Vertragsschluss im Internet

09.09.1999

MÜNCHEN: Einkaufen per Internet ist bequem. Einfach mit der Maus doppelklicken und schon ist der heißgewünschte Rechner oder das Ticket in den Urlaub bestellt. Doch wie ist die rechtliche Situation beim elektronischen Einkauf, wenn man die falsche Ware bestellt? Dirk Marquardt* erklärt, wann ein Vertrag rechtsverbindlich ist und wann er angefochten werden kann.Selbstverständlich können Verträge auch im Internet geschlossen werden, doch besteht unter den Internetnutzern noch eine große Verunsicherung darüber, wann tatsächlich ein rechtsverbindlicher Vertrag geschlossen wird und ob man sich bei Irrtümern von diesem Vertrag wieder lösen kann.

Dabei ist der elektronische Geschäftsverkehr zumindest rechtlich nichts grundlegend Neues. Mit den geltenden Rechtsvorschriften lassen sich die meisten Verträge per Internet genauso vereinbaren wie auf traditionellen Wegen.

Ein Vertragsschluß bedarf grundsätzlich mehrerer übereinstimmender Willenserklärungen (Angebot und Annahme). Das Warensortiment auf den Web-Seiten ist dabei mit der Schaufensterauslage eines realen Ladens vergleichbar. Die Ausstellung der Ware stellt lediglich eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots dar, schließlich weiß der Shop-Betreiber noch nichts über die Bonität seiner anonymen Kunden oder hat mit Lieferengpässen für die feilgebotene Ware zu kämpfen. Es ist also der Internetnutzer, der die Ware in den Warenkorb legt und mit einem Mausklick dem Shop-Betreiber das rechtsverbindliche Angebot zum Kauf übermittelt. Nimmt der Shop-Betreiber dieses Angebot an, etwa durch Zusendung einer entsprechenden E-Mail, ist der Vertrag zustande gekommen.

Die Willenserklärungen können also nicht nur schriftlich und mündlich, sondern im WWW per Mausklick oder durch Drücken der Return-Taste oder mit der Erteilung des Sendebefehls einer E-Mail auch digital abgegeben werden. Die Besonderheit dieser Willenserklärungen im Internet besteht darin, daß zum Zeitpunkt ihrer Herstellung oder ihrer Übermittlung kein aktives menschliches Handeln erfolgt und es den Anschein hat, daß der Computer die Erklärung abgibt. Gleichwohl ist die Erklärung als Willenserklärung zu qualifizieren, wenn sie letztlich auf dem menschlichen Willen des Anlagebetreibers beruht und dieser sich die hergestellte Erklärung zurechnen lassen muß.

Digitale Signatur nicht gleich Unterschrift

Doch nicht alle Verträge lassen sich per Mausklick schließen. So hat der Gesetzgeber zum Beispiel für Bürgschaftserklärungen (ñ766 BGB) und Verbraucherkreditverträge (ñ4 Verbr

KrG) die Schriftform samt eigenhändiger Namensunterschrift vorgesehen, um den Konsumenten vor übereilten Handlungen zu schützen. Eine schriftformgebundene Erklärung kann elektronisch nicht übermittelt werden, da es schon an der eigenhändigen Unterschrift fehlt. Daran hat auch das Signaturgesetz nichts geändert, insbesondere wird das digital signierte Dokument nicht der Schriftform des BGB gleichgestellt. Hier besteht für den Gesetzgeber ein dringender Handlungsbedarf.

Leider können auch elektronische Willenserklärungen fehlerhaft und mit Irrtümern behaftet sein. Zwar sind solche fehlerhaften Willenserklärungen grundsätzlich anfechtbar, doch ist zwischen Irrtümern bei Abgabe der Erklärung und Irrtümern bei Erklärungsvorbereitung zu unterscheiden. Denn nur die Erstgenannten berechtigen zur Anfechtung. Allerdings ist diese Abgrenzung nur schwer zu bewerkstelligen. So liegt ein beachtlicher Irrtum vor, wenn sich der Computernutzer bei der Abgabe oder im unmittelbaren Vorfeld der Abgabe einer elektronischen Willenserklärung vertippt. Dieser Eingabefehler ist ein sogenannter Erklärungsirrtum und berechtigt die Erklärung nach ñ119 I BGB anzufechten. Dagegen kann der Shop-Betreiber seine Willenserklärung, die auf einem internen Rechenfehler beruht, weil er fehlerhaftes Datenmaterial verwendet, nicht anfechten, da nur ein unbeachtlicher Motivirrtum in Form eines verdeckten Kalkulationsirrtums gegeben ist. Der aufgrund eines Softwaremangels auftretende Fehler berechtigt ebenfalls nicht zur Anfechtung, weil auch er einem Irrtum in der Willensbildung entspricht.

Ein während der Übermittlung zwischen Absender- und Empfängerschnittstelle im Netz entstehender Fehler, der zu einer Änderung der transportierten Erklärung führt, berechtigt den Absender nach ñ120 BGB zur Anfechtung. So ist auch die Möglichkeit der Anfechtung gegeben, wenn sich ein Störfall im Server eines Online-Dienstes ereignet. Schnell handeln sollte der Anfechtende in jedem Fall. Denn das Gesetz verlangt, daß er seine Anfechtungserklärung unverzüglich gegenüber dem Erklärungsempfänger abgibt. Das kann auch per E-Mail geschehen. Die Folge einer Anfechtung ist, daß der Vertrag rückwirkend unwirksam ist, allerdings bleibt der Anfechtende zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet.

Gewiß wirft E-Commerce noch einige rechtliche Probleme auf, so sind gesetzliche Formerfordernisse noch nicht erfüllbar, die Beweisproblematik ist noch unzureichend geklärt, Verbraucherschutzgesetze sind für den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr zu modifizieren. Nichtsdestotrotz bleibt festzustellen, daß der Vertragsschluß im Internet und die Anfechtung von elektronischen Willenserklärungen keine so speziellen Probleme aufwerfen, daß sie nicht mit den geltenden Rechtsvorschriften in den Griff zu bekommen wären und daß der Internetnutzer insoweit die gleiche Rechtsposition innehat wie bei Vertragsschlüssen in konventioneller Form.

*Dirk Marquardt arbeitet für die Rechtsabteilung der Intershop Communications GmbH in Hamburg.

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