Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Auftraggeber

20.03.1998

HAMBURG: In einer Entscheidung aus dem Jahr 1996 (Urteil vom 23. Januar 1996 - X ZR 105/93) hatte sich der Bundesgerichtshof mit einer Frage zu beschäftigen, die in der Vergangenheit von vielen Softwareunternehmen wenig berücksichtigt wurde: Die Mitwirkungspflichten des Auftraggebers. In seinem Urteil verweigerte das höchste Gericht einem Auftraggeber sein Recht zur Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses, da dieser wesentlichen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen war.Folgenden Fall galt es zu entscheiden: Die Klägerin, Betreiberin eines Rechenzentrums, schloß mit der Beklagten, einer EDV-Anlagen - und Softwarehändlerin im Sommer 1987 einen Vertrag. Nach diesem erwarb die Klägerin einen Großrechner, durch den der vorhandene Rechner der gleichen Herstellerfirma ersetzt werden sollte. Darüber hinaus sah der Vertrag die erforderliche Umstellung auf den neuen Rechner im Verhältnis 1: 1 vor.

In der Folgezeit stellte die Beklagte einen Mitarbeiter ab, der zusammen mit Angestellten der Klägerin die Portierung der Software von dem ursprünglichen Rechner auf die neue Anlage in Angriff nahm. Diese Umstellungsarbeiten mißlangen zu dem vorgesehenen und vertraglich vereinbarten Termin. Die Klägerin setzte der Beklagten daraufhin schriftlich mehrere Fristen sowie eine letzte Nachfrist für die Umstellung mit der Androhung, im Falle des Nichtabschlusses der Arbeiten ein anderes Unternehmen einzuschalten.

Nachdem die Arbeiten bis zu der im Schreiben genannten Nachfrist nicht abgeschlossen waren, lehnte die Klägerin die weitere Erfüllung des Vertrags durch die Beklagte ab und forderte Schadensersatz wegen Nichterfüllung.

Bundesgerichtshof lehnt Schadensersatzforderungen ab

Der BGH negierte einen Verzug der Beklagten trotz der Nichteinhaltung der Termine, gab dem Schadensersatzverlangen der Klägerin nicht statt und verwies den Rechtsstreit zur Entscheidung an die untere Instanz. Ausgangspunkt für dieses Urteil war der Inhalt einer Auftragsbestätigung, aus dem sich von der Beklagten festgesetzte Mitwirkungshandlungen der Klägerin ergaben. Der Auftragsbestätigung war dabei unter anderem zu entnehmen, daß die eigentlichen Programmierarbeiten Sache der Klägerin waren; die Projektleitung, das heißt die Leitung der Umstellung und die Anleitung der Mitarbeiter, oblag hingegen der Beklagten.

Die Klägerin war dieser vertraglich festgesetzten Mitwirkungspflicht nach Angaben der Beklagten zunächst nicht ausreichend und später gar nicht nachgekommen. Diese Behauptung der Beklagten hatte die Berufungsinstanz unberücksichtigt gelassen, so daß die Entscheidung zurückverwiesen werden mußte.

Der Bundesgerichtshof stellte vor dem Hintergrund des Sachverhalts fest, daß der Grund des Verzugs zumindest auch in dem Fehlverhalten der Klägerin gelegen haben könne und sie deshalb nicht berechtigt gewesen sei, die Beklagte in Verzug zu setzen. Nur derjenige Vertragspartner, der sich selbst vertragskonform verhalte, sei berechtigt, aus nicht eingehaltenen Terminen Rechtsfolgen abzuleiten. Ein Schadensersatzanspruch bestünde mangels Verzugs daher nicht.

Vereinbarte Mitwirkungspflichten des Kunden einfordern

Unerwähnt blieb in dem Urteil des Bundesgerichtshofs, daß - sofern Mitwirkungspflichten des Kunden im Rahmen eines Vertragsverhältnisses vereinbart werden - diese auf jeden Fall eingefordert werden müssen, um hieraus Ansprüche abzuleiten. Aus Gründen der Beweissituation im Streitfall sollten gerade die kleineren und mittelgroßen Software-Häuser dazu übergehen, den Kunden kurz schriftlich aufzufordern, seinen Mitwirkungspflichten nachzukommen. In einem möglicherweise folgenden Rechtsstreit können diese Schreiben im Rahmen der Beweisaufnahme vorgelegt werden, so daß ein Beweisnotstand nicht auftreten kann.

Etwas anderes gilt für die Fälle, in denen bereits im Rahmen des Vertragstextes genaue Termine für die einzelnen Mitwirkungshandlungen gesetzt worden sind, da sich der Kunde beim Überschreiten der Termine in der Regel automatisch im Verzug befindet. Allerdings sollte man auch hier ein kurzes Schreiben an den Kunden richten und hierauf hinweisen.

Am Rande seiner Entscheidung stellte der Bundesgerichtshof noch einmal die häufig in der Praxis bei Vertragsverhandlungen auftretende Frage klar, daß es sich um einen einheitlichen Vertrag handle, wenn der Erwerber vom EDV-Anbieter zusätzlich zur Software die für die Programme vorausgesetzte Hardware kauft. Daher berechtige ein Verzug, ein Mangel oder ein ähnlicher Rechtsgrund zur Rückabwicklung des gesamten Vertrags, auch wenn sich diese nur auf einen Vertragsteil beziehen. Allein der Wille des Kunden, alle Leistungen aus einer Hand und damit aus einem Guß zu erhalten, bilde den entscheidenden Grund für ihre Zusammenfassung in einem Rechtsgeschäft, für dessen Durchführung die Erbringung der die Software betreffende Leistung eine unabdingbare und damit zur Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts führende Voraussetzung bilde.

Dr. Stefanie Müller ist Rechtsanwältin der Kanzlei Schubert & Müller in Hamburg.

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