denn den rührigen Fremdmanager trifft nun der Bannstrahl des Patriarchen: "Sie haben doch keine Ahnung. Sie kennen sich doch gar nicht aus hier! Ich bin schon seit 30 Jahren in diesem Betrieb. Also vergessen Sie mal ganz schnell Ihre weltfremden Konzepte."

Sobald der Bann des Patriarchen zuschlägt, wechselt die Kommunikation zwischen Patriarch und Fremdmanager von der Sachebene auf die polemische.

Die ex- oder impliziten Dialoge laufen so ab. Patriarch: "Warum sollen wir ausgerechnet dies ändern? Wir machen das seit 100 Jahren so. Das hat sich bewährt." Manager: "Man kann auch 100 Jahre lang etwas falsch machen." Patriarch: "Sie in Ihrem Alter können das natürlich nicht verstehen." Manager: "Nein, so verkalkt bin ich noch nicht."

Die Banken stehen fassungslos daneben. Die Rettungskonzepte liegen vor, das Geld steht bereit - warum schlägt der Patriarch nicht ein? Weil er von Ambivalenz zerrissen ist. Einerseits braucht er den Fremdmanager, weil er sich selbst von Führungsarbeit entlasten möchte und kein Familienmitglied die Aufgabe übernehmen kann. Andererseits macht ihn diese Kränkung seiner Managerehre äußerst mißtrauisch gegenüber allem, was der Fremde sagt. Dieses Mißtrauen geht bis zur Informationssabotage. Es gibt hochrangige Fremdmanager in großen Familienunternehmen, die kennen noch nicht einmal den exakten Jahresumsatz. Auch deshalb ist die Fluktuation der Fremdmanager in Familienunternehmen deutlich höher als in vergleichbaren Positionen in der "normalen" Wirtschaft. Wer fliegt schon gerne blind und läßt sich danach auch noch die Schuld an der Bruchlandung in die Schuhe schieben?

Eigentlich ist es paradox: Ausgerechnet der Patriarch verhindert die Rettung seines eigenen Unternehmens. Warum? Woher kommt dieser bizarre Führungskurzschluß? Der Patriarch verweigert seinem Retter nicht aus bösem Willen die lebensnotwendigen Steuerungszahlen. Er kennt sie selbst nicht. Deshalb geriet er ja in die Bredouille. Viele Familienunternehmer wissen zwar,

- daß sich das Unternehmen rentieren muß, daß aber Liquidität der kurzfristige Engpaßfaktor ist. Doch es existiert kein exaktes Cash-Flow-Management, das die nach Zahlungsgewohnheit (nicht nach Zahlungsziel, ein häufiger Fehler) periodisierten Einnahmen den geplanten Ausgaben gegenüberstellt.

- wieviel Gewinn oder Verlust sie machen. Aber keiner weiß so genau, woher Gewinn oder Verlust kommen. Deshalb wird Geld für Penner ausgegeben, während Wachstumschancen bei Rennern vergeben werden.

- welche Umsatzziele fürs laufende Jahr gelten. Aber da diese Ziele nicht auf Verkaufssparten, Verkaufsgebiete, Produkte, Verkäufer, Kundengruppen und Verwendungen heruntergebrochen sind, reagiert man auf einen Markteinbruch immer falsch, zum Beispiel mit pauschalen Preisnachlässen.

Ähnlich schlecht sieht es bei der quantitativen Investitionsplanung, bei der Personalplanung, der Planung des Arbeitskapitals und der Tilgungsplanung aus. Die Zahlen, die vorliegen, reichen für eine zuverlässige Unternehmenssteuerung einfach nicht aus. Oft lassen sich Familienunternehmen allein durch das einmalige Ausrechnen und ständige Aktualisieren dieser sieben Schlüsselzahlen wie durch ein Wunder sanieren. Denn endlich sieht man, wohin das Geld wegfließt und woher es kommt. Der Fremdmanager weiß das und sagt das auch. Aber dabei stellt er sich argumentativ so ungeschickt an, daß der Patriarch - in seiner Ehre verletzt - auf stur stellt und seinen Bann ausstößt.

Fakten sensibel kommunizieren

Es reicht nicht zu wissen, welches Zahlengerüst für den Unternehmenserfolg nötig ist. Man(ager) muß dieses Wissen so kommunizieren können, daß der Patriarch es nicht als ehrenrührig empfindet, sondern idealerweise als persönliches Ziel akzeptieren kann. Man erreicht das beispielsweise dadurch, daß man das neue Faktenmanagement diplomatisch in Verbindung zur Mission des Patriarchen bringt: Erhalt des Familienunternehmens, Fortführung der Tradition, Verpflichtung gegenüber den Mitarbeitern und deren Familien...

Wann immer der Fremdmanager nicht nur weiß, wie ein verläßliches Zahlengerüst zur Unternehmenssteuerung aussieht, sondern das auch nach dem Win-win-Prinzip kommunizieren kann, steht ihm und dem Unternehmen eine sichere Erfolgszukunft ins Haus.

Der Kapitän geht zuletzt von Bord - um diese Situation zu vermeiden, bedarf es manchmal der Hilfe von außen.

*Johanna Joppe ist Mitinhaberin der Memconsult Unternehmensplanung und Controlling GmbH in Kutzenhausen.

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