VDMA/ZVEI sehen vor allem Software- und Servicemarkt als Wachstumsmotor

29.10.1998

MÜNCHEN: Rosige Zeiten für die deutsche IT-Industrie: Für dieses Jahr rechnet der Fachverband Informationstechnik im VDMA und ZVEI mit einer Umsatzsteigerung auf 92,8 Milliarden Mark. Gegenüber den 85,9 Milliarden Mark vom Vorjahr entspricht dies einer Steigerung von 8,1 Prozent. Und für das kommende Jahr wird gar der Sprung über die 100-Milliarden-Mark-Grenze prophezeit.Von dem erwarteten Wachstum profitieren laut Fachverbandsvorsitzendem Jörg Menno Harms, gleichzeitig Chef der deutschen Hewlett-Packard GmbH, alle Branchensegmente. Allerdings fallen die Steigerungsraten laut der Prognose von VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) und ZVEI (Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie) sehr unterschiedlich aus.

Während der Bereich Bürotechnik sowohl 1998 und 1999 nur geringfügig auf 5,5 beziehungsweise 5,6 Milliarden Mark wächst, entwickelt sich das restliche Hardwaresegment nach Worten von Harms vor allem durch das Geschäft mit Notebooks und NT-Servern dynamisch. Der Verband erwartet für 1998 ein Plus von 6,4 Prozent auf 38,8 Milliarden Mark, für 1999 einen Zuwachs um sieben Prozent auf 41,5 Milliarden.

Mit erstmals zweistelligen Wachstumsraten warten der deutsche Softwaremarkt und die IT-Services in diesem Jahr auf. Gegenüber dem Vorjahr wird der Umsatz mit Software um 10,1 Prozent auf 22,1 Milliarden Mark, 1999 um 10,4 Prozent 24,4 Milliarden zunehmen. Noch stärker entwickeln sich die Dienstleistungen, denen VDMA und ZVEI für 1998 gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs von 10,5 Prozent auf 26,5 Milliarden Mark und für das kommende Jahr einen Anstieg um 11,1 Prozent auf 29,4 Milliarden Mark in Aussicht stellen. Den Löwenanteil steuern dazu die Professional Services bei, die in diesem Jahr um 13,9 Prozent auf 19,3 Milliarden Mark und 1999 um 14,3 Prozent auf 22 Milliarden Mark zulegen werden.

Sehen lassen kann sich auch die Plazierung des deutschen IT-Marktes im Konzert der Weltmächte. Nach den USA, die mit einem Anteil von 42,6 Prozent unangefochten die Pole-position einnehmen, und Japan mit 14,1 Prozent rangiert Deutschland 1998 mit 7,1 Prozent auf Platz drei, hat das European Information Technology Observatory (EITO) errechnet. Insgesamt, so Geschäftsführer Bernhard Rohleder, werde der IT-Weltmarkt in diesem Jahr auf ein Volumen von 1,323 Billionen Mark kommen. "Damit hat die IT-Branche die Automobilindustrie überholt und ist auf Platz zwei vorgerückt. Nur noch die Tourismusbranche ist größer."

Mangel an qualifizierten Fachleuten bleibt ein Problem

Somit könnte in der weltweiten IT-Szene eitel Freude und Sonnenschein herrschen, wäre da nicht der leidige Arbeitskräftemangel. Fachverbandsvorsitzender Harms zeichnete denn auch auch ein trübes Bild. Weltweit fehlen in der IT-Industrie derzeit mehr als eine Million qualifizierte Arbeitskräfte, davon verzeichnen die USA 450.000, Europa rund 367.000 offene Stellen. In Deutschland, so Harms weiter, seien rund 60.000 Arbeitsplätze unbesetzt. Hinzu addiert werden müßten noch 15.000 Stellen, die angesichts des drastischen Defizits gar nicht erst ausgeschrieben würden. Seine ernüchterne Bilanz: "Deutschland braucht dreimal so viele Informatiker, wie von den Hochschulen ausgebildet werden."

Abhilfe erhofft sich der HP-Deutschland-Chef von der neuen Bundesregierung. "Sie hat sich den Wandel auf die Fahne geschrieben, wovon auch unsere Branche profitieren soll. Aber es müssen wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen getroffen werden, bei verbalen Bekenntnissen darf es nicht bleiben", sandte er in Richtung Bonn.

Zehn Forderungen an die Politik

Verlassen will sich der Fachverband IT im VDMA und ZVEI auf die wohlfeilen Worte der neuen politischen Macht allerdings nicht. Harms erklärte, man habe Koalitions- und Oppositionsparteien bereits einen Katalog mit zehn Forderungen der IT-Industrie vorgelegt. Darin plädiere man unter anderem für ein "Bündnis für die Bildung" bestehend aus Vertretern der Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und Bildungsträger. Damit wolle man erreichen, daß künftig auf jeder Schulbank ein PC mit Internet-Anschluß stehe und das computergestützte Lernen zum normalen Bestandteil des alltäglichen Unterrichts werde.

Neben der Bildung liegt den Verbandsleuten aus Frankfurt vor allem das Thema Electronic Business am Herzen. "Das ist eine Frischzellenkur für die Weltwirtschaft", betonte Harms. "Doch derzeit finden lediglich zehn Prozent der elektronischen Geschäftstätigkeit Europas in Deutschland statt." Einen Haupthinderungsgrund für den relativ niedrigen E-commerce-Anteil sieht er in den Internet-Zugangsgebühren, die hierzulande achtmal so hoch seien wie beispielsweise in den USA. Sie müßten deutlich gesenkt werden.

"Denn", konstatierte Harms, "wenn wir so weitermachen, werden wir auf dem globalen elektronischen Marktplatz nie eine relevante Rolle spielen." (bk)

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