Von der GmbH zur AG - eine Strategie für expansive mittelständische Unternehmen

14.06.1996
MÜNCHEN: Seit Juni 1994 ist die kleine AG auch für expandierende mittelständische deutsche EDV-GmbHs möglich. Mittelfristig werden als Gründe für die Umwandlung der GmbH in die AG vor allem leichtere Kapitalbeschaffung und stärkere Mitarbeiterbindung angeführt. Langfristig wird der Gang an die Börse anvisiert.Wie vielen mittelständischen bundesrepublikanischen EDV-Häuser Kapitalmangel unbekannt ist, sei dahingestellt. Nicht aber, daß besagter Kapitalmangel für eine Menge EDV-Häuser trotz guter Produkte schon oft das definitive Aus bedeutete beziehungsweise nicht mehr als ein bescheidenes und krisengeschütteltes Weiterleben als GmbH nach sich zog.

MÜNCHEN: Seit Juni 1994 ist die kleine AG auch für expandierende mittelständische deutsche EDV-GmbHs möglich. Mittelfristig werden als Gründe für die Umwandlung der GmbH in die AG vor allem leichtere Kapitalbeschaffung und stärkere Mitarbeiterbindung angeführt. Langfristig wird der Gang an die Börse anvisiert.Wie vielen mittelständischen bundesrepublikanischen EDV-Häuser Kapitalmangel unbekannt ist, sei dahingestellt. Nicht aber, daß besagter Kapitalmangel für eine Menge EDV-Häuser trotz guter Produkte schon oft das definitive Aus bedeutete beziehungsweise nicht mehr als ein bescheidenes und krisengeschütteltes Weiterleben als GmbH nach sich zog.

Etwa, wenn Entwicklungskosten das Eigenkapital des Softwarehauses genau zur Markteinführung ihres Produktes aufgezehrt hatten, oder aber die notwendige Marktbesetzung qua Marketing am Kapital verhinderte (siehe ComputerPartner Nr. 8/1996, S. 60 - 61). Daß davon auch konsequent solide finanzierte Unternehmen betroffen waren und sind, ist in der Branche kein Geheimnis.

Kapital aber "ist unabdingbar, wenn man als EDV-Unternehmen auf Wachstum setzt", erklärt Martin Reiter, Geschäftsführer der Berliner bit by bit Software GmbH. Und da er und seine 12 Mitarbeiter bei Banken "als nicht kreditwürdig" (Reiter) eingestuft wurden, nutzte er ein neue Möglichkeit für expandierende, auf Wachstum setzende Unternehmen: Er wandelt gerade seine GmbH in eine AG um und will sie, wie er sagt, "so schnell wie möglich" an eine lokale Börse bringen.

Die Umwandlung in eine kleine AG

Möglich wurde diese Umwandlung durch das im August 1994 in Kraft getretene "Gesetz für kleinen Aktiengesellschaften und zur Deregulation des Aktienrechts". Es erleichtert Unternehmen, die Rechtsform einer AG zu wählen, ohne daß die restriktiven Auflagen des bisherigen Aktienrechts auf die "kleine AG" angewandt wird. Und da auch die Umwandlung selber mittels des seit Anfang 1995 geltenden Ausführungsrechts ebenfalls vergleichsweise einfach und unternehmensfreundlich gestaltet wurde, könnte es zu einem brauchbaren Instrument mittelständischer Unternehmenspolitik werden (vergleiche Kasten).

So wurden seit Anfang 1995 in der deutschen EDV-Branche zirka 15 GmbHs in AGs umgewandelt. Mit steigender Tendenz.

Denn es gilt bei diesen Unternehmen als ausgemacht, daß ihnen die Umwandlung in eine AG einige wesentliche Vorteile gegenüber dem bisherigen Status als GmbH verschaffen kann. Leichtere Kapitalbeschaffung und hohe Mitarbeiterbindung stehen dabei an erster Stelle. So erklärt Stephan Link, Vorstand des seit Februar 1996 in eine AG umgewandelten Münchener Netzwerk-Distributors ComputerLinks: "Der Zweck einer Umwandlung ist die mittelfristige Sicherung des Kapitalbedarfs unabhängig von Kreditinstituten sowie erhöhte Mitarbeiterbindung durch Beteiligung."

Dem Netzwerkdistributor sekundiert der Münchener Rechtsanwalt Hans-Peter Lindlbauer. Er zählt als Vorteile der kleinen AG folgende fünf Punkten auf:

- Kapitalbeschaffung.

Dieser zentrale und meistgenannte Vorteil der kleinen AG ermöglicht Unternehmen, ihren notwendigen wachsenden Kapitalbedarf bei einer Expansion zu befriedigen. Denn als AG kann das Unternehmen Anteile in Form von Aktien an anonyme Interessenten und Kapitalanlegern beziehungsweise Mitarbeiter des eigenen Unternehmens verkaufen. Damit soll vor allem der ungeliebten Abhängigkeit von einer kreditgebundenen Fremdfinanzierung durch Banken, wie sie für GmbHs in Wachstumszeiten notwendig ansteht, aus dem Weg gegangen werden.

Denn den meisten Unternehmen ist nicht nur die meist penible Prüf- und Bewertungsvorgang durch die Banken sowie der Forderung nach Sicherheiten für die gewährten Kredite ein Dorn im Auge, sondern auch die Haltung, die bei Banken gegenüber EDV-Unternehmen an der Tagesordnung ist. Mit "EDV-Firmen sind bei Banken schlicht nicht kreditwürdig" gibt der bit-by-bit-Geschäftsführer seinen Eindruck der Banken, mit denen er verhandelt hat, wieder.

Daß er damit die Strategie der Geldinstitute genau erfaßt hat, streiten Banker nicht ab. So war stellvertretend von der Bayerischen Vereinsbank AG in München zu hören: "Die Software ist bei uns ganz unten angesiedelt." Im übrigen leistet sich die BV - im Gegensatz zu den meisten anderen Banken - eine kleine Abteilung, die sich mit dem Thema Finanzierung von EDV-Unternehmen beschäftigt. Doch da dieses Thema vergleichsweise schwierig ist, - das Stichwort Softwarebewertung sei genannt -, und nicht zu den traditionellen Domänen der Banken gehört, zählt "Kreditfinanzierung bei Banken eher zu den Glücksfällen der EDV-Branche. Damit können Sie nicht rechnen", resümiert Reiter seine Erfahrungen mit Banken.

- Hohe Mitarbeiterbindung.

"Für die kleine AG besteht aufgrund der leicht handhabbaren Beteiligung von Mitarbeitern durch Aktiengewährung der Vorteil, daß die Mitarbeiter stark gebunden werden können. Wenn die Mitarbeiter der Auffassung sind, daß das Unternehmen eine gute Zukunftsaussicht hat, werden Gehaltssteigerungen nicht mehr absolut im Vordergrund stehen und die Gefahr eines Wechsels eines guten Mitarbeiters zu einer anderen Firma wegen eines dort gebotenen höheren Verdienstes wird geringer sein", erklärt Lindlbauer gegenüber ComputerPartner. Dies bestätigt Peter Raue, Vorstand der gerade in eine AG umgewandelten MIS AG in Darmstadt: "Der wichtigste Grund für die Umwandlung in eine AG war für uns, unsere Mitarbeiter durch wirkliche Anreize wie Unternehmensbeteiligung an uns zu binden."

Daß dieser Aspekt gerade für Familienunternehmen zutrifft, die mit der Ausgabe der Aktien nicht ihren Einfluß auf den unternehmerischen Gang preisgeben wollen, berücksichtigt das Kleine AG-Gesetz durch die Möglichkeit, sogenannte stimmlose Vorzugsaktien an Mitarbeiter ausgeben zu können. "Die Hauptgesellschafter können sich dadurch nach wie vor die Entscheidung im Unternehmen sichern", unterstreicht Lindlbauer.

- Öffentlichkeitsverständnis.

"Eine GmbH hat in der Regel in der Öffentlichkeit ein weit geringeres Ansehen als eine Aktiengesellschaft", hält Lindlbauer lapidar fest. Der Grund: Die Mindestsammeleinlage einer GmbH beträgt nur 50.000 Mark, und diese geringe Eigenkapitaleinlage reicht oft nicht über die ersten Geschäftsjahre hinaus. Bei einer AG hingegen verlangt das Gesetz mindestens 100.000 Mark Kapitaleinlage. "Jeder verbindet mit einer Aktiengesellschaft größere Gesellschaften. Dies ist häufig ein Vorteil beim Abschluß neuer Geschäftsbeziehungen", nennt der Münchener Rechtsanwalt einen psychologischen Vorteil.

Und dieser wird vor allem dann wirksam, wenn das Unternehmen auch plant, an die Börse zu gehen. "Eine Firma, die Anleger auf sich aufmerksam machen will, ist zur ergebnisorientierten und transparenten Öffentlichkeitsarbeit gezwungen. Die Publizitätspflicht erzeugt bei Börsenpublikum und Öffentlichkeit zwangsläufig größere Aufmerksamkeit und wird attraktiv", ist sich Michael Frey, Mitinhaber des Investment- und Beratungsunternehmen Knorr, Reinsch & Partner in Sulzbach, sicher.

- Kontrolle.

Da das Gesetz zur kleinen AG verbindlich einen mindestens dreiköpfigen Aufsichtsrat vorschreibt, können Unternehmen kompetente und renommierte Personen als unabhängige Aufsichtsräte installieren. Diese Maßnahme signalisiert den Anlegern eine zusätzliche Sicherheit bei ihrer Investmententscheidung. Für Mitarbeiter bedeutet das unabhängige Gremium zusätzliche Vertrauensbildung.

Außerdem ist es in der kleinen AG möglich, die Kompetenzen zwischen Eigentümern, die im Aufsichtsrat vertreten sind, und Geschäftsführung, also Vorstand, zu trennen. Dadurch können interne Streitigkeiten zwischen Anteilseignern vermieden werden.

- Spekulationsgedanke.

Da seit nunmehr drei Jahren in Deutschland diskutiert wird, ähnlich der amerikanischen NASDAQ eine Börse für kleine, technologieorientierte AGs zu schaffen, können AGs beim Gang an die dereinst existierende Börse mit erheblichen Fremdfinanzierungsmöglichkeiten rechnen. Aber auch jetzt können AGs ihre Aktien an lokalen Börsen wie etwa in Berlin, Düsseldorf, Hamburg oder München anbieten.

Insofern ist für expandierende Unternehmen die Vorbereitung des Gangs an die Börse grundsätzlich interessant. "Der Börsengang, der nach zwei Jahren bei vorausschaubarer positiver Ertragssituation stattfinden kann, bietet Anlegern eine günstige Perspektive. Investieren sie, hat das Unternehmen Aussicht auf eine dauerhafte Unternehmensfinanzierung, und für die Anleger rentiert sich die Investition", zeigt Frey auf.

Die Zukunft der kleinen AG

Börsengänge und damit ein institutionalisierter und regulierter Kapitalmarkt für die kleine AGs müssen allerdings erst noch passieren. So rechnet Frey vor, daß im letzten Jahr gerade 20 Börsengänge von deutschen Unternehmen festzustellen waren. Zum Vergleich: In den USA stellen 30 Börsengänge im Monat den Durchschnitt dar. "Deutsche Anleger sind vergleichsweise konservativ", glaubt auch der Berliner AG-Gründer Reiter.

Doch in Anbetracht der Bemühungen um die Einrichtung einer Börse für Technologieaktien, die beispielsweise die Deutsche Börsen AG in Frankfurt an den Tag legt, ist sich Frey sicher, daß die kleine AG für Unternehmen eine passable Zukunft bietet: "Europaweit wird an einer elektronischen Börse gearbeitet. Sie kommt. Dann sind die kleinen AGs am Zug", berichtet er.

Und was die Umwandlung in eine AG betrifft, die nicht notwendig den Gang an die Börse bedeutet, erklärt Distributor Stephan Link: "Eine AG signalisiert per se Wachstumsorientierung. Für Anleger mit Blick auf die mittelfristige Zukunft ihres Geldes sind wir interessanter als bisher."

Zur Startseite