Verkalkuliert - Finanzdienstleister NSE versucht Kehrtwendung

17.02.2000
Nicht genügend Mitarbeiter, die neue Software nicht rechtzeitig fertig, zu wenig Lizenzen verkauft, der Erlös im Keller - das vergangene Jahr stand für NSE Software unter keinem guten Stern. Jetzt muss der Anbieter von Finanzdienstleistungs-Programmen aus dem Schlamassel kommen.

Wir haben ein bewegtes Jahr hinter uns", sagt Friedrich Nerb, Vorstandssprecher der NSE Software AG. In der Tat, denn der Anbieter von Finanzdienstleistungslösungen hat kaum etwas von dem Vorgenommenen erreicht: Statt der geplanten 391 Mitarbeiter beschäftigte NSE nur 325. Deswegen verzögerte sich nicht nur die Software-Entwicklung, auch der Auftragseingang blieb unter Plan. Der anvisierte Umsatz von 41,4 Millionen Euro wurde um 19 Prozent unterschritten. Statt des für 1999 geplanten Gewinns vor Steuern in Höhe von 5,6 Millionen Euro realisierte NSE Software nur 2,9 Millionen Euro.

Kein Wunder, dass dies alles nicht ohne personelle Konsequenzen bleib. Nicht nur der Vorstandschef Manfred Nerb, auch der Vertriebsvorstand Peter Lohmann nahmen den Hut. Nerbs Bruder Friedrich übernahm die Sprecherrolle im Vorstand. Natürlich blieb der Aktienkurs von all diesen Dingen nicht unberührt. Er rauschte von knapp 30 Euro auf derzeit 11 Euro in den Keller. Und zu guter Letzt flog der Wert (zusammen mit anderen) auch noch aus dem Nemax, das Pendant zum DAX für den Neuen Markt. Höchste Zeit also für eine Strategieänderung.

"Als wir vor eineinhalb Jahren an den Neuen Markt gingen, waren wir ein typisch deutsches Familienunternehmen. Der Börsengang und die Internationalisierung waren ein anspruchsvoller Weg, da haben wir uns etwas übernommen", gesteht Peter Päselt, Finanzvorstand bei NSE, offen ein. Deshalb korrigierte der SoftwareAnbieter zuerst seine Planzahlen und kalkulierte nach unten.

Weil NSE nicht genügend Mitarbeiter gefunden hat, wurde das Hauptprodukt "Finas Enterprise" nicht so schnell entwickelt wie geplant. Die vorhandenen Mitarbeiter mussten sich mehr mit der Konzeption des Produkts auseinandersetzen und hatten weniger Zeit, existierende Komponenten zu verkaufen. Wegen der Verzögerung bei der Entwicklung verschoben die Kunden die Aufträge.

Um das größte Problem, die fehlenden Programmierer, in den Griff zu bekommen, beteiligte sich das Münchener Software-Haus an dem tschechischen Unternehmen SBT zu 85 Prozent. Die Prager Software-Schmiede stellt wie NSE Finanzdienstleistungs—Software her. Eine Niederlassungen in Köln und eine geplante in Chemnitz sollen das Ressourcenproblem ebenfalls lindern. Zudem arbeitete der Vorstand ein Motivationsprogramm aus, um die Mitarbeiter bei der Stange zu halten: Wer länger als zwei Jahre dabei ist, erhält 1.000 Aktien von den Altgesellschaftern.

Der Markt ist konsolidierungsreif

NSE kämpft aber nicht nur mit internen Schwierigkeiten, auch der Wettbewerb wird härter. "Der Markt wird schwieriger, weil die großen Player den Finanzdienstleistungssektor entdecken", berichtet Nerb. Derzeit sei der Markt noch stark fragmentiert und reif für eine Konsolidierung. Der größte Teil der Lösungen werde von hauseigenen IT-Abteilungen oder Systemintegratoren entwickelt. Doch sei ein starker Trend weg von der Eigenentwicklung hin zur Standard-Software erkennbar. Und das reizt natürlich Größen wie Oracle, SAP oder Siebel. Die lokalen Mitbewerber im Bankenbereich heißen CPU Softwarehouse AG und Genesis. CPU kämpfte im zweiten Halbjahr 1999 mit ähnlichen Schwierigkeiten, denn die Banken fingen wegen der Y2K-Prüfungen keine neuen Software-Projekte an. Die Geschäftsentwicklung blieb hinter den Erwartungen der Software-Anbieter zurück.

Im Versicherungssektor steht NSE Debis, MSG, FJA und PMSC gegenüber. Die Global Player hätten nur sehr wenig spezifisches Markt-Know-how, die lokalen Konkurrenten keine umfassende Finanzlösung zu bieten, stellt Nerb die Vorteile von NSE heraus. Jetzt muss er beweisen, dass die Maßnahmen greifen: "NSE muss das Vertrauen des Kapitalmarkts zurückgewinnen." (is)

www.nse.de

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