Unterschiedliche IP-Dienste exakt abrechnen

05.07.2001
Sowohl unternehmensinterne Netzwerkdienstleister als auch Internet-Service-Provider werden zunehmend mit der Forderung konfrontiert, unterschiedliche IP-Dienste auch auf unterschiedliche Weise abzurechnen. Entsprechende Lösungen gibt es bereits auf dem Markt. Nun sind Systemintegratoren gefragt.

Eine E-Mail zehn Minuten früher oder später vom Server abzuholen ist in den seltensten Fällen von geschäftsrelevanter Bedeutung. Doch bei einem über das IP-Netz vermittelten Telefongespräch oder einer Videokonferenz kommt es unter Umständen auf Sekunden an. Umso wichtiger also, dass es sich für den Netzwerk-Provider lohnt, mit derartigen Diensten aufzuwarten und für deren Bereitstellung auch die entsprechende Vergütung zu erhalten.

Mehrwertdienste müssen sich bezahlt machen

Doch bisher hat der Service-Provider wenig Möglichkeiten, seinen Privat- und Geschäftskunden für Mehrwertdienste wie VoIP oder Media Streaming eine nachvollziehbare Abrechnung, Neudeutsch "Billing", anzubieten. Dieses ist ja im Telefoniebereich seit Jahrzehnten etabliert, setzt sich aber zunehmend auch im IP-basierenden Datenverkehr durch (siehe Grafik: weltweite Aufteilung der Billing-Märkte).

Wurden im vergangenen Jahr nur 4,5 Prozent der weltweiten Billing-Umsätze in reinen IP-Netzen generiert, so soll sich dieser Anteil bis 2005 auf fast 60 Prozent erhöhen. So wird sich auch die Anzahl der Anbieter und Dienstleister in diesem Marktsegment in den nächsten fünf Jahren signifikant erhöhen. Wer bereits auf diesem Feld tätig ist, hat naturgemäß die besten Chancen, in diesem jungen Business Erfolg zu haben.

Newcomer aus Osnabrück

Einer dieser "early adopters" des neuen Geschäftsmodells ist beispielsweise die Uni-x Software AG. Auf der diesjährigen Cebit erhielt die Osnabrücker Firma den ASP-Award für die praktikabelste Billing-Software. Besonders deren innovatives Preismodell hat es dem Sponsor der Auszeichnung, dem ASP-Konsortium, angetan.

Und namhafte Kunden hat Uni-x auch schon gewinnen können: so etwa Lufthansa, Commerzbank und die Deutsche Bank. Bei Letzterer erfasst das Billing-System "Open Informer" das gesamte E-Mail-Aufkommen und bricht das Ganze auf die Abteilungs- und Anwenderebene herunter. So kann das System jeder einzelnen Kostenstelle die zugehörigen E-Mail-Verkehrsmenge zuordnen und dementsprechend in Rechnung stellen.

Aber die Software der Uni-x AG vermag noch mehr: Sie sammelt die anfallenden Daten ein und bereitet sie anschließend auf - dies fällt unter den Bereich Mediation. Hinzu kommen noch die Tarifierung (Rating) und schließlich die eigentliche Rechnungsstellung (Billing). Technisch läuft dieser Vorgang so ab, dass "Agents" auf Daten der einzelnen Clients zugreifen - also etwa Benutzerrechte oder Konfigurationsdateien - und diese in einer einzelnen, zentralen SQL-Datenbank ablegen.

Collectoren sammeln Daten

Daten aus Quellen wie Proxy-Servern, Firewalls, Routern und Switches werden von speziellen, dort installierten Modulen erfasst, in Collectoren eingesammelt und anschließend an den "Global Accounting Master" (GAM) weitergereicht. Dieser kommuniziert wiederum mit der vorher erwähnten SQL-Datenbank und erhält somit einen genauen Überblick über den anfallenden Datenverkehr. Vorteil des Systems: Jedes versendete Datenpaket kann genau dem Verursacher zugeordnet werden.

Während die Agents lediglich auf Windows-NT/2000-Arbeitsstationen zugreifen, können die Module und Connectoren, aber auch der Global Accounting Master unter Sun Solaris ihr Werk verrichten. Dadurch, dass "Open Informer" mit offenen Schnittstellen (APIs: Application Programming Interfaces) arbeitet, ist diese Software relativ leicht in bestehende Netzwerk-Infrastrukturen integrierbar.

Diese Aufgabe vertrauen die Osnabrücker erfahrenen Systemintegratoren an und bauen deshalb auf einem indirekten Vertriebskonzept auf.

Einer dieser Billing-Partner ist seit einigen Wochen die Dortmunder Pro-DV Software AG. "Wir entschieden uns für Open Informer als IP-Billing-Plattform, weil wir diese Lösung für sehr ausgereift halten", so Wolfgang Klug, Key- Account-Manager Telekommunikation bei Pro-DV. "Außerdem handelt es sich bei Uni-x um eine deutsche Firma, somit entfallen die sonst üblichen Probleme im Umgang mit US-amerikanischen Softwareanbietern", setzt sich Klug für Deutschlands IT-Industrie ein.

Dabei glaubt auch der Pro-DV-Manager, dass IP-Billing stark im Kommen ist: "Nicht nur die Service-Provider werden daraus Nutzen ziehen, sondern auch große Unternehmen, die damit intern ihr Datenverkehrsaufkommen verrechnen können."

Komplettlösung für Netzwerkbetreiber

Weniger für Unternehmen, sondern eher für Service-Provider ist die Lösung von Narus gedacht. Dabei geht es um Breitband-Datenübertragungsdienste, etwa via DSL (Digital Subscriber Line) oder Kabel. Vor allem bei Letzterem scheint nach dem Verkauf der Kabelnetze durch die Telekom Bewegung ins Spiel gekommen zu sein. Neue Initiativen wie Packet Cable oder Open Cable, aber auch die sich langsam durchsetzenden Standards, etwa Docsis 1.1, sorgen für weiteren Auftrieb im kabelgebundenen Internet-Zugang.

Service-Provider können nun ihren Privat- und Geschäftskunden qualitativ hochstehende Dienste offerieren. Um diese differenziert in Rechnung zu stellen, muss die Quality of Services (QoS) permanent gemessen werden. Und genau hier greift die IBI-Plattform (Internet-Business-Infrastruktur) von Narus. Es handelt sich hierbei um eine End-to-End-Lösung für Netzwerkbetreiber und Service-Provider. Sie basiert auf der Semantic Traffic Analysis (STA) genannten Technologie des Herstellers.

Analyzer schluckt ein Drittel des Lichts

Damit können alle IP-basierenden Applikationen erfasst werden. Die eigentliche Arbeit besorgt ein Stück Hardware, ein Analyzer, der auf der Glasfaserverbindung dort sitzt, wo die gebündelten Daten beim Provider ankommen.

Ohne Verzögerung der Übertragungsgeschwindigkeit, aber mit einer Verringerung des Datendurchsatzes passieren die Daten den Analyzer. Dieser "schluckt" zwar etwa 30 Prozent der Lichtintensität, doch das habe laut Narus keinerlei Auswirkungen auf die weitere Datenübertragung.

Dabei unterstützt der Analyzer die gängigsten Netzwerkarchitekturen, angefangen bei allen Ethernet-Versionen über Packet-overSonet bis hin zu ATM. Damit ist dieses Gerät auch für den Einsatz in WANs geeignet. Mit den bekannten Sicherheitsstandards wie SSL (Secure Socket Layer) oder einer 64 Bit breiten PGP-Verschlüsselung kommt der Analyzer ebenfalls zurecht.

Wie teuer schließlich die verschiedenen IP-Dienste den Kunden zu stehen kommen, das legt die Billing-Mediation-Lösung von Narus fest. Hier kann der Service-Provider den Preis für die meistgefragten Services erhöhen, und da, wo es mit der Nachfrage seitens des Kunden noch hapert, mit den da-für verlangten Beiträgen entsprechend heruntergehen.

www.narus.com/partners

www.openinformer.com

ComputerPartner-Meinung:

Die Verlagerung der Sprachkommunikation auf IP-basierende Netze (Voice over IP) ist das eine, die korrekte Abrechnung des dadurch zusätzlich anfallenden Datenverkehrs das andere. Der Markt bietet zwar einige Lösungen zum Erfassen, Bewerten und Berechnen der Quality of Service (QoS), doch damit allein ist es nicht getan. Diese kombinierten Hardware-Software-Systeme müssen zuerst in die Netzwerkinfrastruktur des Kunden, sei es ein Unternehmen oder ein Service-Provider, implementiert werden. Wer als Systemintegrator hier zuerst einen Fuß in die Tür bekommt, hat gute Chancen, an einem lukrativen und rasch wachsenden Markt zu partizipieren. (rw)

Zur Startseite