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Vorläufiger Rechtsschutz für Berufspendler

27.11.2007
Von Isabelle Rupprecht
Erst nach einem Urteil vom Bundesverfassungsgericht werden wieder klare Verhältnisse für Berufspendler herrschen. Bis es frühestens 2008 zu einer solchen Entscheidung kommt, stehen sie unter vorläufigem Rechtsschutz.

Anfang dieses Jahres ist mit Eintreten der neuen Gesetzmäßigkeiten zur Pendlerpauschale ein Seufzer durch die Reihen der Berufspendler gegangen. Die zum 1. Januar 2007 in Kraft getretene Fassung des § 9 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lässt es nun nicht mehr zu Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten steuerlich abzusetzen.

Dies geht auf das von der Bundesregierung verfolgte Werkstorprinzip zurück, nach dem die Fahrt zur Arbeit als steuerliche Privatsphäre gilt. Die berufliche Tätigkeit beginnt demnach erst, wenn der Arbeitnehmer das "Werkstor" passiert.

In Verbindung mit der Neuerung haben Union und SPD eine Härtefallregelung initiiert, nach der die übliche Entfernungspauschale (30 Cent pro Kilometer für den einfachen Arbeitsweg pro Tag) nun erst ab dem 21. Kilometer absetzbar wird. Davon betroffen sind alle, deren Aufwendungen für den Weg zur Arbeit nicht durch den Arbeitnehmerpauschbetrag abgedeckt werden, weil die Werbungskosten den jährlichen Freibetrag von 920 Euro übersteigen.

Die Verfassungsmäßigkeit der neuen Regelung ist jedoch nicht nur in der Fachliteratur umstritten. Auch die Finanzgerichte waren sich bei der Frage, ob der § 9 Abs. 2 verfassungskonform ist, nicht einig und es kam zu sich widersprechenden Urteilen. So wurde der unterschiedliche Umgang mit Nah- und Fernpendlern von den Finanzgerichten Niedersachsen und Saarland wegen einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig angesehen und die Klagen der Pendler dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Die Finanzgerichte Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Köln hingegen beurteilten die Neuregelung der Pendlerpauschale als mit dem Grundgesetz vereinbar. Laut ihrem Urteil werden sie dem Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit gerecht. Die Fahrtkosten der Pendler stellen, nach Auffassung der Befürworter, Aufwendungen für die Lebensführung da, die den § 12 Abs. 1 EStG greifen lassen und deshalb nicht als abzugsfähige Ausgaben gelten.

In einem Eilverfahren hat nun der Bundesfinanzhof (BFH) den vorläufigen Rechtsschutz bei Lohnsteuer-Ermäßigung gewährt, den schon das Finanzgericht Niedersachsen angeordnet hat (Beschluss vom 23.08.07 VI B 42/07) Berufspendler können somit den Lohnsteuer-Freibetrag, der die anfallenden Fahrtkosten ohne die Kürzung um 20 Kilometer erfasst, wieder auf der Lohnsteuerkarte eintragen lassen. Grund dafür waren ernstliche Zweifel, dass eine Ablehnung der Eintragung eines Lohnsteuer-Freibetrags rechtmäßig ist. Dabei handelt es sich um eine vorläufige Regelung bis das Urteil vom Bundesverfassungsgericht die Lage letztendlich entscheidet. Mit diesem Urteil wurde eine vom Finanzamt eingelegte Beschwerde zurückgewiesen. Außerdem wurde vom BFH bekundet, dass ein Beitritt des Bundesfinanzministeriums zum Verfahren in vorliegendem Fall nicht zulässig ist. Finanzamt sowie Bundesfinanzministerium haben ihrerseits keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Neuerung und dem Übergang zum Werkstorprinzip. Die Finanzverwaltung vertritt die Meinung, dass eine geordnete Haushaltsführung hier Vorrang habe. Dies widerlegte der BFH, da der Rechtsschutzanspruch der Pendler lediglich dann zurücktreten müsse, wenn das Ziel der Konsolidierung nicht auf andere Weise zu erreichen wäre, als durch Belastung allein einer Gruppe von Steuerpflichtigen.

Mit der Sitzung der Experten der Finanzministerien von Bund und Ländern vom 12. September 2007 ist die vorläufige Regelung nun in Kraft getreten. Ein Großteil der Bürger hat sich auch bereits den Freibetrag für das Steuerjahr 2008 beim Finanzamt eintragen lassen. Da mit einem Urteil vom Bundesverfassungsgericht frühestens 2008, eventuell sogar erst 2009 zu rechnen ist, stehen die Steuerpflichtigen nun vor der Entscheidung: den Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eintragen lassen oder nicht. Eines ist klar - für alle, die sich für einen Eintrag auf der Lohnsteuerkarte entscheiden, ist es für 2007 höchste Zeit. Ein Eintrag ist nämlich nur noch wenige Tage möglich, bis zum 30. November. Für die Lohnsteuerkarte 2008 ist das Fristende ein Jahr später. Ob ein Eintrag aber sinnvoll ist, ist nicht sicher. Wenn die Kürzung bewilligt wird, kommt es für alle, die den Freibetrag geltend gemacht haben, zu Steuerrückzahlungen und gegebenenfalls zu Aussetzungszinsen in Höhe von sechs Prozent pro Jahr. Diejenigen, die sich den Freibetrag nicht eintragen lassen, können hingegen die Fahrtkosten trotzdem bei der Einkommenssteuererklärung 2007 und 2008 angeben. Das Finanzamt darf die Forderungen zwar mit Verweis auf die geltende Rechtslage nicht anerkennen, aber bei einer positiven Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werden zuviel gezahlte Steuern erstattet. Alle Steuerbescheide für 2007 und eventuell 2008 werden also in diesem Punkt erstmal mit einem Vorläufigkeitsvermerk gekennzeichnet. (ir)

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